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Bekenntnis für Afghanistan

Christina Bergmann, z. Zt. Chicago22. Mai 2012

Der Einsatz am Hindukusch wird 2014 beendet - darauf haben sich die NATO-Bündnispartner zum Abschluss ihres Gipfels in Chicago geeinigt. Danach gibt es weitere Unterstützung. Auch Frankreich bleibt engagiert.

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Leaders take part in the NATO Summit meeting in Chicago, May 20, 2012. REUTERS/Jim Young (UNITED STATES - Tags: POLITICS MILITARY)
NATO-Gipfel in Chicago 2012Bild: REUTERS

Aufatmen bei den Deutschen auf dem NATO-Gipfel in Chicago. Das Verhältnis zu Frankreich erweist sich als stabiler als befürchtet. "Wir hatten natürlich gewisse Sorgen auf dem Weg nach Chicago", gab Bundesaußenminister Guido Westerwelle am Montag zu. Westerwelle hatte vor einem "Abzugswettlauf" gewarnt, weil der französische Präsident François Hollande im Wahlkampf versprochen hatte, die französischen Truppen aus Afghanistan abzuziehen. Doch während der NATO-Tagung konnten die Sorgen ausgeräumt werden, fuhr Westerwelle fort, "das Bündnis franst nicht aus." 

Frankreichs Praesident Francois Hollande (l.) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stehen am Sonntag (20.05.12) in Chicago (USA) bei der ersten Arbeitssitzung des NATO-Gipfels mit Frankreichs Aussenminister Laurent Fabius (2.v.l.) und Aussenminister Guido Westerwelle (FDP, r.) zusammen. Spitzenvertreter von mehr als 60 Laendern und internationalen Organisationen berieten den Abzug der Kampftruppen aus Afghanistan bis Ende 2014 und die kollektive Verteidigung in Zeiten der Schuldenkrise. (zu dapd-Text) Foto: Michael Gottschalk/dapd.
Deutsch-französische Gespräche in ChicagoBild: dapd

Hollandes Kollegen zeigten Verständnis für etwas, was auch ihnen nicht fremd ist: das Bemühen, ein Wahlkampfversprechen einzulösen. Die Kompromisslösung lautet: Die Franzosen ziehen ihre Kampftruppen bis Ende des Jahres ab, bleiben aber mit Ausbildern im ISAF-Verbund in Afghanistan. Erleichtert ist man bei den Deutschen vor allem darüber, dass Hollande sich grundsätzlich zur NATO bekannt hat. Schließlich waren die Franzosen erst unter Hollandes Vorgänger Nicolas Sarkozy wieder komplett in die Militärallianz zurückgekehrt.

Afghanistan-Zeitplan bestätigt

Bundeskanzlerin Angela Merkel bekräftigte, sie sehe deswegen "keine Gefahr", dass es nun zu einer Kettenreaktion kommt, dass dem französischen Beispiel also noch andere Staaten folgen könnten und ihre Truppen vorzeitig abziehen. Denn die NATO hat in Chicago ihren Zeitplan für Afghanistan bestätigt. Danach sollen die Kampftruppen wie geplant bis Mitte 2013 abgezogen werden. Bis dahin sollen die afghanischen Sicherheitskräfte im ganzen Land für Sicherheit sorgen. Derzeit haben sie 75 Prozent unter Kontrolle.

Doch auch nach 2014 will die NATO in Afghanistan engagiert bleiben: "Ausbilden, beraten und unterstützen", heißt die Sprachregelung. Aus dem Strategiepapier, das 50 Staaten auf der Afghanistan-Sondersitzung innerhalb des NATO-Gipfels beschlossen haben, ergebe sich auch, wie der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan in Zukunft aussehen könne, erklärte Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière: "Das bedeutet vor allem eine saubere Rechtsgrundlage durch eine UN-Resolution, eine NATO-geführte Mission, eine Mission, die keine Kampfmission ist, die aus Beratung und Hilfe besteht. Gleichwohl soll sie eine Schutzkomponente haben, für die Ausbilder, die dort sind, und sie soll langfristig angelegt sein." 2013 soll der Bundestag über das Mandat entscheiden.

