Bayer Leverkusen kann noch kämpfen
26. September 2018Als der Abpfiff ertönte, brach es nicht heraus aus Heiko Herrlich. Der Leverkusener Trainer nahm das Spielende und den Sieg seines Teams stoisch zur Kenntnis - wohlwissend, dass dies nicht mehr als ein Etappensieg war. Einen auf ganzer Linie überzeugenden, sportlichen Erfolg seines Teams hatte Herrlich, genauso wie die rund 40.000 Zuschauer im Düsseldorfer Stadion, nicht gesehen.
Im Gegenteil: Der Trainer musste am Ende noch um den Sieg bangen, nachdem Rouwen Hennings Düsseldorf in der Nachspielzeit per Elfmeter noch einmal herangebracht hatte (90.+4). Als der Ball dann wieder rollte, riss Herrlich die Arme hoch, forderte Schiedsrichter Manuel Gräfe auf, die Partie zu beenden. Nach einigen Sekunden wurde er scheinbar erhört, Gräfe pfiff ab. Die finale Dramatik dürfte dem Bayer-Trainer nicht geschmeckt haben, vermutlich war Herrlich vor dem Gegentor gedanklich bereits in der Analyse des Spiels. Und doch ist er späte Gegentreffer ein Sinnbild: Der Erfolg von Bayer Leverkusen steht auf wackligen Füßen.
Der Aufsteiger macht das Spiel, Leverkusen schaut zu
Diesen Eindruck vermittelte auch seine Mannschaft in den Stadion-Katakomben: Kaum ein Leverkusener wollte mit den Reportern sprechen, fast alle suchten den direkten Weg in die Kabine - ungewöhnlich für ein Team, das den Platz als Sieger verlässt. "Die erste Halbzeit war nicht gut von uns”, sagte einer, der dann doch noch Worte fand: Mittelfeldspieler Dominik Kohr. Als einziger Bayer-Spieler trat er vor die Presse und sprach ungefragt die schwache erste Halbzeit an. "Nicht gut" war dabei noch untertrieben: Bequem, teilweise lustlos und völlig uninspiriert - der Auftritt der Herrlich-Elf im ersten Durchgang war schlicht ungenügend.
Die Statistik ist vielsagend: 8:0 Torschüsse für Düsseldorf - Leverkusen findet offensiv quasi nicht statt. Und das gegen einen Aufsteiger mit begrenztem spielerischen Potential. "Alles, was wir uns für die erste Halbzeit vorgenommen haben, habe ich nicht gesehen. Mir war danach, heute rumzuschreien, ich bin aber ruhig geblieben in der Hoffnung, dass etwas passiert", gab Heiko Herrlich nach dem Spiel offen zu und fügte an: "Fußball ist ein Kampfspiel, das habe ich den Spielern gesagt." Dass die Spieler seine Botschaft spät, aber nicht zu spät erkennen sollten, spricht für den Charakter der Mannschaft, der allerdings erst wachgerüttelt werden musste. Denn wie Herrlich später mitteilte, wurde Kapitän Lars Bender in der Halbzeit in der Kabine laut. Was genau sein Kapitän der Mannschaft verkündete, wollte Herrlich nicht verraten, jedenfalls zeigte es Wirkung in Halbzeit zwei. Leverkusen war auch hier nicht wirklich überlegen, zeigte keine bärenstarke und erst recht keine brilliante Vorstellung. Aber die Werkself zeigte Kampfgeist, erhöhte endlich das Tempo und wurde belohnt: Ein Doppelpack durch Nationalspieler Kevin Volland (50. und 60.) war die prompte Belohnung, auch weil Düsseldorf mit der plötzlichen Erhöhung der Spielgeschwindigkeit überfordert wirkte. Ein Arbeitssieg.
Drei Punkte und viel Luft nach oben
"Wir sind reifer geworden als im letzten Jahr und man hat gesehen, dass jeder für den anderen da war", stellte Dominik Kohr nach der Partie für sich fest. Eine eher eigenwillige Wahrnehmung der Geschehnisse. Denn Leverkusen ist trotz des zweiten Sieges in Folge noch ein großes Stück entfernt von der gewohnten Offensivstärke, von der Schnelligkeit und dem Spielwitz, die in einigen Spielen von der Werkself und ihren hochtalentierten Spielern ausgehen kann.
Für den Moment dürfte das alle Verantwortlichen an diesem Abend egal gewesen sein. Drei Punkte, nichts anderes zählt für einen angeschlagenen Trainer und sein Team. Herrlich war nach dem Fehlstart an dem Punkt angekommen, an dem nur noch Resultate zählten und in dieser Hinsicht liegen mit sechs Punkten aus zwei Spielen höchst erfolgreiche vier Tage hinter Herrlich. Anders als Schalke 04 hat Leverkusen mit Herrlich die Trendwende geschafft, er fährt wieder Ergebnisse ein. Und da darf man sich durchaus mal selbst etwas Mut zureden. "Das Herz einer Mannschaft schlägt immer bei den Spielern und das haben sie gezeigt heute", so Herrlich. In den kommenden Spielen darf es aber wohl gerne etwas mehr sein.