Berglöwen bekommen eine Autobahnbrücke in Los Angeles
17. Januar 2017Der Ventura Freeway, bei Einheimischen besser bekannt als der 101, ist eine gnadenlos geschäftige Ost-West-Autobahn, die jeden Tag bis zu 175.000 Fahrzeuge durch das San Fernando Valley in Los Angeles befördert. Die 101 ist eine echte Verkehrsader, aber sie hat auch Pumas, Rotluchse und andere wilde Säugetiere von der Außenwelt abgeschnitten.
Gemeinsam mit dem Highway 405 und dem Pazifik bildet der 101 ein Dreieck, dem bisher nur wenige Tiere entkommen konnten, um in anderen Gegenden des ländlichen Südkaliforniens auf Partnersuche zu gehen. Es gibt Spekulationen, dass Los Angeles berühmter Berglöwe mit dem blumigen Namen P-22, zwei Autobahnen überquert habe, und so in den schroffen Hügeln des Griffith Parks gelandet sei, einer ausgedehnten städtischen Grünfläche am östlichen Ende der Santa Monica Mountains, nur wenige Meilen vom dichtbesiedelten Stadtgebiet entfernt.
Die meisten anderen Pumas sind weder so ehrgeizig noch haben sie so viel Glück. Die Mehrheit derer, die sich der Herausforderung stellen, eine achtspurige Autobahn zu überqueren, sterben bei dem Versuch.
Doch jetzt arbeitet die kalifornische Verkehrsbehörde (Caltrans) gemeinsam mit Tierschutzorganisationen daran, mithilfe von Wildbrücken einen Biotopverbund aufzubauen, der die Santa Monica Mountains mit den nahegelegenen Simi Hills und den Santa Susana Mountains verbindet. Wenn alles nach Plan verläuft, wird das Projekt 2021 fertig und Biologen sagen, dass sei gerade noch rechtzeitig, um die Pumas der Region vor dem Aussterben zu retten.
Rettung vor Inzucht und Aussterben
Etwas mehr als ein Dutzend Pumas leben in den Santa Monica Mountains, wo es, zumindest fürs Erste, genug Beute gibt, um die Population am Leben zu erhalten. Aber es gibt nicht genug Platz, um Inzucht zu vermeiden. Der Freeway-Engpass führt dazu, dass ausgewachsene Tiere oft jüngere Rivalen töten, selbst wenn sie verwandt sind. Ein solches Verhalten ist ungewöhnlich für die Spezies und ein Anzeichen für einen harten Konkurrenzkampf um Partner.
Sollte es nicht möglich sein, den Lebensraum der Berglöwen zu vergrößern, so droht den Pumas der Region, einer Studie von 2016 zufolge, Inzuchtdepression. Der Begriff beschreibt, was genetisch passiert, wenn sich Tiere mit nahen Verwandten paaren müssen, weil sie sich nicht frei bewegen können.
Das Resultat ist geringere genetische Vielfalt, die die Spezies wiederum anfälliger für Krankheiten macht. Forscher sagen, wenn nichts geschieht, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die Pumas in der Region Los Angeles in den nächsten 50 Jahren verschwinden werden, bei 99 Prozent.
Aus der Vergangenheit lernen
John Benson, Assistenzprofessor für Wirbeltierökologie an der University of Nebraska und Hauptautor der Studie hat eine ähnliche Situation bei der Pantherpopulation in Florida erlebt und sagt, aus der Geschichte könne man lernen.
"Als deren genetische Vielfalt in den 1990er Jahren sehr tief sank, sind die Panther fast ausgestorben", sagt Benson. Er macht Faktoren, die im Zusammenhang mit Inzuchtdepression stehen, dafür verantwortlich und sagt, dass die Einführung neuer Gene in die Population genetische Variabilität wiederherstellen und damit Überlebenschancen und Reproduktion verbessern und ein Aussterben verhindern kann.
"In Florida wurde das erreicht, indem man Pumas aus Texas nach Südflorida umgesiedelt hat, nachdem bei den Panthern Inzuchtdepression auftrat."
Der Forscher sagt, es gebe eine Chance die "Landschaftsverbindung und den Genfluss" in Südkalifornien wiederherzustellen, bevor es dort so schlimm wird.
"Unser Modell legt nahe, dass es ausreichen würde, wenn alle zwei bis vier Jahre ein neuer Puma zur Population hinzukommt, um die genetische Vielfalt weitgehend zu erhalten und die Gefahr des Aussterbens stark zu senken", sagte er. Aber damit das geschehen kann, brauchen die Tiere größere Bewegungsfreiheit.
Größte Wildbrücke der Welt
Wildbrücken, wie die geplante Landbrücke über den 101, gibt es bereits in Alberta, Kanada, und in den Niederlanden, um Lebensräume für Wildtiere wieder zusammenzuführen, die durch Straßen fragmentiert worden sind, aber noch nie wurde eine solche Brücke in einem dichtbesiedelten Gebiet wie Los Angeles gebaut.
Falls sie gebaut würde, wäre die Brücke über den Highway 101 der größte Übergang dieser Art auf der Welt und ein Modell für urbanen Natur- und Tierschutz, sagen die Befürworter.
Die geplante Wildbrücke, die voraussichtlich 56 Millionen US-Dollar (54 Millionen Euro) kosten soll, würde im Vorort Agoura Hills eine 60 Meter lange und 50 Meter breite Überführung über den 101 Highway bilden und würde auch noch eine angrenzende Straße in der Stadt überspannen. Auf dem Bauwerk würde natürliche Vegetation angepflanzt, um den Krach und das Licht des Highways abzuhalten.
Bewegungsfreiheit für alle Tiere
Auch mehrere andere Arten, die von Inzest bedroht sind, wenngleich nicht so sehr wie die großen Katzen, würden ebenfalls von dem Projekt profitieren, sagt Paul Edelman, Director of National Resources and Planning bei der Mountain Recreation and Conservation Authority.
"Der Graufuchs und der Rotluchs werden die Brücke nutzen können, und selbst Vögel werden ihre Flugrouten ändern, um über Grünbereichen zu sein", sagt Edelman.
Caltrans zufolge soll das Geld für die Brücke weitgehend von privaten Spenden und aus gemeinnützigen Quellen kommen. Öffentliche Gelder kämen im Zweifel aus Mitteln für Naturschutz. Aber Befürworter sagen, wenn das Projekt bis 2021 fertig werden soll, müssten sie bis Anfang 2017 10 Millionen Dollar auftreiben, um mit der Bauplanung beginnen zu können.
Beth Pratt-Bergstrom, State Director der National Wildlife Federation (NWF) sagt, die Öffentlichkeit und die Stadt Agoura Hills stünden voll und ganz hinter dem Projekt, aber das Geld bereite noch Sorgen.
"Das einzige, was es aufhalten könnte, ist das Fundraising", sagt sie und fügt hinzu, dass das Bauwerk, wenn es denn gebaut wird, als Vorbild für zukünftige Wildbrücken in urbanen Gegenden dienen würde.
"Als die Autobahnen in der Region gebaut wurden, dachte niemand an die Tierwelt", sagt Platt-Bergstrom. "Ich denke, von jetzt an werden Wildtierkorridore, soweit sie angebracht sind, ein integraler Teil der Autobahnplanung sein."