Bedrohte Naturschönheit
6. April 2010Wer mit dem Flugzeug von Kenia nach Tansania reist und dabei das Glück hat, bei wolkenfreiem Himmel über den Kilimandscharo zu fliegen, dem bietet sich eine atemberaubende Naturschönheit: Aus dem grünen Umland ragt Afrikas höchster Berg mit seiner gewaltigen schnee- und eisbedeckten Kuppe heraus. Dieses Schauspiel der Natur ist jedoch bedroht. Die Schneekuppe schrumpft. In etwa zwei bis drei Jahrzehnten, schätzen Forscher, wird der Berg seine Eisschicht wohl zeitweise jedes Jahr völlig verlieren - zum ersten Mal nach 11.000 Jahren. "Wir sehen daran", warnt der Biologe Dr. Christof Schenck vom Zoologischen Institut Frankfurt, "dass der Klimawandel längst in Afrika angekommen ist und dass es höchste Zeit ist, etwas zu tun."
Hot Spot: Eastern Arc Mountains
Eine Ursache des Klimawandels und gleichzeitig eine große Gefahr für Tansania ist die Ausdünnung seiner Bergwälder. Tansania verfügt mit den Eastern Arc Mountains über eine Bergkette, die sich nahezu durch das ganze Land zieht. Einige dieser Berge sind bereits seit mehr als dreißig Millionen Jahren mit Bergwäldern bewachsen. Die Berge sind international als "Hot Spot" anerkannt. Das bedeutet zweierlei: Die Wälder sind einerseits besonders artenreich, dort wachsen Pflanzen und leben Tiere, die es nirgendwo sonst auf der Welt gibt. Zudem besagt der Begriff, dass die Vegetation dieser Wälder bedroht ist. Mehr als zwei Drittel der Bergwälder Tansanias sind bereits zerstört worden.
Doch die Wälder sind wichtig für das Wassersystem des Landes. Sie wirken wie ein Schwamm: Sie speichern die Niederschläge aus der Regenzeit bis weit in die Trockenzeit hinein, lassen das Wasser langsam in die Täler abfließen und verhindern Fluten. Die Bergwälder dienen auch - wie alle Wälder - als wichtiger CO2-Speicher und vermindern die Erderwärmung.
Folgen der Rodung
Durch die Rodung großer Teile des Waldes verlieren die Eastern Arc Mountains ihre Schwamm-Funktion. In der Regenzeit kommt es zu einem sehr starken Wasserabfluss, teilweise mit Überschwemmungen in den Tieflagen. In der anschließenden niederschlagsarmen Zeit folgt immer häufiger lange und extreme Trockenheit. Flüsse, die in den Bergen entspringen, versanden teilweise. Sie bringen oft auch nicht mehr genug Wasser in die großen Metropol-Regionen wie Daressalam und Dodoma.
Die Zerstörung der Bergwälder ist hausgemacht, sie hat vor allem zwei Ursachen: Die Menschen breiten ihre Ackerflächen immer stärker von den Niederungen in die Berge hinein aus. Zudem wächst der Energie-Hunger rapide. Traditioneller Brennstoff für die Zubereitung von Mahlzeiten ist in Tansania Holzkohle. Diese wird von Holz-Köhlern in den Bergwäldern gewonnen und in den Städten verkauft. Grund für die Ausbreitung der Landwirtschaft und auch für die wachsende Nachfrage nach Holzkohle ist das starke Bevölkerungswachstum in den Eastern Arc Mountains.
Tansanias Gegenwehr
Tansanias Regierung hat das Dilemma aus wachsender Bevölkerung und steigendem Bedarf an natürlichen Ressourcen einerseits sowie der zu schützenden Natur andererseits erkannt. Schon aus purem Eigeninteresse. Denn auch in Tansania breitet sich die Einsicht aus, dass der Raubbau an der Natur auf Dauer die Lebensgrundlagen der Menschen zerstört. Die Regierung hat zum Erhalt der Eastern Arc Mountains eigens eine Stiftung gegründet: den "Eastern Arc Mountains Conservation Endowment Fund" (EAMCEF). Ziel der Stiftung ist eine langfristige Finanzierung von Projekten, die dem Erhalt der Bergwälder dienen.
Die vom EAMCEF finanzierten Projekte greifen jedoch zu kurz, um die Zerstörung der Bergwälder aufzuhalten, geschweige denn sie neu aufzuforsten. Tansania braucht nach Einschätzung von Experten deshalb noch mehr Hilfe als bisher aus dem Ausland.
Das deutsche Bundesumweltministerium finanziert derzeit beispielsweise Schulungsmaßnahmen für Park Ranger. Sie werden in praktischen Fragen der Waldbewirtschaftung vor dem Hintergrund des Klimawandels unterrichtet. Die in der Umgebung der Reservate lebenden Menschen wurden eingeladen, an den anstehenden Entscheidungen teilzunehmen und dabei unterstützt, ihre Abhängigkeit von den Waldressourcen zu verringern.
Deutsche Tradition: Nachhaltigkeit
Deutschland hat eine lange Tradition im nachhaltigen Bewirtschaften von Wäldern und kann deshalb viel Know How nach Tansania exportieren. Schon vor mehr als zweihundert Jahren wurde in deutschen Wäldern der Begriff der Nachhaltigkeit geprägt. Dieser Begriff wird heute allerdings viel breiter ausgelegt als früher. Im so genannten Brundtland-Bericht der UNO, der zu diesem Thema immer wieder zitiert wird, heißt es im entscheidenden Abschnitt, eine nachhaltige Entwicklung müsse "den Bedürfnissen der heutigen Generation entsprechen, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen". Der Biologe Schenck meint dazu: "Das würde zum Beispiel bedeuten, dass kommende Generationen genauso viele Bergwälder in Tansania vorfinden, wie wir das getan haben."
Autor: Martin Schrader
Redaktion: Klaus Esterluß