Bayreuther Festspiele: Der neue "Ring des Nibelungen" als Familiensaga
Alle Abgründe der Seele in einer Oper: Valentin Schwarz hat Wagners Götterdrama als Familiensage mit toxischen Beziehungen inszeniert. Eine Geschichte in Bildern.
Das Schicksal der Götter ist besiegelt
Die Schicksalsgöttinnen, die Nornen, spinnen in Richard Wagners Oper "Götterdämmerung" den Faden des Schicksals. Besorgt sehen sie den Weltuntergang kommen. Richard Wagner hat sein Musikdrama "Der Ring des Nibelungen" als Bühnenfestspiel über 16 Stunden an vier Tagen angelegt. Ein Gesellschaftskritisches Götterepos über Liebe, Verrat, Mord und Korruption.
Der Familien-Clan
Der Opernzyklus "Ring des Nibelungen" besteht aus den vier Opern "Rheingold", "Walküre", "Siegfried" und "Götterdämmerung". Regisseur Valentin Schwarz hat das Ganze als Familiensaga inszeniert. Im Mittelpunkt von "Rheingold" steht der Großunternehmer Wotan mit seiner Familie und zahlreichen unehelichen Kindern. Durch krumme Geschäfte versucht er sein Firmen-Imperium zu erhalten.
Kinder, die Retter unserer Erde?
Wotans Bruder und Widersacher ist Alberich. Weil er keine eigenen Kinder hat, entführt er einen Jungen mit Waffengewalt. In Wagners Original stielt Alberich einen Goldschatz. Hier ist der Junge der Schatz, denn in Schwarz' Inszenierung stehen Kinder für den Erhalt einer Familiendynastie. Aber sie werden genötigt und missbraucht.
Im gläsernen Käfig
Acht Kinder hinter Glas: Harmloser Kinderhort oder Zwischenlager für den Handel mit Kindern? In diesen Hort kommt auch der geraubte Junge übergangsweise, den Alberichs Bruder Mime (hinter den Mädchen stehend) überwacht. Valentin Schwarz macht immer wieder Andeutungen auf Kindesmissbrauch.
Die leuchtende Pyramide
Für Richard Wagner war die Götterburg Walhall ein Ort der Heldenverehrung. Bei Valentin Schwarz ist es der Anbau an das Anwesen Wotans für sein florierendes Unternehmen der Zukunft. Für die Strahlkraft seines Firmenimperiums steht symbolisch diese leuchtende Pyramiden-Lampe. Dass die Pyramide in Ägypten eine Grabkammer ist, lässt hier schon Böses erahnen.
Siegmund und Sieglinde
In der Oper "Die Walküre" sind die Zwillinge Siegmund und Sieglinde ein Liebespaar und gleichzeitig Wotans unehelichen Kinder. Noch dazu ist Sieglinde von ihrem Vater Wotan schwanger. Auch in Richard Wagners Vorgaben gibt es diese toxischen Beziehungen. Für die "Blutschande" muss Siegmund sterben. Sieglindes Sohn wird Siegfried heißen und seine Eltern nie zu sehen bekommen.
Österreichischer Humor im Schönheitssalon
Der 33-jährige Österreicher Valentin Schwarz zeigt auch Humor in seiner Inszenierung: Die Walküren, Töchter Wotans, sind hier keine Kämpferinnen, sondern überkandidelte Reiche mit Handymanie. Die Bandagen stammen nicht von Verletzungen im Kampf, sondern von Schönheitsoperationen. Schönheits-Ops und Influencerinnen werden hier auf schrille Weise karikiert.
Mit Liebe zum Detail
In "Siegfried" hat sich Alberichs Bruder Mime als Zauberer verkleidet, um mit dem erwachsenen Siegfried Kindergeburtstag zu feiern. Das Bühnenbild von Andrea Cozzi ist liebevoll gestaltet und makaber zugleich. Denn Mime, der als lustiger Alter daherkommt, hat seine skurrilen Puppen als Geburtstagsgäste aufgereiht. In all seinem Handeln wirkt er wie ein Psychopath, der sich an Kindern vergreift.
Was von den Göttern bleibt
Eigentlich sollte Wotans Tochter Brünnhilde in der "Götterdämmerung" in eine aufgezwungene Hochzeit mit großem Chor einwilligen. Doch sie hat sich erfolgreich gewehrt. Die Chorsänger trugen rote Masken mit dem Gesicht vom Göttervater Wotan. Eins der wenigen Requisiten, die bei Valentin Schwarz an die ursprüngliche Sage erinnern. Und auch das letzte, was von den Göttern noch übrig bleibt.
Work in Progress
Baustellenbänder, wie hier an einem Bauzaun, tauchen immer wieder auf der Bühne auf. Vielleicht eine Anspielung auf das "Werkstattprinzip" der Bayreuther Festspiele. Nach drei Festspielen wird eine Inszenierung wieder aufgenommen, so hat der Regisseur die Chance an seinem Werk zu feilen. Schon viele Regisseure, die erst ausgebuht wurden wie Valentin Schwarz, werden später groß gefeiert.