Baerbock mahnt in Peking: Keine Waffen für Russland
14. April 2023Am zweiten Tag ihres China-Besuchs kam die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock in Peking mit ihrem Kollegen Qin Gang zu einem ausführlichen Gedankenaustausch zusammen. Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sagte die Ministerin, es sei entscheidend, "keine Waffenlieferungen an Russland zuzulassen, die diese Aggression weiter verlängern und auch zu verhindern, dass Dual Use-Güter für den Krieg genutzt werden".
Ihr Gesprächspartner entgegnete: "Wir liefern und werden ja auch später keine Waffen an Konfliktparteien liefern." Zudem kontrolliere man den Export sogenannter Dual Use-Güter, die zivil als auch militärisch verwendet werden können, entsprechend der Gesetzeslage, unterstrich Außenminister Qin Gang. Die Rolle Chinas in der Ukraine-Frage bestehe darin, Versöhnung zu fördern und Friedensverhandlungen voranzubringen. "Wir werden nicht weiter Öl ins Feuer gießen", erklärte er nach der offiziellen Übersetzung.
Peking soll Einflussmöglichkeiten nutzen
Baerbock sagte, der Besuch von Präsident Xi Jinping in Moskau habe gezeigt, dass kein anderes Land mehr Einfluss auf Russland habe als China. "Die Entscheidung, wie es diesen Einfluss nutzt, berührt Europas Kerninteressen ganz unmittelbar." Mit den Rechten als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat gehe für China auch eine besondere Verantwortung einher, appellierte sie an Peking.
Es sei gut, dass China signalisiert habe, sich für eine Lösung zu engagieren, sagte Baerbock mit Blick auf ein im Westen kritisiertes Positionspapier Pekings zum Ukraine-Krieg. "Aber ich muss offen sagen, dass ich mich frage, warum die chinesische Positionierung bisher nicht die Aufforderung an den Aggressor Russland beinhaltet, den Krieg zu stoppen. Wir alle wissen, Präsident Putin hätte jederzeit die Möglichkeit dazu."
Bei ihrem Antrittsbesuch hatten Baerbock und ihr chinesischer Kollege Qin Gang etwa zwei Stunden und damit fast doppelt so lange wie geplant im Format des deutsch-chinesischen strategischen Dialogs miteinander gesprochen. Bei ihrem gemeinsamen Abschluss-Statement traten sie höflich, aber kompromisslos in der Sache auf. Bei gegensätzlichen Positionen, etwa in der Frage der Menschenrechte oder in der Haltung zu Taiwan, gab es keine erkennbare Annäherung.
Baerbock: Eskalation um Taiwan "Horrorszenario"
Baerbock sagte, eine militärische Eskalation um die von China beanspruchte, demokratisch regierte Inselrepublik Taiwan wäre ein "Horrorszenario" für die Welt. 50 Prozent des globalen Handelsverkehrs gingen durch die Meerenge der Taiwanstraße. Die "Schockwelle dieser Wirtschaftskrise" würde auch China treffen. "Konflikte dürfen nur friedlich gelöst werden", mahnte die Grünen-Politikerin. Baerbock bekräftigte die deutsche Ein-China-Politik, wonach Peking als einzig legitime Regierung Chinas anerkannt wird und keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan unterhalten werden. Baerbock betonte aber, eine gewaltsame Veränderung des Status quo sei nicht zu akzeptieren.
Qin Gang verwahrte sich gegen jede ausländische Einmischung. Taiwan sei Teil Chinas, dies erlaube keine Intervention von außen. Wenn andere Staaten den Ein-China-Grundsatz "wirklich respektieren", sollten sie die separatistischen Aktivitäten in Taiwan ablehnen. Die "ursprüngliche Wurzel der Probleme" seien die Unabhängigkeitsbestrebungen. China werde "keinen Zoll Territoriums preisgeben".
China betrachtet das 23 Millionen Einwohner zählende Taiwan als Teil der Volksrepublik und droht mit einer Eroberung. Die Insel gehörte jedoch nie zur Volksrepublik und hat seit mehr als 70 Jahren eine unabhängige Regierung. Die USA haben sich seit 1979 der Verteidigungsfähigkeit Taiwans verpflichtet, was bisher meist Waffenlieferungen bedeutete. Nach der Invasion Russlands in die Ukraine wächst die Sorge, dass China ähnlich gegen Taiwan vorgehen könnte.
Keine Lehrmeister für Menschenrechte
Nachdem Baerbock ihre Sorge darüber geäußert hatte, dass die Freiräume für die Zivilgesellschaft und die Menschenrechte in China beschnitten würden, verwahrte sich Qin Gang in einem längeren Vortrag gegen Kritik. "Was China am wenigsten braucht, ist ein Lehrmeister aus dem Westen." Jeder Staat habe seine eigenen Gegebenheiten und kulturellen und historischen Hintergründe. Bei den Menschenrechten gebe es "keine einheitlichen Standards in der Welt".
Baerbock hielt dem entgegen, es gebe durchaus gemeinsame Standards für die Menschenrechte in der Welt und erinnerte an die UN-Charta und die UN-Menschenrechtskonvention. Darin stünden universelle Menschenrechte, an die alle UN-Mitglieder gebunden seien.
Auf Vorwürfe über Verfolgung besonders der muslimischen Uiguren in der Nordwestregion Xinjiang entgegnete Chinas Außenminister, es gehe dabei nicht um Menschenrechte, sondern um den Kampf gegen Radikalismus und Separatismus. Es gebe anti-chinesische Kräfte im Ausland, die die Xinjiang-Frage benutzten, um Chinas Aufstieg einzudämmen.
Großer Bahnhof für Baerbock
Die chinesische Führung bereitete Baerbock, die in Peking als besonders China-kritisch innerhalb der deutschen Bundesregierung gilt, insgesamt einen freundlichen Empfang. Bei der ersten Station ihres Besuches in der Hafenstadt Tianjin traf sie den Parteichef Chen Min'er, der als Politbüromitglied ein Schwergewicht in der Staatsführung ist. Auch wurde die Außenministerin in Peking von Vizepräsident Han Zheng empfangen.
Außenminister Qin Gang war zudem eigens nach Tianjin - 120 Kilometer von der Hauptstadt - gefahren, um mit Baerbock am Freitagmorgen ein deutsches Unternehmen für Elektromobilität zu besuchen. Der Minister stammt selbst aus der Wirtschaftsmetropole. Das Unternehmen Vitesco mit Sitz im bayerischen Regensburg produziert in Tianjin seit 2019 vollintegrierte elektrische Achsantriebe. Seit November 2021 betreibt die Gruppe dort ein Forschungs- und Entwicklungszentrum.
Im Anschluss an den Besuch bei Vitesco fuhren Baerbock und ihr Kollege im Hochgeschwindigkeitszug mit einem Tempo von bis zu 350 Kilometern in der Stunde nach Peking, wo noch ein kurzes Treffen mit Vizepräsident Han Zheng und der Besuch eines Lama-Tempels auf dem Programm standen. Am Samstag will die Ministerin nach Südkorea weiterfliegen. Am Sonntag reist Baerbock dann zum Außenministertreffen der G7-Staatengruppe nach Japan.
kle/djo (dpa, afp, rtr)