Autozulieferer
4. April 2013Es müssen nicht immer die großen Krisen sein, die über das Schicksal kleiner Zulieferer entscheiden. Manchmal reicht schon ein unscheinbarer "Weiter"-Knopf auf der Internetseite eines Autobauers. Denn die Aufträge werden häufig nur noch online vergeben und beim digitalen Wettbieten reicht es längst nicht mehr, Bauteile günstig nach Wolfsburg, Stuttgart oder München zu liefern. Sie werden zeitgleich in Osteuropa, den USA und vor allem in Asien gebraucht. Aber wer bei der Ausschreibung etwa das Angebotsfeld für China leer lässt, weil er dort gar nicht produziert, bei dem wird der "Weiter"-Knopf häufig gar nicht erst angeklickt - und der Auftrag bleibt in weiter Ferne.
"Die Hersteller machen klar: Wenn man sie beliefern will, dann muss man sie weltweit beliefern", sagt Bernd Welzel, Geschäftsführer beim mittelständischen Zulieferer Fehrer, einem Spezialisten für Sitzpolster aus der Nähe von Würzburg. "Wenn ich das nicht kann, dann bin ich schnell nur noch ein kleiner regionaler Zulieferer, der bald weg vom Fenster ist."
Stellenabbau in Westeuropa
Soweit ist es bei Fehrer zwar nicht. Vor gut sechs Jahren entschieden sich Eigentümer und Management für den riskanten Schritt in die weite Welt. In China, Indien, den USA und Südafrika ist das Unternehmen - teils über Partner - präsent. Aber in der Heimat sieht es düster aus: Erst vergangene Woche verkündete Fehrer das Aus für einen Standort bei Leipzig. Am Stammsitz in Kitzingen sollen bis Ende 2014 außerdem 400 Arbeitsplätze gestrichen werden.
Mit dem Stellenabbau steht das Unternehmen nicht alleine da. Laut einer Studie dürften in den nächsten drei bis vier Jahren in Westeuropa rund 75.000 Jobs in der Branche verloren gehen. Davon "rund ein Drittel bis die Hälfte" in Deutschland, sagt Studienautor Marcus Berret von der Unternehmensberatung Roland Berger. Der einfache Grund für den hohen Anteil: Hierzulande gibt es besonders viele Autozulieferer mit großen Belegschaften.
Profitable Unternehmen
Die Schrumpfkur in Westeuropa ist aber kein Vorbote für den Niedergang der Branche - im Gegenteil. Die profitablen Unternehmen verdienen einen großen Teil ihres Geldes längst in den USA oder China. Dort sowie in Osteuropa, woher bereits sehr viele Teile für die deutsche Autoproduktion stammen, bauen sie auch Personal und neue Kapazitäten auf. Nur wer sich diesen teuren Gang in die weite Welt nicht leisten kann, bekommt Probleme. "Die werden nicht von der Bildfläche verschwinden, sich aber zunehmend schwertun", sagt Berret.
Zumal die großen Zulieferer immer mehr darauf achten, dass die eigenen Lieferanten nicht nur Innovationen mitbringen, sondern vor allem finanziell solide dastehen. So schaut der Sitzehersteller Grammer seinen Lieferanten seit der letzten schweren Branchenkrise von vor vier Jahren sehr viel genauer in die Bücher - und guckt sich bei zu vielen Fragezeichen auch nach Alternativen um. Die große Sorge: Ein kleiner Lieferant könnte in einer Krise ausfallen.
Weniger ist mehr
Und das wäre fatal, weiß der Branchenkenner und Insolvenzexperte Detlef Specovius, Partner bei der Kanzlei Schultze & Braun. "Denn innerhalb eines laufenden Projekts den Zulieferer zu wechseln ist sehr problematisch." Schließlich können schon kleine Verzögerungen die ganze Produktionskette lahmlegen. Und zum Teil haben die Aufträge der Hersteller jahrelange Laufzeiten. Da dürfen keine bösen Überraschungen passieren. Das lässt sich eher im Blick behalten, wenn man nicht zu viele Lieferanten kontrollieren muss.
Insgesamt will Grammer die Zahl seiner eigenen Zulieferer von einst 1500 auf rund 300 eindampfen. Und bei den anderen Branchengrößen sieht es ähnlich aus: Continental schraubte die Zahl seiner strategischen Lieferanten bereits von 1300 auf 900 herunter und will bald mit noch wenigeren 90 Prozent seines Volumens abdecken. Beim drittgrößten deutschen Zulieferer ZF soll die Zahl von 3500 auf 2000 sogar fast halbiert werden. Das trifft vor allem lokale Lieferanten.
Experte Specovius erwartet, dass in Zukunft mehr und mehr kleinere Zulieferer diesem Druck nicht standhalten können und zahlungsunfähig werden. "Das wird sich fortsetzen und in den nächsten Jahren möglicherweise noch verstärken." Ganz verschwinden müssten aber auch diese Unternehmen nicht zwangsläufig: Vor allem aus China, aber auch aus Indien gebe es reichlich interessierte Investoren, die die deutschen Mittelständler schlucken könnten.