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Der Traum vom Marathon

Marco Gerbig-Fabel2. Oktober 2012

Über 42 Kilometer laufen und leiden in Berlin - davon träumen zehntausende Sportler aus aller Welt. Jahrelang sehnen viele den Moment herbei. Für Raquel Fernandes aus Brasilien wurde er in diesem Jahr Wirklichkeit.

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begeisterte Läufer bei Berlin-Marathon vor dem Brandenburger Tor
Berlin Marathon 2012Bild: Gerbig-Fabel/DW

Die Augen von Raquel Fernandes strahlen. Über die Wangen der Brasilianerin laufen Freudentränen. Ihr Gesicht ist schweißüberströmt. Die Deutschlehrerin aus Sao Paulo trennen nur noch wenige Meter von ihrem großen Traum: einmal mit Läufern aus aller Welt durch das Brandenburger Tor und kurz dahinter ins Ziel laufen – nach den magischen 42,195 Kilometern.

Schon fünf Mal hat Raquel Fernandes die Marathondistanz bewältigt, unter anderem in den US-Städten Orlando und Chicago. Die Teilnahme am Berlin Marathon war für sie jedoch etwas ganz Besonderes: "Ich liebe die deutsche Sprache und ich liebe diese Stadt, allem voran das Brandenburger Tor." Seit die Berliner Mauer fiel, träumte sie im fernen Sao Paulo davon, beim Berlin Marathon ins Ziel zu laufen. In diesem Jahr wollte Raquel Fernandes sich den Traum verwirklichen und ist mit einer Freundin hergekommen. "Die Stimmung ist unglaublich. Ich bin so aufgeregt und glücklich."

Die Brasilianerin Raquel Fernandes strahlt über das ganze Gesicht nach der Siegerehrung
Überglücklich: Raquel Fernandes nach dem LaufBild: Gerbig-Fabel/DW

Eine international beliebte Großveranstaltung

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Bild: DW

Eine Startnummer für den Marathon zu ergattern, ist keine Selbstverständlichkeit. Die 40.000 Teilnehmertickets sind begehrt und entsprechend früh ausverkauft. Im vergangenen Herbst dauerte es gerade mal sechs Wochen, bis die Anmeldeliste für 2012 voll war. "Wir rechnen damit, dass wir für den Marathon 2013 schon im November diesen Jahres ausverkauft sein werden", sagt Thomas Steffens, Kommunikationschef des Veranstalters. Der Meldestart beginnt am 25. Oktober, ein reguläres Ticket kostet 60 Euro. Mehr als die Hälfte aller Teilnehmer kommt inzwischen aus dem Ausland.

Raquel Fernandes hat ihre Startberechtigung über das Internet direkt beim Veranstalter gebucht. "Das war ganz einfach und die Organisation hervorragend", sagt die Brasilianerin. Per Email informierte sie der Veranstalter regelmäßig über Neuigkeiten und erinnerte auch daran, rechtzeitig Flug und Hotel zu buchen. Ein mögliches Chaos vor Ort soll so vermieden werden. Die 40.987 Anmeldungen aus über 120 Nationen in diesem Jahr verlangen eine entsprechende Logistik im Vorfeld. Wem das alles zu kompliziert wird, der kann auch Rundum-Pakete buchen. Reiseveranstalter in mehr als 30 Ländern bieten ihren Läufern neben einem Startplatz auch die Organisation der kompletten Reise an.

Ein Lauf mit Tradition

Kein anderer Straßenlauf in Deutschland verzeichnet ein derart internationales Interesse. Erstmals ausgetragen wurde der Berlin Marathon 1974 mit nur 286 Teilnehmern. Damals war die Stadt noch durch eine Mauer in West- und Ost-Berlin geteilt und die Strecke führte durch den Grunewald, einen Stadtwald im Westen. 1981 wurde der Lauf dann in die Straßen West-Berlins verlegt - ganz nach dem Vorbild New York: Dort hatten die Veranstalter den Marathon 1976 vom Central Park in die Straßen der Millionenmetropole verlegt.

Die Läufer auf dem Weg zum Start
Die Läufer am Morgen auf dem Weg zum StartBild: Gerbig-Fabel/DW

Nach dem Fall der Mauer 1989 entwickelte sich der Berlin Marathon dann zum Großereignis. 1990 führte er erstmals durch das Brandenburger Tor und den Osten der Stadt. Das Symbol der deutsch-deutschen Teilung durchlaufen zu dürfen, war für viele Teilnehmer eine große Motivation. Die TV-Bilder mit Läufern und Sehenswürdigkeiten der Stadt produzieren die Veranstalter inzwischen selbst. "In diesem Jahr wurde der Marathon in mehr als 190 Länder live übertragen, letztes Jahren waren es 177 Länder", sagt Thomas Steffens.

Stadt der Rekorde

Nicht nur die Geschichte der Stadt macht den Berlin Marathon zu einem besonderen. Bereits acht Mal wurden hier Weltrekorde gebrochen. 1998 etwa beendete der Brasilianer Ronaldo da Costa seinen Lauf nach zwei Stunden, sechs Minuten und fünf Sekunden und durchbrach damit eine Schallmauer. "In Brasilien ist er noch heute ein Held", erklärt Raquel Fernandez. Auch der aktuelle Weltrekord wurde in Berlin aufgestellt: Der Kenianer Patrick Makau erreichte 2011 nach zwei Stunden, drei Minuten und 38 Sekunden das Ziel.

zahlreiche Medaillen hängen bereit
Wohlverdient: Medaillen für alle, die es ins Ziel schaffenBild: Gerbig-Fabel/DW

Sehnsuchtsort Brandenburger Tor

Für Raquel Fernandes geht es an diesem Sonntag nicht um Rekorde. Gut drei Stunden nach dem schnellsten Läufer des Tages, dem Kenianer Geoffrey Makai, passiert die Brasilianerin das Brandenburger Tor. Der lang ersehnte Moment liegt nun hinter ihr: "Als es soweit war, habe ich geheult wie ein kleines Kind," erzählt sie überglücklich. Jetzt will sie erst einmal die Entbehrungen des monatelangen Trainings vergessen: "Heute werde ich endlich mal wieder ganz normal essen. Vielleicht probiere ich eine Currywurst.", sagt Raquel Fernandes. Dann macht sie sich auf den Weg zu ihrem Hotel. Dazu muss sie noch einmal durch das Brandenburger Tor. Dort sind gerade die letzten Läufer in Richtung Ziel unterwegs. Berlin möchte sie unbedingt wiedersehen.