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Bautzen hat die Lage erst mal im Griff

Kay-Alexander Scholz, zurzeit Bautzen16. September 2016

Was ist los in der Stadt Bautzen? Tobt dort der Bürgerkrieg zwischen Flüchtlingen und Einheimischen, vor denen die AfD schon länger warnt? Unser Reporter Kay-Alexander Scholz war vor Ort und hat ein ganz anderes Bild.

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Polizei vor Flüchtlingen in Bautzen (Foto: DW/Scholz)
Bild: DW/K. A. Scholz

"Bautzen ist meine Lieblingsstadt", sagt Menekse, eine Kurdin, in gutem Deutsch mitten auf dem Kornmarkt - eine zufällige Passantin. Dort wo in den vergangenen Nächten Flüchtlinge, Polizei und rechte Demonstranten aneinander gerieten. Seit Jahren schon lebe sie gern hier, erzählt sie, nachdem sie ihre Bekannten Sabrina und Armin und ihr Kind herzlich begrüßt hat. Doch über die neuen Flüchtlinge ärgere sie sich manchmal, die seien zu aufbrausend. Aber das sei wohl auch eine Mentalitätsfrage.

Armin sagt, er fahre hier fast täglich vorbei zum Einkaufen. Natürlich habe er schon gesehen, dass die jungen Flüchtlinge mal untereinander in Streit gerieten. Aber das sei doch normal. Übergriffe habe er nie erlebt.

Meneske, Sabrina und Armin auf dem Kornmarkt (Foto: DW/Scholz)
Von links nach rechts: Meneske, Sabrina und Armin auf dem KornmarktBild: DW/K. A. Scholz

Das können auch die vier alten Damen bestätigen, die sich hier gern nachmittags auf die Bank setzen und das Treiben beobachten. Bedroht gefühlt hätten sie sich nie. Nur manchmal gewundert, wie mutige hübsche blonde junge Frauen sich unter die Flüchtlinge gemischt hätten. Das wäre doch eine gute Integrationsmaßnahme, scherzen sie untereinander, wenn die Flüchtlinge gleich unter die Haube kämen - mit deutschen Schwiegereltern und so.

Gemischtes Bild

Dennoch gab es in den vergangenen Tagen teils schwere Auseinandersetzungen an diesem zentralen Platz in der Altstadt von Bautzen. Zumeist, als es schon dunkel war und normale Passanten wohl schon zu Hause waren. Sabrina, mit dem jungen Kind auf dem Arm, erzählt, dass der Monat September in Bautzen zu "Wochen der Demokratie" erklärt wurden. Auf dem Platz gibt es auch einen Stand der Initiatoren. Die Schlagworte #Hirnan und #Herzauf stehen auf einem der Transparente.

"Miteinander statt gegeneinander" - Transparent der "Wochen der Demokratie" in Bautzen (Foto: DW/Scholz)
Transparent der "Wochen der Demokratie" in BautzenBild: DW/K. A. Scholz

Seitdem gebe es diese Aggressionen vor allem von ultrarechten Gruppen, erzählt sie. Vor denen hätte sie auch Angst und nicht vor den Flüchtlingen. Bautzen sei schon seit Jahren ein Zentrum der Rechtsextremen, fügt Armin hinzu. Die NPD gehöre zum Straßenbild, auch im Umland, erzählt das junge Pärchen.

Nicht alles "Friede, Freude, Eierkuchen"

40.000 Menschen leben in Bautzen, davon rund 200 Flüchtlinge. Die Stadt liegt im östlichen Sachsen, nicht weit von Dresden entfernt, der "Pegida-Stadt". Die Altstadt hat viele imposante historische Bauten und ist umgeben von einem wunderschönen Villen-Gürtel. Einst war Bautzen sehr reich. Heute ist es schon fast wieder saniert. Man sieht, wie auch in vielen anderen sächsischen Städten, viele Kinder. Entgegen landläufiger Meinung ist die Geburtenrate in Sachsen die höchste in ganz Deutschland. Viele EU-Ausländer haben sich angesiedelt, vor allem Polen, Tschechen, Russen und Rumänen.

Für Städte wie Bautzen spielt der Tourismus eine große Rolle. Deshalb ist die Sorge groß, dass Bautzen einen Imageschaden durch die Gewalt auf dem Kornmarkt erleidet. Egal, mit wem man spricht, alle Bautzener relativieren das, was in ihrer Stadt passiert. Auch wenn nicht alles "Friede, Freude, Eierkuchen" sei, wie der Sachse sagt.

Aus einem benachbarten Hotel hört man von dutzenden Anzeigen in den vergangenen Wochen - wegen Ruhestörung. In anderen Hotels wurden Buchungen storniert. Bautzen ist in den Schlagzeilen, egal wie sehr sich die Einwohner auch dagegen wehren.

Das Gebot der Stunde

Polizei und der Oberbürgermeister versuchen, mit staatlichen Mitteln wieder Normalität durchzusetzen. Schon am Nachmittag ist eine Hundertschaft in Kampfmontur auf dem Platz präsent. Die Einsatzkräfte nehmen Personalien von jungen Menschen auf, die dort gern "herumlungern", wie sie sagen. Eine Kontrollzone wird eingerichtet. Einzelne, offensichtlich schon auffällig gewordene Flüchtlinge werden abgedrängt, andere nicht. Wieder andere wurden in andere Unterkünfte außerhalb der Stadt gebracht, wie es heißt. Es soll eine Ausgangssperre für Minderjährige nach 19 Uhr geben. Deeskalation ist das Gebot der Stunde. In den nächsten Tagen sollen auch Streetworker zum Einsatz kommen, berichtet ein lokaler Journalist.

Eine für Freitag geplante Kundgebung rechter Gruppen wurde dann kurzfristig doch noch abgesagt. In den Sozialen Medien erklärte der Bautzener Oberbürgermeister, Alexander Ahrens, er habe ein Gesprächsangebot der Veranstalter, wohl eine Art Friedensangebot, angenommen.

Profiteur der Ereignisse sind die Rechtspopulisten. Am Tag zuvor waren 350 von ihnen auf dem Kornmarkt und skandierten die üblichen Sprüche wie: "Wir sind das Volk". Oder: "Merkel muss weg". Das Bürgerbüro der AfD, es liegt übrigens nur zwei Häuser von der CDU-Zentrale entfernt, ist am Freitag geschlossen. Im Fenster hängt eine Pressemitteilung. Seit Wochen eskaliere die Situation auf dem Bautzener Kornmarkt zwischen Asylbewerbern und Einheimischen, steht darin geschrieben. Doch selbst die Frau aus dem sorbischen Buchladen, nur 200 Meter entfernt, sagt, sie habe so gut wie nichts mitbekommen.

Ob es in Bautzen nun so friedlich bleibt, wie die Bürger das hier gerne hätten, vermag niemand vorherzusagen. Die Polizei bleibt in Alarmbereitschaft.