Hit im Netz: Nackter Mann jagt Wildschwein
8. August 2020Es mögen Jahrtausende vergangen sein, seit ein unbekleideter Mann zuletzt die Wildschweine der mitteleuropäischen Tiefebene jagte. Bis nun ein splitternackter Mann im Vollsprint einer Bache mit zwei Frischlingen nachsetzte. Das Trio hatte dem FKK-Badegast am Berliner Teufelssee seine Tasche entwendet.
Eine geistesgegenwärtige Augenzeugin hielt die archaische Szene mit ihrem Smartphone fest, teilte sie über Instagram und Facebook und machte sie zum Hit im Internet - und zwar nicht nur in Deutschland. Selbst der australische Journalist Jonathan Swan, der gerade erst mit einem vielbeachtete Trump-Interview Schlagzeilen machte, teilte die Story über Instagram und Facebook.
Die Reaktionen reichten von Spott über Belustigung bis hin zu Anerkennung für die Selbstironie des Mannes. Der nämlich, sagte die Urheberin Adele Landauer der Deutschen Presse-Agentur, habe schallend gelacht, als sie ihm die Bilder gezeigt habe, und ihrer Veröffentlichung zugestimmt.
FKK-Kultur in Deutschland
Die Tradition der Freikörperkultur, kurz FKK, reicht in Deutschland bis ins 19. Jahrhundert zurück. Dabei geht es nicht um sexuelle Freizügigkeit, sondern eher um Ursprünglichkeit und Naturverbundenheit.
In der DDR galt die FKK als eine der wenigen Freiheiten, mit denen man sich ungestraft den sozialen und sozialistischen Zwängen entziehen konnte. Deshalb findet man auch heute noch in den neuen Bundesländern und Berlin besonders viele Stellen, an denen das Nacktsein erlaubt oder zumindest geduldet ist. Grundsätzlich ist es aber in Deutschland verboten, sich unbekleidet in der Öffentlichkeit aufzuhalten.
Nacktsein beliebt, aber nicht bei jedem
Der Berliner Teufelssee im Westen Berlins ist laut der Berliner Tageszeitung "Tagesspiegel" seit "vielen Jahren ein beliebter Ort für Nudisten und Personen aus der queeren Community". Und dass man dort Sonne, Luft und Wasser unbehelligt nackt genießen darf, stellte die Bezirksverwaltung im vergangenen Juni noch einmal klar.
Dazu sah sie sich veranlasst, weil gefälschte Plakate aufgetaucht waren, denen zufolge der Teufelssee laut behördlicher Anordnung "nicht mehr als geduldeter FKK-Bereich" genutzt werden durfte. Die angebliche Begründung: "Jeder Mensch hat das Recht, unsere Freizeit- und Erholungsgebiete zu genießen, ohne moralisch, sittlich oder religiös Anstoß nehmen zu müssen", hieß es auf dem Plakat.
Dass nicht jeder in Deutschland die Freikörperkultur mag, weiß man auch beim Deutschen Verband für Freikörperkultur. Ein strukturelles Problem sieht Präsident Wilfried Blaschke laut Tagesspiegel jedoch nicht: Auf dem Land lasse die Akzeptanz nach, dafür würden die Mitgliederzahlen der FKK-Vereine in großen Städten sogar wieder steigen.
Ein Laptop als Jagdtrophäe
An der Nacktheit des Berliner Wildschwein-Jägers nahmen die Anwesenden dementsprechend keinerlei Anstoß. Im Gegenteil, wie die Dokumentarin der Szene, Adele Landauer, in ihrem Instagram-Account schreibt: "Jeder von uns bewunderte ihn, wie zielstrebig er war, und als er zurückkam, mit seiner gelben Tasche, klatschen und gratulierten wir ihm für seinen Erfolg." Landauer, die als Persönlichkeits-Coach arbeitet, bemerkte: "Das passiert, wenn Du Dich auf Deine Ziele konzentrierst."
Für das Wildschwein dürfte es kein großer Verlust gewesen sein. Denn die geraubte Tasche enthielt nicht etwa Lebensmittel, sondern den Laptop des Mannes - womit dieser laut Landauer auch sein beherztes Eingreifen erklärte.
Doch damit nicht genug. Am Folgetag ging Landauer wieder zu dem See, wie sie auf ihrer Facebook-Seite schreibt. Und wieder waren die Bache und ihre Frischlingen dort und suchten zwischen den Badegästen seelenruhig die Wiese nach Essbarem ab. Obwohl Wildschweine, insbesondere im Beisein ihrer Jungtiere, durchaus aggressiv gegen Menschen auftreten können, kamen in diesem Fall alle Beteiligten unbeschadet davon. Wohl auch ein Zeichen dafür, dass Wildtiere sich an den Menschen gewöhnen und den Lebensraum Stadt für sich erobern.