Berlin und Paris halten an Euro-Kurs fest
7. Dezember 2011Angesichts der drohenden Herabstufung der Kreditwürdigkeit durch die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) zeigt sich Deutschland entschlossen, beim bevorstehenden EU-Krisengipfel weitreichende Reformen durchzusetzen. Die US-Ratingagentur erhöhte mit ihrer Drohung, die Bonität 14 weiterer Euro-Länder sowie des Euro-Rettungsschirmes EFSF gleich mit herabzustufen, massiv den Entscheidungsdruck auf den Gipfel. Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte wie der französische Präsident Nicolas Sarkozy demonstrativ gelassen, betonte jedoch abermals, bei den Beratungen am Donnerstag und Freitag werde es Entscheidungen geben, die an den Märkten das Vertrauen in den Euro-Währungsraum zurückbringen sollten.
"Was eine Ratingagentur macht, das ist in der Verantwortung der Ratingagentur", kommentierte Merkel trocken. In Regierungskreisen wurden die Gründe für den Befund der Agentur als wenig stichhaltig und der Zeitpunkt der Veröffentlichung als politisch kritisiert. Merkel versicherte, sie werde den mit Sarkozy vereinbarten Weg fortsetzen. Sie wollen Vertragsänderungen zur Durchsetzung von mehr Haushaltsdisziplin, das Vorziehen des dauerhaften Rettungsmechanismus ESM auf Ende 2012 sowie zu Krisenzeiten ein allmonatliches Treffen der Euro-Staats- und Regierungschefs zur besseren Abstimmung.
Bleibt es bei "AAA"?
Die Rating-Wächter aus New York hatten zunächst für 15 der 17 Euro-Länder eine verschärfte Beobachtung angekündigt, was die Kreditwürdigkeit anbelangt. Am Dienstag (06.12.2011) legte S&P dann nach und nahm auch den Euro-Rettungsschirm EFSF unter die Lupe. Was bei der Prüfung genau herauskommt, soll unmittelbar nach dem Gipfeltreffen bekanntgegeben werden, heißt es.
Beim Chef der Eurogruppe, dem Luxemburger Jean-Claude Juncker, sorgte die S&P-Entscheidung für Entrüstung. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy schlug den Staaten derweil zwei Wege vor, um zu strikteren Regeln zur Sicherung der Stabilität der Gemeinschaftswährung zu kommen. Zum einen könnten die Staaten im Rahmen der laufenden Verträge die Pflicht zu ausgeglichenen Haushalten verbindlicher im Stabilitätspakt verankern. Der zweite Weg folgt dem von Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy verfochtenen Plan einer Vertragsänderung mit Wirkung für die Euro-Staaten. Über einen geänderten Artikel 126 des EU-Vertrages würden dann ein stärkerer Automatismus bei Defizitverfahren und Sanktionen eingeführt.
Doch nicht nur die amerikanischen Rating-Wächter, auch US-Finanzminister Timothy Geithner hielt die Europäer erneut zu weiteren Reformen an. Nach einem Treffen mit seinem deutschen Amtskollegen Wolfgang Schäuble in Berlin äußerte sich Geithner aber "sehr ermutigt" über die in den letzten Wochen in Europa angelaufenen Bemühungen. Er verwies auf die neuen Regierungen in Italien, Griechenland und Spanien. Entscheidend sei, dass die Europäer eine ausreichend hohe "Brandmauer" gegen ein weiteres Übergreifen der Krise in einigen Ländern aufrichten müssten, erklärten beide Politiker. Schäuble plädierte abermals für ein Vorziehen des dauerhaften Euro-Hilfemechanismus ESM. Zur Frage einer noch größeren IWF-Unterstützung äußerten sich beide ausweichend.
S&P sieht sich auf dem richtigen Weg
Der S&P-Chefanalyst für Europa, Moritz Kraemer, sagte in der ARD, Europa könne das Ruder noch herumreißen. "Wir glauben, dass dieser Krisengipfel wirklich eine ganz maßgebliche Chance ist, diesen Prozess umzukehren." Davon hänge wesentlich ab, ob es zur Herabstufung komme. Er verteidigte den Befund seiner Agentur mit steigenden Risiken im Euro-Raum und sprach von einer "systemischen Vertrauenskrise".
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle äußerte im "Handelsblatt" den Verdacht, "dass einige amerikanische Ratingagenturen und Fondsmanager gegen die Euro-Zone arbeiten". Der frühere SPD-Finanzminister Peer Steinbrück nannte das Vorgehen von S&P eine Provokation, die nach einer strikten Regulierung der Ratingagenturen durch die EU schreie.
Keine glückliche Begründung?
Auch bei der Bundesbank stieß die kritische Bewertung Deutschlands durch S&P auf wenig Verständnis. "Die Reaktion von Standard & Poor's kann nicht wirklich überraschen angesichts der aktuellen Unsicherheit in der Eurozone. Man kann aber geteilter Meinung sein, ob die Begründung glücklich ist", sagte Bundesbank-Vorstand Joachim Nagel der Zeitung "Die Welt". Weiche politische Faktoren anzuführen, sei aus Sicht der Bundesbank wenig überzeugend.
Der Präsident des Bayerischen Finanzzentrums, Wolfgang Gerke schließt nicht aus, dass sich Deutschland auf eine Abwertung seiner Bonitätsnote vorbereiten muss. Im Interview mit DW-WORLD.DE sagte er: "Auch wir haben uns hoch verschuldet und verstoßen gegen die Maastricht-Kriterien." Das übersehe man manchmal, wenn man darauf verweise, wie gut bei uns die Wirtschaft laufe, so Gerke.
Autor: Marko Langer (rtr, dpa, afp)
Redaktion: Thomas Grimmer