Beate Klarsfeld: Kampf gegen Alt-Nazis
Der Name Beate Klarsfeld steht für spektakuläre Aktionen. Ihre Ohrfeige für Altkanzler Kiesinger lenkte den Blick auf Alt-Nazis, die nie vor Gericht standen.
Eine junge Frau in Paris
Als Au-Pair-Mädchen geht die junge Beate, 1939 in Berlin geboren, nach Paris. Das ist mutig, in Frankreich sind Deutsche nicht gern gesehen und werden als Nazis beschimpft. Mit ihren 21 Jahren hat sie noch nicht viel gehört von den Verbrechen der Nazis - im Familienkreis wird eisern geschwiegen. Als sie sich in den Franzosen Serge Klarsfeld verliebt, nimmt ihr Leben eine entscheidende Wendung.
Erschütternde Erkenntnisse
Die beiden heiraten 1963. Serge, Sohn einer jüdischen Familie, erzählt ihr von Judenverfolgung, Gestapo-Folterungen und anderen Greueltaten der Nazis - auch in Frankreich. Sein Vater wurde deportiert und in Auschwitz ermordet. Beate Klarsfeld ist tief erschüttert, als sie dies alles erfährt. Und entsetzt, dass darüber in Deutschland geschwiegen wird.
Wütende Journalistin und Aktivistin
Aus der Erschütterung wird mit der Zeit Wut: Am 02. April 1968, während einer Sitzung des Bundestags in Bonn, beschimpft sie Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger von der Zuschauertribüne aus als "Nazi" und "Verbrecher". Kiesinger war von 1933 bis 1945 Mitglied der NSDAP. Der Saaldiener neben ihr versucht, die Journalistin zu beruhigen. Sieben Monate später...
Ohrfeige für einen Alt-Nazi
...kommt Klarsfeld dem Kanzler dann noch näher: Am 7. November 1968 gibt ihm die 29-Jährige auf dem CDU-Parteitag in Berlin in aller Öffentlichkeit eine Ohrfeige. Das Bild zeigt Kiesinger (neben seinem Vorgänger Ludwig Erhard), wie er sich kurz danach mit einem Tuch über Auge und Nase wischt.
Auf einen Schlag berühmt
Mit einem "Schlag" war Beate Klarsfeld plötzlich weltberühmt - und die Diskussion um Kiesingers NS-Vergangenheit bekam neuen Aufwind. Diese Aufnahme entstand bei einer Pressekonferenz am Abend des 7. November 1968 in West-Berlin. Sie habe auf Kiesingers NS-Vergangenheit hinweisen wollen, so Klarsfeld. Der breiten deutschen Öffentlichkeit scheine diese nicht ausreichend bekannt zu sein.
Politisches Gerichtsverfahren
Das Urteil des Schnellverfahrens, das noch am selben Tag fällt - ein Jahr Gefängnis ohne Bewährung -, wird nie rechtskräftig. Bei der Berufungsverhandlung sind Pressevertreter aus aller Welt dabei. Als Unterstützung bringt Klarsfeld den französischen Historiker Joseph Billig mit, der sich auf Nazi-Deutschland spezialisiert hat. Das Verfahren wird verschoben.
Verteidiger Horst Mahler
Ihr Verteidiger ist Horst Mahler (im Bild rechts), der sich später in der linksterroristischen Rote-Armee-Fraktion (RAF) radikalisiert. Im August 1969 wird Klarsfeld zu einer Bewährungsstrafe von vier Monaten verurteilt. Als Französin, die sie inzwischen ist, kann die Journalistin nach Paris zurückkehren.
Nazi-Jäger aus Überzeugung
Das Ehepaar Klarsfeld widmet sich bis heute mit hartnäckiger Energie und politischer Überzeugung dem Aufspüren alter Nazis. Nach 1945 konnten viele NS-Verbrecher über die sogenannten "Rattenlinien" nach Südamerika flüchten und dort unter Decknamen und dem Schutz der Geheimdienste residieren. In Deutschland – BRD und DDR gleichermaßen – lebten Nazis sogar mit vollem Namen als angesehene Bürger.
Ehrungen für einen mutigen Kampf
Ihre politische Arbeit hatte auch Schattenseiten: Das Ehepaar erhielt Morddrohungen und Briefbomben, 1972 wurde ein Sprengsatz unter ihrem Auto entdeckt. Doch gemeinsam überstanden sie alles. Auszeichnungen wie Bundesverdienstkreuz, Ernennung zum "Offizier der Ehrenlegion" (2007, unser Bild, mit Nicolas Sarkozy) oder israelische Staatsbürgerschaft waren der Lohn für ihr lebenslanges Engagement.