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Politik

Bahrain: Proteste nach Hinrichtungen

Emad Hassan | Kersten Knipp
30. Juli 2019

In Bahrain wurden zwei schiitische Aktivisten hingerichtet. Manches lässt vermuten, dass das Urteil politisch motiviert sein könnte. Die Opposition lässt nicht locker. Im Netz wie auf der Straße geht der Protest weiter.

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Bahrain Jusitz l Protste gegen Festnahme
Seit Jahren stehen sich in Bahrain schiitischen Aktivisten und Staatsmacht gegenüber (Archivbild)Bild: Getty Images/AFP/M. Al-Shaikh

Todesstrafe für zwei als Terroristen verurteilte bahrainische Staatsbürger: Vor einem Erschießungskommando starben am vergangenen Samstag Ahmed al-Malali und Ali al-Arab, 24 und 25 Jahre alt. Das Gericht war zu dem Schluss gekommen, die beiden Männer schiitischen Glaubens hätten eine Terrororganisation gegründet. Diese soll im Januar 2017 ein Gefängnis südlich der Hauptstadt Manama angegriffen haben. Bei dem Überfall war ein Wachmann getötet worden, zehn Häftlinge konnten fliehen. Zudem wurde die Gruppe für zwei tödliche Angriffe auf Polizisten verantwortlich gemacht.

Human Rights Watch: "Folter nicht auf diesen Fall begrenzt"

Human Rights Watch verurteile die Exekution, sagt Lama Fakih, stellvertretende Direktorin für den Bereich Mittlerer Osten und Nordafrika der Menschenrechtsorganisation. Bei dem Prozess habe es kein ordentliches Verfahren gegeben. Es lägen Beweise vor, dass die beiden jungen Männer in Haft gefoltert und ihre Geständnisse auf Grundlage von Zwang und Misshandlung gewonnen worden seien. "Trotzdem müssen wir sehen, dass die bahrainische Regierung sich zur Hinrichtung entschlossen hat", so Fakih im Gespräch mit der DW. "Leider sind Misshandlung, Folter und Inhaftierung sowie das Fehlen eines fairen Gerichtsverfahrens nicht auf diesen Fall begrenzt."

Die bahrainische Botschaft in Washington verteidigte das Urteil. Die beiden Angeklagten hätten einen fairen Prozess gehabt. Es seien zudem Fingerabdrücke auf Beweisstücken gefunden worden.

Teile der Opposition zeigen sich von der Hinrichtung nicht beeindruckt. In London kletterte ein Aktivist auf das Dach der bahrainischen Botschaft, um gegen die Hinrichtung zu protestieren. Auch in Bahrain selbst kam es am Wochenende wieder zu Protesten. Ein Demonstrant kam dabei ums Leben.

Spannungen politisch, nicht religiös motiviert

Bahrain hat einen Ausländeranteil von knapp 55 Prozent. Die übrige Bevölkerung ist zu fast zwei Dritteln schiitisch. Das Herrscherhaus der Al-Khalifa gehört indessen der sunnitischen Minderheit an. Es hat eine enge Beziehung zur saudischen Königsfamilie. Als es im Zuge der Aufstände des Jahres 2011 auch in Bahrain zu Protesten gegen die Regierung und die Familie Al-Khalifa kam, schickte Saudi-Arabien Panzer, um den Aufstand niederzuschlagen. In der Folge wurden hunderte Oppositionelle verhaftet, vielen wurde die Staatsangehörigkeit entzogen.

Die Proteste gingen vor allem von den Schiiten aus, die sich gegenüber den Sunniten benachteiligt fühlen. Sie beklagen eine Diskriminierung etwa beim Zugang zum Arbeits- und dem Wohnungsmarkt. Stellen im Öffentlichen Dienst seien ihnen kaum zugänglich. In Bahrain finde nicht eine religiöse, sondern eine politische Auseinandersetzung statt, sagte der im Februar 2018 zu fünf Jahren Haft verurteilte schiitische Menschenrechtsaktivist Nabeel Radschab.

Das Gericht hatte Radschab damals unter anderem der "Beleidigung nationaler Institutionen" für schuldig befunden.  Die Regierung versuche zwar die religiöse Karte zu spielen, um sich die Unterstützung der Sunniten zu sichern, so Radschab 2012 im DW-Interview. "Doch tatsächlich geht es um politische Fragen: um Demokratie, Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit. Die Menschen wollen Demokratie, sie wollen ein machtvolles Parlament und eine gewählte Regierung."

Auf dem Dach der bahrainischen Botschaft in London ist ein Mann zu sehen
Globaler Protest: ein Demonstrant auf dem Dach der bahrainischen Botschaft in London Bild: Reuters/S. Ahmed

Spannungen mit außenpolitischer Signalwirkung?

Der Konflikt zwischen Königsfamilie und Opposition besteht bis heute. Für die Regierung gälten Teile der schiitischen Opposition als "Terroristen", die versuchten, das fragile Verhältnis zwischen der herrschenden sunnitischen Minderheit und der schiitischen Mehrheit zu destabilisieren, sagt Sebastian Sons, Experte für die arabische Halbinsel beim Bonner Thinktank CARPO.

Die Auseinandersetzungen hätten aber auch einen außenpolitischen Charakter, so Sons im DW-Gespräch. "In Zeiten zunehmender regionaler Spannungen mit dem Iran will Bahrain seinen engsten Verbündeten Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) signalisieren, dass mehrere Mitglieder der lokalen schiitischen Minderheit als 'Agenten des Iran' wahrgenommen werden."

Eine unabhängige Justiz?

Bahrain ist ein kleiner Staat. Die Fläche des Landes beträgt gerade 750 Quadratkilometer. Einschließlich der Arbeitsmigranten leben in dem Land knapp 1,5 Millionen Menschen. Von dem mächtigen Iran nur durch den Persischen Golf getrennt, ist Bahrain auf Saudi-Arabien als Bundesgenossen zwingend angewiesen.

Wie weit dessen Einfluss auf die Innenpolitik oder gar die Justiz des Landes gehe, sei schwer abschätzbar, sagt Sebastian Sons. "Bahrain ist jedoch stark auf die Unterstützung Saudi-Arabiens und der Emirate in Bezug auf wirtschaftliche Stabilität, Sicherheit und militärische Unterstützung angewiesen. Daher können die Hinrichtungen als Teil eines breiteren antiiranischen Ansatzes betrachtet werden, den beide Länder verfolgen."

In Zeiten zunehmender Eskalationen zwischen Saudi-Arabien und den VAE einerseits und dem Iran andererseits seien Schuldzuweisungen an Dritte wie etwa die Schiiten zu einem wichtigen Bestandteil der nationalistischen Propaganda der arabischen Golfstaaten geworden, so Sons.

Bahrain l König Hamad bin Isa al-Chalifa in Manama
Bedingt kritikfähig: Bahrains König Hamad bins Isa al-KhalifaBild: picture alliance/dpa/R. Jensen

Proteste gehen weiter

Dieser Strategie folgt ganz offenbar auch die Regierung in Bahrain. Diese habe eine ganze Reihe von Schritten unternommen, um Willensbekundungen der Opposition zu unterdrücken, die Medienfreiheit einzuschränken und Oppositionsparteien an ihrer Arbeit zu behindern, sagt Lama Fakih.

Offen ist, ob die Regierung der Proteste auf diese Weise Herr wird. Die Reaktionen der Opposition nach der Hinrichtung deuten darauf hin, dass sie nicht willens ist, sich entmutigen zu lassen.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika