Bagdad erhebt Vorwürfe gegen US-Truppen
31. Mai 2006"Es ist nicht zu rechtfertigen, dass eine Familie getötet wird, weil jemand gegen Terroristen kämpft", sagte Nuri al-Maliki am Dienstag (30.5.2006) dem britischen Sender BBC. Nach Angaben des neuen irakischen Botschafters in den USA, Samir al-Sumaidaie, gibt es viele Hinweise darauf, dass US-Soldaten wehrlose Zivilisten "absichtlich getötet haben". Auch sein Cousin sei im November 2005 in der Stadt Haditha grundlos von US-Soldaten erschossen worden, sagte er dem US-Sender CNN.
Die Getöteten von Haditha seien "Opfer eines falschen Einsatzes", sagte Al-Maliki weiter. Zugleich kündigte er eine Untersuchung der Vorfälle vom 19. November 2005 durch irakische Behörden an.
Frauen und Kinder grundlos getötet?
Bei dem Einsatz der US-Marines in Haditha waren nach Berichten von US-Medien 24 irakische Zivilisten, darunter auch Frauen und Kinder, angeblich grundlos getötet worden. Der demokratische US-Abgeordnete John Murtha hatte dem Verteidigungsministerium in Washington vor kurzem vorgeworfen, das Massaker vertuschen zu wollen, und von "kaltblütigen" Morden gesprochen.
US-Unteroffizier James Crossan, der zu Beginn der Vorfälle in Haditha am 19. November 2005 bei der Explosion einer Bombe verletzt worden war, schilderte in Fernsehinterviews die Wut seiner Kameraden an diesem Tag. Nachdem ein Soldat bei der Explosion des Sprengsatzes am Straßenrand getötet und zwei weitere verletzt worden waren, hätten "wohl einige die Kontrolle verloren", so Crossan in einem Gespräch mit CNN. Deshalb sei es "zu schlechten Entscheidungen" der
US-Militärs gekommen.
Schon lange seien ihm Berichte über das angebliche amerikanische Massaker in Haditha bekannt gewesen, sagte der irakische Botschafter Al-Sumaidaie. Es habe allerdings "einen starken Druck unserer Freunde" gegeben, über diesen Vorfall nicht zu sprechen. Er berichtete auch über den Tod von vier jungen Irakern, die unbewaffnet in einem Auto erschossen worden seien - dabei allerdings "ist es möglich gewesen", dass US-Soldaten sich bedroht gefühlt haben könnten.
"Besorgnis erregend"
Insgesamt seien die Übergriffe und Willkürakte nicht typisch, aber sie schadeten dem Ansehen und der ehrenwerten Mission der US-Truppen immens, so Al-Sumaidaie. Al-Maliki sagte der Nachrichtenagentur Reuters in einem Interview: "Wir sind besorgt über die Zunahme von 'Fehlern'. Ich sage nicht, dass sie beabsichtigt sind. Aber sie sind Besorgnis erregend."
US-Präsident George W. Bush hatte den neuen Botschafter Al-Sumaidaie am Montag (29.5.) in einem kleinen Festakt im Weißen Haus willkommen geheißen und betont, er sei "zuversichtlich über die Zukunft der Freiheit im Irak". Der "Mut der Führung und die Entschlossenheit des irakischen Volkes", seien beeindruckend.
Das Weiße Haus bekam erste Hinweise durch die Medien
Bush soll erst durch die Medien von den mutmaßlichen Ermordungen irakischer Zivilisten durch amerikanische Marineinfanteristen in der Stadt Haditha erfahren haben. Der Sprecher des Weißen Hauses, Tony Snow, erklärte am Dienstag in Washington, ein Reporter des Magazins "Time" habe die ersten Hinweise gegeben. Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats sagte, die Zeitschrift habe die US-Truppen in Bagdad am 10. Februar 2006 auf die Vorgänge in Haditha vom November 2005 aufmerksam gemacht. Nach ersten Ermittlungen sei der Präsident informiert worden. "Time" hatte im März von den Vorwürfen gegen US-Soldaten berichtet,
Das US-Verteidigungsministerium hat am Dienstag erneut die volle Aufklärung der Vorfälle von Haditha zugesichert. Die Ergebnisse der Pentagon-Untersuchung werden nach Angaben des Weißen Hauses bald der Öffentlichkeit präsentiert. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, drohen mehreren US-Marineinfanteristen Anklagen wegen Mordes und Kriegsverbrechen. (kap/stl)