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Belarus und Iran als Gegengewicht zur restlichen Welt?

9. November 2006

Der belarussische Präsident Aleksandr Lukaschenko hat seinen iranischen Amtskollegen Mahmud Ahmadinedschad besucht. In Teheran war er ein willkommener Gast.

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Aleksandr Lukaschenko schmiedet neue BündnisseBild: AP

Während die ganze Welt Abstand zum iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und seinen Atomplänen hält, sucht der belarussische Präsident Aleksandr Lukaschenko dessen Nähe. Seit nun zwölf Jahren regiert er die ehemalige Sowjetrepublik mit eiserner Faust. Sein Land gilt als letzte Diktatur Europas und ist international isoliert. Aber im Iran ist Lukaschenko ein willkommener Gast. Er durfte sogar bei den groß angelegten Militärmanövern dabei sein, die pünktlich zu seinem Besuch begannen. Ein neues Abwehrsystem gegen Flugzeuge und Hubschrauber wurde mit Erfolg getestet.

Für seinen iranischen Amtskollegen empfindet der belarussische Diktator große Sympathie und will mit ihm auf allen Ebenen zusammenarbeiten. Internationale Kritik an Irans Atompolitik hält Lukaschenko für eine reine Schikane: "Sein Atomprogramm soll ja friedlichen Zwecken dienen. Was gibt es denn daran auszusetzen? Als Präsident handelt er im Interesse seines eigenen Volkes. Ich konnte mich selbst davon überzeugen, dass er ein zivilisierter, zurechnungsfähiger Mensch ist, der sich auf sämtlichen Gebieten gut auskennt."

Absicherung gegen Westen und Russland

Für einen dreitägigen Besuch Lukaschenkos in Teheran war das Themenspektrum erstaunlich groß. Es ging um die politische und wirtschaftliche Kooperation bis hin zu den gemeinsamen Atomplänen. In kürzester Zeit sollen etwa 15 verschiedene Projekte vorbereitet und realisiert werden. Dadurch will sich Lukaschenko gegenüber dem Westen absichern. Sein engster Mitarbeiter, Sergej Kostjan, erklärt dies so: "Wenn wir in eine Sackgasse getrieben werden, so wie es im Iran oder auf Kuba der Fall war, dann müssen wir uns doch wehren!"

Auch von Russland fühlt sich der belarussische Diktator im Stich gelassen. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern befinden sich in einer tiefen Krise, seit Präsident Wladimir Putin angekündigt hat, im kommenden Januar die Gaspreise für Belarus um das Dreifache zu erhöhen. Daraufhin hat Lukaschenko seinem Hauptverbündeten mit dem Abbruch jeglicher Beziehungen gedroht. Nun ist der belarussische Präsident auf der Suche nach einem Sponsor, der ähnlich tickt. Vom Iran verspricht sich Lukaschenko in erster Linie Investitionen und Erdöl: "Der Iran ist einer der reichsten Staaten der Welt. Was Gas und Erdöl betrifft, hat er führende Positionen in der Welt inne, nicht weniger als Russland." Rund vier Millionen Tonnen Erdöl fördert der Iran täglich. Damit könnte nicht nur ein Land wie Belarus mit seinen knapp zehn Millionen Einwohnern versorgt werden.

Strategische Kooperation

Der iranische Präsident Ahmadinedschad verspricht sich durch eine Kooperation mit Belarus eine Anbindung an den Westen. Die günstige geographische Lage der Republik - direkt zu Europas Füßen - spreche sehr dafür, sagt der Osteuropa-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Heinz Timmermann: "Ein Vorteil wäre, dass der Iran in Europa einen Bezugspunkt hat, denn gegenüber Westeuropäern gibt es zunehmend Probleme in der Atomfrage. Belarus ist der einzige Staat in Europa, der Mitglied der blockfreien Bewegung ist. Und wenn es wirklich gelingt, das aufzuwerten, dann hätte der Iran auch seine Vorteile, wenn er sich dadurch in Europa gewissermaßen verankern könnte".

Rund eine Milliarde Dollar will der Iran dafür in Belarus anlegen. Solche Investitionen zahlen sich eben schnell aus. Seit Jahren beliefert Belarus den Iran mit Waffen und Militärtechnik. Aus sowjetischen Zeiten erbte Lukaschenko nämlich eine relativ moderne Waffenindustrie. Das genaue Ausmaß des belarussisch-iranischen Waffengeschäfts dürfte ausschließlich den beiden Staatschefs und ihren engsten Mitarbeitern bekannt sein, denn viele Lieferungen erfolgen illegal. Seit kurzer Zeit werden auch iranische Autos in Belarus produziert. Allein im vergangenen Jahr betrug der belarussisch-iranische Außenhandelsumsatz gut 38 Millionen US-Dollar.

Lukaschenkos Machtpläne

Was ein Vorteil für die Wirtschaft ist, stößt bei vielen Menschen in Belarus auf große Skepsis. Der Oppositionsführer Aleksander Milinkjewitsch bringt es auf den Punkt: "Früher lebten wir unter dem Motto: Proletarier aller Länder, vereinigt euch. Nun gilt es: Diktatoren der ganzen Welt tut euch zusammen. Es ist traurig, dass Belarus freundschaftliche Beziehungen zu den Ländern aufbaut, die weltweit geächtet werden".

Dazu gehören unter anderem Venezuela, Pakistan, Malaysia und Syrien. Mit Hilfe dieser Staaten wolle Lukaschenko ein neues Machtzentrum schaffen als Gegengewicht zur restlichen Welt, so Osteuropa-Experte Heinz Timmermann: "Er will neben China, Indien, Europa, USA, Russland usw. einen neuen Pol schaffen, nämlich die Bewegung der blockfreien Staaten. Er will sie nach eigenen Vorstellungen politisieren".

Erste Schritte wurden bereits Ende September bei einem Gipfeltreffen der blockfreien Staaten in der kubanischen Hauptstadt Havanna besprochen. Ob der belarussische Diktator in der Lage ist, seine weiteren Machtpläne umzusetzen, darüber kann man heute nur spekulieren. Heinz Timmermann warnt: "Diese Diktatoren stellen natürlich eine gewisse Gefahr dar, nur was will man dagegen tun? Richtig gefährlich wird es, wenn Lukaschenko sie mit Waffen beliefert. Im Moment sind das alles noch Visionen, aber man sollte davor nicht vollständig die Augen verschließen".

Olja Melnik
DW-RADIO/Russisch, 8.11.2006, Fokus Ost-Südost