"Auch Ihr seid jetzt Deutschland!"
18. März 2016
Groß war das Staraufgebot im Rahmen der Lit.Cologne, einem der größten Literaturfestivals Europas. In der Kölner Lanxess Arena gaben sich über ein Dutzend Autoren, Schauspieler und Musiker die Klinke in die Hand - die Erlöse der Veranstaltung fließen in die "Til Schweiger Foundation", die damit Sprachkurse für geflüchtete Kinder und Erwachsene fördern möchte.
Rund 7200 Gäste waren zur Benefizgala gekommen, darunter viele Schulklassen und Willkommensinitiativen. Es war ein Abend mit hochkarätigen Konzerten und Lesungen. Unter dem Motto "Auch ihr seid jetzt Deutschland! Die Flüchtlinge und die Kraft der Sprache" lasen Autoren wie Wladimir Kaminer, Frank Schätzing und Cordula Stratmann Texte zu Heimat, Flucht und Neuanfang. Mit einer besonderen Perspektive: Es wurden sowohl Flüchtlingsgeschichten des Zweiten Weltkrieges als auch von heute vorgetragen - und es zeigten sich überraschende Parallelen.
Unveränderte Grenzerfahrungen
So las die Komikerin und Schriftstellerin Cordula Stratmann einen Text von Stefan Zweig, der 1934 nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten aus Wien nach London floh und später nach Brasilien auswanderte. Sein Buch "Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers" schrieb Zweig bereits im Exil. In dem autobiografischen Werk erzählt er die Geschichte einer ganzen Generation - in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg bis hin zu Hitlers Nazideutschland, das Europa in den Abgrund stürzte. Bis heute gilt das Buch als Spiegel der damaligen Gesellschaft; es porträtiert die intellektuelle Klasse vor dem Krieg und die alltäglichen Auswirkungen des wachsenden Antisemitismus.
Zweig nahm sich 1942 im Exil das Leben, sein Buch erschien posthum. Sein Text war bewusst ausgewählt für diesen Abend, weil er deutlich macht, mit welchen persönlichen Grenzsituationen Flüchtlinge zu kämpfen haben - damals wie heute.
Die Verknüpfung zur aktuellen Situation stellte eine weitere Lesung mit Bestseller-Autor Frank Schätzing her, der Auszüge aus dem Werk "Einbruch der Wirklichkeit" des mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichneten Schriftstellers und Orientalisten Navid Kermani vortrug. Dieser beschreibt, wie er Flüchtlinge von der türkischen Küstenstadt Izmir bis nach Deutschland begleitete.
Wichtige Denkanstöße in der Lanxess-Arena, die musikalisch untermalt wurden: So sang Herbert Grönemeyer unter anderem das bewegende Lied "Feuerlicht" über Menschen auf der Flucht und ermutigte das Publikum, niemals wegzusehen.
Die Flucht mit Instrumenten finanziert
Das dreistündige Programm bot eine Menge Unterhaltung, aber auch viel Stoff für Diskussionen: Während sich bei Künstlern wie Rapper Cro oder Thomas D., Mitglied der Fantastischen Vier, vor allen das jüngere Publikum unterhalten fühlte, rührte die syrische Band Khebez Dawle fast alle Anwesenden zu Tränen. Die Band ist erst vor kurzem nach Deutschland geflohen. Um sich den Flug nach Europa leisten zu können, verkauften sie all ihre Instrumente. Derzeit laufen ihre Asylanträge.
Die Kraft der Sprache spann sich als roter Faden durch den Abend - passend dazu kommen die Einnahmen der Sprachförderung von geflüchteten Menschen zugute, koordiniert von der Til Schweiger Foundation. Der Schauspieler hatte die gemeinnützige Hilfsorganisation 2015 gegründet, um unter anderem eine unbürokratische und schnelle Hilfe für die neuankommenden Geflüchteten zu leisten.