Benin-Bronzen kehren nach Nigeria zurück
1. Juli 2022"Es ist ein historischer Moment für unsere beiden Länder, dass wir nun ein Abkommen über die Rückgabe der Benin-Bronzen unterzeichnen!" Nicht nur die Worte von Abba Isa Tijani verraten seine Zuversicht, auch sein wacher Blick. Der Direktor der nigerianischen Museums- und Denkmalsbehörde (NCMM) hat eine entscheidende Rolle gespielt in der Ausarbeitung des Rückführungsabkommens, das in Berlin von Außenministerin Annalena Baerbock, Kulturstaatsministerin Claudia Roth, dem nigerianischen Kulturminister Lai Mohammed sowie dem nigerianischen Staatsminister für Auswärtige Angelegenheiten, Zubairo Dada, unterzeichnet wurde: Damit wird ermöglicht, dass ein Großteil der sich in deutschen Sammlungen befindlichen Benin-Bronzen künftig wieder Eigentum Nigerias sein wird.
"Ich danke der deutschen Regierung für den bahnbrechenden Beschluss. Deutschland ist als erstes europäisches Land einem formellen Abkommen beigetreten, alle Besitztümer aus der Kolonial-Ära an ihre rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben. Sie haben die Standards dafür gesetzt, wie Versöhnung aussehen sollte. Ich hoffe sehr, dass andere europäische Länder, die immer noch solche Artefakte von uns besitzen, in ihre Fußstapfen treten werden", sagte Zubairo Dada. Und Nigerias Kulturminister Lai Mohammed fügte hinzu: "Dies ist die größte bekannte Rückgabe von Gegenständen weltweit. Der Präsident, die Regierung und das Volk von Nigeria, und vor allem der Oba von Benin (König von Benin) Oba Ewuare II sind sehr froh und dankbar, dass die deutsche Regierung das möglich gemacht hat", sagte Lai Mohammed.
Fünf deutsche Museen an Restitution beteiligt
Insgesamt handelt es sich um mehr als 1130 Artefakte aus dem Lindenmuseum in Stuttgart, dem Berliner Humboldt-Forum, dem Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum, dem Hamburger Museum für Kulturen und Künste der Welt und den Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen. "Mit dieser Tat hat Deutschland eine führende Rolle dabei übernommen, das Unrecht der Vergangenheit zu korrigieren", so Lai Mohammed. Die verschiedenen Museen beziehungsweise deren Träger werden nun mit dem NCMM Verträge über die Eigentumsübertragung und mögliche Leihgaben ausarbeiten.
Die wertvollen Artefakte - Skulpturen und Reliefs aus Bronze und Messing sowie Arbeiten aus Elfenbein, Koralle und Holz - wurden 1897 bei einer brutalen Strafexpedition von den Briten aus dem einstigen Königreich Benin geraubt. Der Königspalast aus vorkolonialer Zeit wurde bis auf seine Grundfeste niedergebrannt, die Stadt Benin City im Südwesten des heutigen Nigerias fast vollständig zerstört. Über Auktionen in London gelangten die erbeuteten Kunstwerke Anfang des 20. Jahrhunderts unter anderem nach Deutschland, das sich die weltweit zweitgrößte Sammlung sicherte.
Bereits vor 100 Jahren forderte das einstige Königreich Benin die Bronzen zurück - ohne Erfolg. Afrikanische Intellektuelle nahmen den Kampf in den 1970er-Jahren wieder auf, doch in Europa stießen ihre Forderungen auf taube Ohren. Erst Emmanuel Macrons Besuch in Burkina Faso 2018 markierte einen Wendepunkt: Der französische Präsident kündigte an, dass Frankreich seine kolonialen Kunstschätze zurückgeben werde und gab einen Statusbericht in Auftrag.
