Rückkehr zur Demokratie
30. April 2008Wenn Militärs den Notstand ausrufen, bemühen diese gewöhnlich das Wohl der Nation als Grund. Das Volk und das Ausland sind gewöhnlich anderer Meinung. Nicht so in Bangladesch. Als die Armee am 11. Januar 2007 dort den Ausnahmezustand verhängte, sahen viele Bangladeschis und die internationale Gemeinschaft dies als einzigen Weg, eine Eskalation der Gewalt zu verhindern. Vorausgegangen war ein wochenlanger Streit zwischen den beiden großen politischen Parteien und ihrer Anhänger.
Doch die von der Übergangsregierung versprochene Rückkehr zur Demokratie ist ins Stocken geraten. Um den anvisierten Termin für Neuwahlen im Dezember 2008 einhalten zu können, sind dringende Kurskorrekturen notwendig. Zu dem Schluss kommt die International Crisis Group in ihrem neuen Report vom Montag (28.4.2008).
Regime mit ineffektiver Politik
Die vom Militär gestützten Technokraten in der Hauptstadt Dhaka hätten in ihrer Wirtschaftspolitik bislang keine glückliche Hand bewiesen, so der Bericht. Ebenso im Umgang mit den Flutkatastrophen, die das Land in trauriger Regelmäßigkeit heimsuchen. Angeblich im Kampf gegen die allgegenwärtige Korruption haben die Machthaber mehrere hunderttausend Person festgenommen. Aus dem gleichen Grund soll den Anführerinnen der beiden größten Parteien – Khalida Zia von der Nationalpartei (BNP) und Sheikh Hasina von der Awami-Liga (AL) – der Prozess gemacht werden. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung scheint dahin.
Jetzt hat Interimsregierungschef Fakhruddin Ahmed Gespräche angekündigt, berichten bengalische Medien. In der ersten oder zweiten Maiwoche will die Übergangsregierung mit der BNP und AL zusammenkommen. Möglichweise haben drastisch gestiegen Preise für Reis – eines der Hauptnahrungsmittel in Bangladesch –, Energie und die drohende Unwettersaison die Regierung davon überzeugt, dass sie nicht alleine kann und die großen Parteien ins Boot holen muss. In jedem Fall "ein wichtiger Schritt", meint Michael Shaikh, einer der Autoren des ICG-Berichts. "Ohne diesen Dialog laufen die Erfolge, die trotz allem bislang erreicht wurden ins Leere."
Begrenzte Fortschritte
Shaikh betont, dass tatsächlich einige Fortschritte gemacht worden seien: Die Regierung habe "die formelle Trennung zwischen Justiz und Regierung durchgesetzt und ist zielstrebig die Korruption in der öffentlichen Verwaltung angegangen". Der vielleicht wichtigste Erfolg sei der Neuaufbau des Wahlregisters. "Dort waren zuvor rund zwölf Millionen falsche Namen zusätzlich vermerkt."
Das Problem sei, dass sich die Regierung zu sehr auf politische Reformen eingeschränkt habe, sagt Asia-Analystin Maria Kuusisto von der Politikberatung Eurasia Group. Für umfassendere Reformen sei ein Dialog zwingend. Auch und gerade weil "die Reformen der Übergangsregierung später demokratisch abgesegnet und bei Bedarf geändert werden müssen". Andernfalls gäbe es keine Garantie, dass die Reformen über die nächste Wahl hinaus Bestand hätten, so Kuusisto.
Versammlungsverbot aufheben
Ein Kernpunkt des ICG-Reports ist die Forderung, das Versammlungsverbot und die Beschränkungen parteipolitischer Aktivität umgehend aufzuheben. Nicht nur, um jetzt "eine reibungslose Rückkehr zur Demokratie" einzuleiten. Die schlechte Wirtschaftslage, der die Technokraten in Dhaka zunehmend erfolgloser zu begegnen versuchen, spielt den Parteien in die Hände. "Sheikh Hasina von der BNP versucht die Wirtschaftskrise zu ihrem Vorteil zu nutzen", sagt Michael Shaikh. Doch wenn die politische Schiene verbaut ist, bricht sich die Unzufriedenheit auf der Straße Bahn. Die Stundentenproteste im August vergangenen Jahres seien ein Beispiel, hält die ICG-Analyse fest. Auch islamische Extremisten profitierten von der wachsenden Unzufriedenheit.
Internationales Interesse an Stabilität
Mit zwei aufstrebenden Supermächten an oder nahe den Landesgrenzen ist die weitere politische Entwicklung in Bangladesch nicht nur eine innere Angelegenheit. "China und Indien sind beide daran interessiert, das regionale Machtgefüge stabil zu halten", sagt Maria Kuusisto. Das Regime in Dhaka kann die internationale Gemeinschaft auch aus anderen Gründen nicht außen vor lassen. Mit immer weniger Vertrauen im eigenen Land, würde die Regierung in schwierige Fahrwasser geraten, wenn auch noch die stillschweigende Akzeptanz im Ausland wegbricht. "Die politischen Führer in Bangladesch wollen den Respekt der internationalen Gemeinschaft", sagt Michael Shaikh. Andererseits sei das Ausland "auch ein wichtiger Bürge" für die Rückkehr des Landes zur Demokratie.