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Belgrader "Beratungsstelle gegen häusliche Gewalt" feiert achtjähriges Bestehen

13. Juli 2004

– Nach schwerer Finanznotlage Mittel für kommendes Jahr gesichert

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Bonn, 12.7.2004, DW-RADIO/Serbisch, Ivica Petrovic

Die humanitäre Nicht-Regierungsorganisation "Beratungsstelle gegen häusliche Gewalt" feiert ihr achtjähriges Bestehen. Diese Organisation unterstützt alle Frauen, die in der Ehe, in der Familie oder außerhalb Gewalt ausgesetzt sind, und hilft ihnen aus dieser Situation herauszukommen. Die Beratungsstelle nahm 1996 ihre Tätigkeit nur als SOS-Telefondienst für Opfer von Gewalt auf. 2000 wurde dann auch ein Frauenhaus eröffnet, wo bislang 172 Frauen und 161 Kinder Zuflucht fanden. Zwei Jahre später wurde von der Beratungsstelle das erste und einzige Frauenhaus für Opfer von Menschenhandel in Serbien eingerichtet. Diese Zufluchtsstätte passierten bislang über 120 junge Frauen aus Moldova, Rumänien, der Ukraine, Russland, Albanien und Serbien.

Vor geraumer Zeit befand sich die Beratungsstelle indes in einer misslichen finanziellen Situation, sodass bereits ihre Schließung drohte. Doch durch die darauf folgende Medienkampagne ist es gelungen, die notwenigen Mittel für das kommende Jahr zu beschaffen. Neben dem Ministerium für Arbeit, Beschäftigung und Sozialpolitik habe einen bedeutenden Teil der Finanzmittel der damalige Präsidentschaftskandidat und nun Präsident Serbiens, Boris Tadic, beschafft, so die Koordinatorin der Beratungsstelle, Vesna Stanojevic: "Selbstverständlich ist die Kampagne positiv und hat gute Ergebnisse hervorgebracht. Aber andererseits hat sich die Zahl unserer Klienten vergrößert. Das heißt, jetzt melden sich unvergleichlich mehr Frauen bei uns als vor der Kampagne". Da dieses Frauenhaus etwa 20 Frauen aufnehmen kann, hat sich die Beratungsstelle um eine weitere Unterbringungsmöglichkeit beworben, die am 1. September dieses Jahres eröffnet werden soll. Allerdings reiche auch dies nicht aus, bemerkte Vesna Stanojevic, weil Belgrad mehrere Aufnahmestellen haben müsste, berücksichtige man die Zahl der Anrufe von Frauen, die Gewalt erdulden: "Wir erhalten etwa zehn Anrufe täglich. Die meisten melden sich wegen körperlicher Gewalt. Wir haben noch immer die höchste Anzahl an gemeldeter körperlicher Gewalt. Auch wenn Untersuchungen aus dem Vorjahr zufolge jede zweite Frau in Serbien psychischer Gewalt und jede dritte physischer ausgesetzt ist. Bei uns wird jedoch mehr körperliche Gewalt als psychische registriert, aus dem einfachen Grunde, weil wir der Ansicht sind, dass psychische Gewalt bei uns nicht in ausreichendem Maße erkannt wird".

Nach Einschätzung der Aktivisten dieser Organisation sind die gesetzlichen Reglements in diesem Bereich auch unangemessen. Auch wenn im Strafgesetz häusliche Gewalt verankert ist, gibt es keine begleitenden Gesetze, wie beispielsweise ein Verbot für den Gewalttäter, sich dem Opfer zu nähern. Die Höchststrafe für diese Straftat beträgt zehn Jahre Haft, sagt Vesna Stanojevic und fügt dem noch hinzu: "Allerdings liegt unseren Angaben zufolge das Strafmaß in der Praxis bei anderthalb bis zwei Jahren für diese Straftat. Das heißt, solche Urteile sind bisher gefällt worden, was wiederum den Standpunkt des Staates zu diesem Problem verdeutlicht".

Der Erfahrung von Vesna Stanojevic zufolge kehren die meisten Frauen nach ihrem Aufenthalt im Frauenhaus nicht zu den Gewalttätern zurück, ein Drittel der Frauen kehrt jedoch in die Familie zurück, wo sie Gewalt erduldet hat. Bei Gewalt gegen Kinder neigten sowohl Väter als auch Mütter gleichermaßen dazu, so die Therapeuten der Beratungsstelle gegen häusliche Gewalt. Eine äußerst geringe Zahl an Kindern meldet die Gewalt selbst, vornehmlich geschieht dies über die Nachbarschaft und nahe oder entfernte Verwandte. Den Untersuchungen der Beratungsstelle zufolge handelt es sich dabei um ein ernsthaftes gesellschaftliches Problem, weil Kinder, auch wenn sie selbst keine Gewalt erdulden, allein als Zeugen von Gewalt später selbst zu Gewalttätern werden. (md)