Baschar al-Assad: Aufstieg und Ende
Veröffentlicht 8. Dezember 2024Zuletzt aktualisiert 8. Dezember 2024"Doktor (Baschar al-Assad), jetzt geht es Dir an den Kragen!" Die Prophezeiung einer Gruppe von Schülern aus der Stadt Daraa ist in Erfüllung gegangen. Sie hatten den Satz zu Beginn des sogenannten arabischen Frühlings am 15. März 2011 an die Schulwand geschrieben.
Seit dem 8. Dezember ist Syriens Machthaber und Diktator nicht mehr im Amt und hält sich nach russischen Angaben in Moskau auf. Damit ist das Baath-Regime nach 61 Jahren zusammengebrochen. Der Sturz Assads wird weltweit gefeiert und ist vielerorts mit Erleichterung aufgenommen worden.
Herrscher ohne Heer
Lange hatten Assads Verbündete Russland, Iran und iranisch finanzierte Milizen wie die libanesische Hisbollah den Diktator an der Macht gehalten. Bereits 2015 war das Regime am Rand des finanziellen Zusammenbruchs und kaum mehr in der Lage, sein Militär zu finanzieren.
Nun scheinen dem Regime endgültig die Soldaten ausgegangen zu sein. "Die von Assad geführte Syrische Arabische Armee leidet unter einem schweren Rekrutierungsproblem, das durch die Flucht junger Syrer ins Ausland noch verschärft wurde", schreibt Mohammed Albasha, Gründer des auf Nahost-Angelegenheiten spezialisierten Beratungsunternehmen Basha Report auf X. Das Regime sei nicht mehr in der Lage gewesen, Gehälter zu zahlen.
Repression nach "Arabischem Frühling"
Der 1965 in Damaskus geborene Machthaber fühlte sich ursprünglich gar nicht zur Politik hingezogen. Er studierte Medizin, zunächst in Damaskus, dann in London, wo er sich zum Augenarzt ausbilden ließ.
Als sein Vater im Juni im Jahr 2000 starb, wurde eigens für ihn die syrische Verfassung geändert, so dass der für die Präsidentschaft eigentlich zu junge Baschar das Amt anstelle eines tödlich verunglückten älteren Bruders antreten konnte.
Nach seiner Machtübernahme im Juli 2000 wurde er von vielen Staaten zunächst als potenzieller Reformer angesehen. Doch als 2011 der sogenannte Arabische Frühling in den Nachbarländern Ägypten und Tunesien begann, wollte Assad von Reformen nichts mehr wissen.
Als die Proteste im Land zunahmen, setzte Assad auch Waffen gegen die Demonstranten ein - und verwandelte sie erst so in Aufständische und unversöhnliche Feinde des Regimes, die sich mit nichts anderem zufrieden geben würden als dem Sturz des Präsidenten. 2011 forderten USA und EU wegen der militärischen Unterdrückung von Demonstranten und Regimekritikern Assads Rücktritt.
Brutalität zeichneten Assad und sein Regime seit Beginn des Aufstands aus. So etwa der Giftgaseinsatz 2013 in Ost-Ghouta - dem ersten, dem er in den folgenden Jahren weitere folgen ließ. Auch scheute er nicht davor zurück, Schulen und Krankenhäuser mit Fassbomben zu attackieren.
Folter, Flucht, Tod
Der Brutalität des Regimes fielen bis heute rund 600.000 Menschen zum Opfer. Zehntausende wurden in den Gefängnissen des Regimes gefoltert und ermordet.
Der im Frühjahr 2021 zu Ende gegangene Prozess vor dem Oberlandesgericht in Koblenz gegen einen vergleichsweise unbedeutenden Handlanger in den Folterkammern des Regimes warf ein Schlaglicht auf die Dimension der von Assad verantworteten Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Seit dem Beginn des Bürgerkrieges haben Millionen Syrer das Land verlassen, aus Angst vor der Gewalt des Krieges und der Repression. Zehntausende wurden in den Gefängnissen des Regimes gefoltert und ermordet. Baschar al-Assad hat ein zerstörtes, traumatisiertes und weitgehend entvölkertes Land hinterlassen.
"Unsere Gefühle als Syrer sind heute unbeschreiblich", schreibt Haytham Alhamwi vom syrischen Gemeindezentrum Rethink Rebuild Societyin London. Alhamwi wurde 2000 in Syrien inhaftiert, weil er die Korruption des Regimes öffentlich kritisiert hatte. Sein Schwiegervater und mehrere Freunde wurden in den Gefängnissen des Regimes zu Tode gefoltert.
"Jahrelang haben wir die internationale Gemeinschaft aufgefordert, die Zivilbevölkerung in Syrien zu schützen, nur um zu hören, dass dies zu kompliziert und zu schwierig sei. Nun haben wir gesehen, wie das Assad-Regime innerhalb weniger Tage zusammengebrochen ist", fügt er hinzu.
Obwohl Assad und sein Regime für Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht werden, gibt es bisher keinen Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen ihn, denn Syrien erkennt diesen nicht an. Und im UN-Sicherheitsrat, der Fälle an den IStGH weiterleiten kann, würde Russland vermutlich ein Veto gegen eine entsprechende Anklage erheben.