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Mythen und Missverständnisse

7. Januar 2019

Das Bauhaus gilt als Exportschlager aus Deutschland. Viele, die für die berühmte Hochschule für Gestaltung schwärmen, reduzieren die Ideen auf die plakative Formel: quadratisch, praktisch, gut. Acht Missverständnisse.

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Ausflugsgaststätte Kornhaus an der Elbe in Dessau-Roßlau
Bild: picture-alliance/dpa

Die Bauhaus-Architektur ist weltweit für ihre Klarheit berühmt. Die Pioniere einer neuen Gestaltung konzentrierten sich auf klare Linien, wehrten sich gegen Dekoratives und Ornamente und feierten alles Funktionale. Jeder glaubt zu wissen, was "typisch Bauhaus" meint: Elegante Freischwinger aus Stahlrohr von Marcel Breuer, die halbkugelförmige Tischlampe von Wilhelm Wagenfeld, oder die Architektur, die als quadratisch und zweckorientiert in die Baugeschichte eingegangen ist. Das Bürgertum wurde zum Feindbild erklärt. Deshalb bemühte sich Walter Gropius auch darum, Handwerker, ehrliche Arbeiter mit Dreck unter den Fingernägeln, ans Bauhaus in Weimar zu holen. Und was dachte die Zielgruppe über dieses anti-bürgerliche Dogma? Sie beklagten sich über die ästhetische Bevormundung in ihren präfabrizierten Schachten, in die sie einziehen mussten. Denn Vorhänge durften sie nicht aufhängen, auch Bilder an den Wänden waren nicht gerne gesehen. Es gab keine Tapeten, keine Dekoration, keine Gemütlichkeit - nur nackte weiße Wände.

Ort der Geschlechtergleichheit

Gruppenbild der Bauhausmeister 1926
Gruppenbild der Bauhausmeister und der einzigen Frau: Gunta Stölzl (re.)Bild: picture-alliance/akg-images

Wenn das Bauhaus heute in der ganzen Welt als Ort der Avantgarde, als Schmelztiegel neuen Denkens gefeiert wird, dann wird oft vergessen, dass dort ein ziemlich partiarchaler Wind wehte. Zwar wurden im Gründungsjahr 1919 mehr Frauen als Männer aufgenommen, doch nur wenige von ihnen gelang es, eine begehrte Anstellung als Lehrerin in der Werkstatt zu bekommen. Als einzige Meisterin leitete Gunta Stölzl die Weberei und versammelte viele begabte Frauen in ihrer Klasse. Auch Anni Albers, spätere Frau von Josef Albers, und inzwischen als innovative Textilkünstlerin anerkannt, studierte bei ihr. Nur wenige erkämpften sich den Zugang in andere Werkstätten. Marianne Brandt gelang es als einziger Frau Eingang in die Metallwerkstatt zu finden. Dort prägte sie das Metalldesign ihrer Zeit mit. Johanna Hummel dagegen flog von der Schule, weil sie ihre eigenen Werke noch als Schülerin zu Geld machen wollte. Trotzdem waren sie zu beeindruckender Innovationskraft fähig. Heute kursiert ein idealisiertes Bild vom Bauhaus. Die Ideenschmiede wird oft als Stil und Produkt missverstanden und weniger als eine Schule, die ein neues Lernen und Leben propagieren wollte.

Walter Gropius, 1933
Walter Gropius im Jahr 1933, kurz bevor er in die USA emigrierteBild: picture-alliance/AP Photo

Bauhaus - was bleibt?

Was ist aus den Ideen von damals geworden? Die Vorstellung einer gemeinschaftlichen Ideologie, und einem selbst organisierten Zusammenleben in überschaubaren, streng abgeschotteten Zirkeln hat sich überholt. Es hat solange funktioniert, wie es nicht nur ein Mit- sondern auch ein gemeinsames Feindbild gab. Die Bauhaus-Pioniere kämpften Schulter an Schulter gegen das Lebensgefühl der Kaiserzeit vor dem Ersten Weltkrieg. Gropius und Co. wandten sich gegen historisierende Architektur, gegen die Schnörkel des Bürgertums und gegen die gegenständliche Malerei. Die Gründung einer Bewegung, die nichts Geringeres als einen neuen Menschen schaffen will, ist ein Ideal von gestern. Doch das Bauen im Bauhausstil liegt auch im 21. Jahrhundert in vielen deutschen Städten im Trend. Mit den Utopien der 1920er Jahre hat es nichts mehr zu tun. Das Etikett nutzen Bauherren gerne als Lockmittel, um finanzkräftige Architekturfreunde für den Kauf einer neuen strahlend weißen Immobilie zu begeistern. Das Bauhaus für alle - der Traum ist lange ausgeträumt.

Autorin Sabine Oelze
Sabine Oelze Redakteurin und Autorin in der Kulturredaktion