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EU kämpft gegen Cyber-Kriminelle

Matthias von Hein6. Juli 2016

Was bringt die neue EU-Initiative gegen Cyber-Kriminalität? Europaparlamentarier Jan Philipp Albrecht fordert im DW-Interview eine massive Aufwertung des Themas und die konsequente Umsetzung von Sicherheitsstandards.

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Symbolbild Internet Verbind Störung Netz Netzwerk (Foto: picture alliance/blickwinkel)
Bild: picture-alliance/blickwinkel

Deutsche Welle: Die EU-Kommission hat eine neue Initiative zur Cyber-Sicherheit beschlossen. Bis 2020 will sie dafür 450 Millionen Euro investieren. Im Rahmen einer Public Private Partnership sollen nochmal 1,3 Milliarden Euro von den Unternehmen hinzukommen. Ist das jetzt der große Wurf für mehr Datensicherheit in Europa?

Jan Philipp Albrecht: Die Investitionen sind auf jeden Fall richtig. Im Bereich IT-Sicherheit, Datensicherheit und Datenschutz gibt es eine enorme Unterausstattung. Was aber immer noch fehlt, sind Regeln und Standards, die europaweit verabschiedet werden müssen. Da haben wir beim Datenschutz mit der Grundverordnung einen großen Schritt gemacht. Aber bei der IT-Sicherheit und vielen Fragen der digitalen Regulierung hinken wir noch hinterher.

Jan Philipp Albrecht (Foto: DW/A. Noll)
Der Datenschutzexperte Jan Philipp Albrecht sitzt seit 2009 für die Grünen im EU-ParlamentBild: DW/A. Noll

Die neue Initiative setzt vor allem auf Grundlagenforschung. Nach Expertenschätzungen jedoch waren die Schäden durch Cyberkriminalität mit 400 Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr acht mal höher als die Schäden durch internationalen Terrorismus. Was müsste neben der Grundlagenforschung getan werden, um schneller zu mehr Sicherheit zu kommen?

Wir brauchen eine bessere Wahrnehmung dafür, dass Cyber-Sicherheit dieses Thema eines der zentralen Themen unserer Zeit ist. Wir haben IT-Sicherheit noch überhaupt nicht ins Blickfeld einer breiten gesellschaftlichen Auseinandersetzung genommen. Bei Unternehmen, bei Behörden aber eben auch bei Privatpersonen stehen bildlich gesprochen die Türen sperrangelweit offen für Cyberangriffe. Wir beschäftigen uns viel zu wenig damit, die heute verfügbaren Techniken und Sicherheiten einzubauen, den Stand der Technik als Regel zu normieren und diejenigen Hersteller, Verkäufer, Betreiber von sensiblen Infrastrukturen oder WLAN -Netzen zur Verantwortung zu ziehen, wenn sie den Stand der Technik eben nicht einbauen. Dafür braucht es keine große Zukunftsforschung.

Sie sprechen von einer notwendigen gesellschaftlichen Debatte. Welchen Stellenwert hat denn das Thema Cybersicherheit in der EU-Bürokratie?

In der EU spielt das mittlerweile eine große Rolle. Die Kommission hat mehrere Richtlinien auf den Weg gebracht: Zum Beispiel zur Bekämpfung der Cyberkriminalität, aber auch zur Gewährleistung von IT-Sicherheitsstandards in sensiblen Infrastrukturen wie bei Kraftwerken, Flughäfen oder der Wasserversorgung. Die wurden zum Teil schon vom europäischen Parlament und vom Ministerrat im Gesetzgebungsprozess angenommen. Das wird schon in nationale Gesetzgebung umgesetzt durch die nationalen Parlamente.

Aber das ist eben erst ein erster Schritt. Ich wünsche mir, dass es bei IT-Anwendungen einen ähnlichen Sicherheitscheck gibt wie bei Autos, Fahrrädern oder anderen Verkehrsmitteln. Es gibt eine Fülle von Mitarbeitern bei TÜV-Stellen. Die überprüfen ständig, ob entsprechende Sicherheitsstandards eingehalten werden. All das gibt es im Bereich der Cybertechnik, im Bereich der IT-Anwendungen bisher nicht. Da müssen wir nachbessern.

Paris Hackerangriff auf TV5Monde durch Cybercaliphate - facebook-Seite (Foto: Imago/PanoramiC)
Die Schäden von Cyberkriminalität 2015: Geschätzt 400 Milliarden US-Dollar. Der Angriff des IS auf den französischen Sender TV5 Monde fand im Anfang April 2015 stattBild: Imago/PanoramiC

Es ist ja viel die Rede von der Schaffung eines digitalen Binnenmarktes. Wird dies ein sicherer Binnenmarkt?

Wir haben jetzt das Paket zum digitalen Binnenmarkt auf dem Tisch liegen. Die EU-Kommission hat mehrere Vorschläge gemacht, wie wir die Grenzen im digitalen Markt abbauen können. Aber auch, wie wir auf der anderen Seite Standards aufbauen können: Verbraucherrechte, Wettbewerbsregeln und so weiter. Es muss in diesen Vorschlägen klar sein, dass Sicherheitsstandards nicht nur dann eine Rolle spielen, wenn sie Verkäufer und Käufer miteinander vereinbart haben. Wir müssen erwarten können, dass gewisse Sicherheitsstandards vorhanden sind - ganz egal, ob das jemand vereinbart hat. Wir würden ja auch nicht akzeptieren, dass jemand ein Auto ohne Bremse verkauft oder ohne Sicherheitsgurte, nur weil es dafür vielleicht Käufer gibt. Und diese Vorschriften müssen wir jetzt im Rahmen des digitalen Binnenmarktes auf den Weg bringen. Es muss klar sein, dass nur Produkte und Dienstleistungen in den Markt kommen, die solchen Mindeststandards auch entsprechen.

Jan Philipp Albrecht gehört seit 2009 als Abgeordneter der Grünen dem EU-Parlament an. Er ist dort stellvertretender Vorsitzender des Innen- und Justizausschusses und gilt zugleich als Datenschutzexperte.

Die Fragen stellte Matthias von Hein