U.S. President Barack Obama is shown on large screens as the NATO Summit gets underway in Chicago, May 20, 2012. REUTERS/Larry Downing (UNITED STATES - Tags: POLITICS MILITARY)
Bild: REUTERS

"Rückschläge" zu befürchten

Der Bundesverteidigungsminister warnte aber vor zu großem Optimismus in Bezug auf die Sicherheitslage in Afghanistan. General John Allen, Oberkommandierender der NATO-Truppen in Afghanistan, habe sich bei seinem Bericht auf der NATO-Tagung optimistisch gezeigt, aber auch "schnörkellos auf Risiken" hingewiesen: "Er hat gesagt, es gab Rückschläge und es wird Rückschläge geben." Im Klartext: man rechnet weiterhin mit Anschlägen und Attentaten in Afghanistan, bis 2014 und auch darüber hinaus.

Dennoch halten die NATO-Staaten den geordneten Rückzug für die richtige Strategie. Auch US-Präsident und Gastgeber Barack Obama erklärte: "Wir sind dabei, 33.000 US-Soldaten bis zum Ende des Sommers abzuziehen." Es handelt sich um die Soldaten, die der Präsident 2010 zur Verstärkung nach Afghanistan geschickt hatte. 10.000 davon wurden bereits im letzten Jahr abgezogen. Derzeit sind rund 130.000 NATO-Soldaten in Afghanistan stationiert, rund 90.000 davon Amerikaner.

Finanzielle Zusagen

Statt der Truppen schicken die in Afghanistan engagierten Staaten dann Geld. Chicago war zwar keine Geberkonferenz – die folgt erst im Juli in Tokio - aber finanzielle Zusagen gab es dennoch. 1,3 Milliarden US-Dollar wollte man auf der Konferenz sammeln, Bundeskanzlerin Merkel erklärte, man habe dieses Ziel fast erreicht. Die Deutschen zeigten sich nicht kleinlich: 150 Millionen Euro sollen ab 2015 jährlich an Afghanistan fließen.

Die Regierungschefs der 28 Nato-Staaten stellen sich am Sonntag (20.05.2012) in Chicago, USA, beim Nato-Gipfel zum Familienfoto im Soldier Field-Stadion auf. Die Staats- und Regierungschefs der 28 Nato-Staaten wollen auf dem zweitägigen Gipfel in der nordamerikanischen Stadt am Michigansee über eine engere Zusammenarbeit bei größeren Rüstungsprojekten, über die Nato-Raketenabwehr und die Zukunft der taktischen Atomwaffen in Europa beraten . Foto: Peer Grimm dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Bild: picture-alliance/dpa

So konnte die Bundeskanzlerin zumindest diesen Gipfel zufrieden verlassen. Einen Anteil daran, dass sie sich hier in Chicago ausführlich mit ihrem französischen Kollegen austauschen konnte, hatte auch die Sitzordnung der NATO: Es geht nach dem Alphabet. Und so kam Merkel – Germany – oft neben Hollande – France – zu sitzen. Ihr Fazit: "Es gibt die Kontinuität der guten Zusammenarbeit und das schließt unterschiedliche Positionen nicht aus." Sie blickte schon voraus auf die nächste Zusammenkunft: Den informellen EU-Gipfel am Mittwoch (23.05.) in Brüssel. Dort steht schon die nächste Auseinandersetzung mit dem Sozialisten Hollande an, der auch über Eurobonds sprechen will. Merkel lehnt gemeinsame europäische Staatsanleihen strikt ab: "Es gilt der Geist, vernünftige Lösungen zu finden. Und mit dem arbeite ich und ich habe das auch bei dem französischen Präsidenten so gespürt."