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Bedroht und abgeschoben

Philipp Sandner13. Juni 2015

In Ostafrika sind Albinos Außenseiter. In Tansania müssen sie sogar um ihr Leben fürchten. Regierung und Aktivisten versuchen, einen Bewusstseinswandel zu schaffen. Doch Aberglaube und Vorurteile sind weit verbreitet.

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Tansania Albino Kinder (Foto: AFP)
Bild: Getty Images/AFP/T. Karumba

Mohamed Mabula hat ständig Angst um seine Familie. Er lebt mit seiner Frau und sechs Kindern in Ndembezi, einem Dorf im Norden Tansanias. Shija, vier Jahre alt, und der sechsjährige Dotto leiden unter einer Pigmentstörung der Haut, bekannt als Albinismus. Mit dieser Diagnose leben sie in Tansania gefährlich.

Grund ist ein Aberglaube, geschürt von manchen Geschäftsleuten und traditionellen Heilern. Demnach verfügen Albinos über Zauberkräfte. Aus ihren Knochen könne man besondere Heilmittel gewinnen, heißt es. Experten zufolge bringen Körperteile von Albinos auf dem Schwarzmarkt hunderte Euro, Menschen werden - tot oder lebendig - für bis zu 65.000 Euro verkauft. Immer wieder werden Albinos deshalb Opfer von Überfällen. Nach UN-Angaben sind seit dem Jahr 2000 mindestens 75 Albinos in Tansania getötet worden, dutzende weitere wurden verstümmelt.

Im Mai dieses Jahres hackten Angreifer einer 30-jährigen Frau in der westlichen Region Katavi eine Hand ab. Acht Verdächtige müssen sich nun vor Gericht verantworten. In Ndembezi fühlt sich Mohamed Mabula alleingelassen und hilflos. "Ich wohne in einer einfachen Lehmhütte. Ich bitte die Regierung, mir zu helfen, ein sicheres Haus zu bauen, damit meine Kinder ruhig schlafen können."

Kampf gegen den Aberglauben

Nachdem die Zahl der Übergriffe zuletzt stark gestiegen war, lies die tansanische Regierung Razzien durchführen, bei denen dieses Jahr bereits mehr als 200 der umstrittenen Heiler festgenommen wurden. Im März verurteilte Präsident Jakaya Kikwete die Angriffe als "abscheulich und eine Schande für die Nation". Mehrere Nichtregierungsorganisationen wie die Tanzania Albinism Society setzen sich für den Schutz von Menschen mit Albinismus ein. Mit Aufklärungskampagnen wollen sie Vorurteile aufbrechen, mit gesammelten Spenden Albinos ein sicheres Leben ermöglichen.

Präsident Kikwete Tansania Präsident (Foto rtr)
Gewalt gegen Albinos ist "abscheulich", sagt Tansanias Präsident KikweteBild: Reuters

In einzelnen Landesteilen scheint das langsam Wirkung zu zeigen. In Mwanza am Viktoriasee sei es für Albinos zwischen 2006 und 2009 besonders gefährlich gewesen, sagte Polizeichef Valentino Mlolowa der DW. Seit 2010 habe es dann nur noch einen Vorfall in der Region gegeben - kein Grund zur Entwarnung, sagt Mlolowa. "Der Aberglaube ist in dieser Gegend weit verbreitet."

Umso wichtiger seien die Maßnahmen der Behörden, meint der Polizeichef und berichtet von einem Regierungsprogramm für Stadtteilschulen. Ziel sei es, etwa den Biologieunterricht zu verbessern. Schüler müssten lernen, dass Albinismus eine Erbkrankheit sei und nichts mit Hexerei zu tun habe. "Der Präsident hat angeordnet, jede Schule mit einem Labor auszustatten", sagt Mlolowa. "Durch eine bessere naturwissenschaftliche Bildung nimmt der Aberglaube ab."

Leben in Angst

Allen Bemühungen zum Trotz: Bis Menschen mit Albinismus in Tansania unbeschwert leben können, ist der Weg noch weit. Viele Familien verstecken daher Kinder, die unter der Pigmentstörung leiden. Andere leben in speziellen Zentren, wo sie unterrichtet und geschützt werden sollen. Ein Beispiel ist die Grundschule Mazoezi Kabanga im westtansanischen Ort Kigoma. Eine Lösung des Problems sei das aber noch lange nicht, sagt Hamida Ramadhani, Mutter von drei Albino-Kindern. Sie fühlt sich in dem Zentrum in Kigoma eingesperrt, von der Gesellschaft abgeschoben. "Es geht mir schlecht, weil ich höre, dass immer noch Menschen umgebracht werden."

Life Links Leondiah mit ihrer Nichte (Foto: G. Ketels/DW)
Auch in Kenia kämpfen viele Albinos gegen Vorurteile - im Alltag, in der Schule, im Job. Die junge Frau auf dem Bild heißt Leonidah. Der DW hat sie ihre Geschichte erzählt - unter diesem Text ist der LinkBild: DW/G. Ketels

Auch die 14-jährige Deborah Ruge lebt in der Einrichtung, seit Unbekannte 2010 versucht haben, sie umzubringen. Zwar fühlt sie sich gut versorgt, aber sie vermisst ihre Familie. "Ich wünschte, ich könnte nur einmal meine Eltern sehen."

Berthold Alfred, auch Albino, hat Grundschullehramt studiert. Seine Eltern, die in einem Dorf nahe der burundischen Grenze leben, hat auch er schon lange nicht mehr besucht - obwohl er der Ansicht ist, dass seine Hilfe dort gebraucht wird. "Zu Hause könnte ich meine Bildung weitergeben", sagt Alfred. Er würde gerne ein Zeichen setzen und helfen, Vorurteile abzubauen, sagt er. Doch als Albino ist auch er auf den Schutz des Zentrums angewiesen.

Vorbild: ein Politiker aus Kenia

Dabei könnten Albinos selbst einen wichtigen Beitrag leisten, um ihre Akzeptanz in der Gesellschaft zu stärken und Vorurteile abzubauen. So wie Isaac Mwaura, der mit der Pigmentstörung lebt - und im Nachbarstaat Kenia als Abgeordneter im Parlament sitzt. Er habe einen Gesetzentwurf eingebracht, der Albino-Morde mit lebenslangen Haftstrafen ahnden soll, sagt Mwaura. Mit der Albinism Society of Kenya habe er zudem eine Stiftung ins Leben gerufen, die jedes Jahr rund 100 Millionen kenianische Schilling (rund 900.000 Euro) für die Albino-Hilfe aufbringe.

Dabei geht es oft um ganz praktische Hilfe. "Wir nutzen das Geld, um Sonnenschutzmittel für Albinos zu kaufen, ihnen Brillen und Hüte zu besorgen." Aber auch die Aufklärungsarbeit ist Mwaura wichtig. Zwar sind Angriffe und Morde in Kenia die Ausnahme. Aber Vorurteile existieren auch hier. Mwauras Vater hat die Familie verlassen, als der Sohn mit Albinismus zu Welt kam: "Er wollte einfach nicht glauben, dass ich sein Kind bin".

Mitarbeit: Amina Abubakar, Bruce Amani, Prosper Kwigize, Veronica Natalis