Auch in Deutschland schlug dieser Bericht Wellen. Dass sich Nigeria und Deutschland nun nach langwierigen Verhandlungen einigen, bedeutet für Nanette Snoep, dass "jetzt wirklich Geschichte geschrieben wird": "Wenn die Rückgabe und die Eigentümerübertragung der Benin-Bronzen jetzt gelingt, dann ist das wirklich der Anfang der Dekolonisierung der sogenannten ethnographischen Museen", so die Leiterin des Rautenstrauch-Joest-Museum im Gespräch mit der DW. "Diese Eigentumsübertragung ist unglaublich wichtig, fast noch wichtiger als die physische Rückgabe." Nigeria werde fortan darüber entscheiden, wie mit diesen Objekten umgegangen und auch, wie darüber gesprochen wird: "Es geht auch um Rückgabe von Geschichte und es geht insbesondere um eine neue Erzählung der Geschichte."
"Die Rembrandts ethnografischer Sammlungen"
Jedes große Museum im globalen Norden mit Sammlungen aus dem globalen Süden habe mindestens eine Benin-Bronze: "Das sind die Warhols, das sind die Rembrandts, die Dürers der sogenannten ethnographischen Museen", so Snoep weiter. Dass diese "Ikonen" der Raubkunstdebatte nun zurückgegeben werden, mache den Weg frei für "eine neue Ethik im Bereich internationale Kooperationen". "Es geht darum, endlich mal Raum zu geben, um zu reden über koloniale Traumata, über gebrochene oder zerbrochene Erinnerungen."
Ein konkretes Datum für die "physische Rückgabe" der Benin-Bronzen stehe bislang allerdings noch nicht im Raum: "Es geht nicht von heute auf morgen", so Tijani im Gespräch mit der DW. Neben dem Transport müsse die Verpackung, die Versicherung, die Konservierung und viele weitere technischen Aspekte geregelt werden. "Für uns ist es aber auch wichtig, dass alle Einrichtungen in Nigeria für die Aufnahme dieser Gegenstände bereit sind", so Tijani weiter.
Die Bronzen sollen in verschiedenen staatlichen Institutionen und Museen ausgestellt werden, in Galerien sowie im wieder aufgebauten Königspalast, der von Nachfahren des einst vertriebenen Königs von Benin City bewohnt wird. Das ursprünglich für die Benin-Bronzen geplante Edo Museum of West African Art (EMOWAA) befindet sich noch im Bau. Es sei bislang nicht absehbar, wann es fertig gestellt werde, erklärt Tijani.
In Nigeria und insbesondere in Benin City könnte die Vorfreude nicht größer sein: "Unser Erbe, unsere Kulturgüter, die vor Jahren gestohlen wurden, sind an den rechtmäßigen Eigentümer, das Königreich Benin, zurückgekehrt", so Friday Osaro, ein Bewohner der einstigen Königsstadt. Godwin Obaseki, Gouverneur des Staates Edo, in dem das einstige Königreich heute liegt, pflichtet ihm bei: "Die Idee, diese Gegenstände nach Hause zu bringen, ist nicht nur wichtig für unsere Identität - sie sind ein Teil von uns -, die Welt kann dann zu uns kommen und sehen, was wir geschaffen haben."
Einige Benin-Bronzen bleiben als Leihgaben in Deutschland
Nicht alle Benin-Bronzen gehen zurück, einige sollen als Leihgaben in Deutschland bleiben. Zudem sind gemeinsame Ausstellungen mit Museen auf der ganzen Welt geplant: "Museen sind globale Einrichtungen und daher ist Partnerschaft der Schlüssel, denn wir wollen nicht, dass es bei einer Rückführung bleibt", so Tijani.
Man wolle insbesondere auch die große afrikanische Diaspora in Europa dazu einbinden. "Wenn diese Objekte nach Nigeria zurückkehren, sprechen wir über einen Zeitraum von mehr als 100 Jahren, in dem sich diese Objekte außerhalb des Landes befunden haben, und daher sind diese Objekte auch Teil der Gemeinschaften, der Gesellschaften in den Ländern, in denen sie sich in diesen Jahren befunden haben."
Die Museen der Zukunft
Nicht nur Deutschland beginnt, Kulturgüter aus Kolonialzeiten zu restituieren. Zuletzt gab etwa das schottische Glasgow Museum 19 Artefakte an Nigeria zurück. Das Smithsonian in den Vereinigten Staaten gab insgesamt 29 frei, und auch die National Gallery of Art in Washington hat sich bereit erklärt, Objekte aus ihren Sammlungen zu repatriieren.