Autoriesen auf Schlingerkurs
15. Oktober 2004Die Veröffentlichung der Sparpläne von General Motors (GM) am Donnerstag (14.10.2004) warf seit Tagen ihre Schatten voraus. Nun bestätigte GM-Europa-Chef Frederick Henderson in Rüsselsheim, dass der weltgrößte Autokonzern in Europa bis zu 12.000 Arbeitsplätze in den kommenden zwei Jahren abbauen will. Die deutsche Tochter Opel sei besonders schwer von den Maßnahmen betroffen, sagte er am Donnerstag.
2005 kommt der größte Stellenabbau
Die jährlichen Strukturkosten sollen bis 2006 um etwa 500 Millionen Euro pro Jahr sinken. Im nächsten Jahr würden bereits 90 Prozent des Stellenabbaus umgesetzt. GM machte zunächst keine Angaben, an welchen Standorten wie viele Stellen genau abgebaut werden sollen. Opel beschäftigt in Deutschland an den Standorten Rüsselsheim, Bochum, Eisenach und Kaiserslautern rund 33000 Mitarbeiter.
Opel ist kein Einzelfall. Erst im Sommer hatte DaimlerChrysler ein Sparprogramm in Höhe von jährlich 500 Millionen Euro durchgesetzt – ähnliche Summen schweben nun auch GM vor. Volkswagen steckt noch mitten in den Tarifverhandlungen. Der Wolfsburger Konzern will die Arbeitskosten bis zum Jahr 2011 um rund zwei Milliarden Euro senken.
Hausgemachte Probleme
Die Suche nach den Ursachen der Misere ist meist schnell abgeschlossen. Die Lohnkosten in Deutschland seien zu hoch, die Konsumflaute nehme kein Ende, der Konkurrenzkampf fresse die Margen auf und die hohen Stahl- und Energiepreise täten ihr übriges, heißt es. Auch wenn das sicherlich gute Gründe sind, mahnen Analysten, auch nach Managementfehlern Ausschau zu halten.
Die Krise bei VW, DaimlerChrysler und GM sei vor allem hausgemacht, denn die Märkte seien stabil, meint Georg Stürzer, Analyst der HypoVereinsbank. Das zeige auch der Erfolg der Konkurrenten BMW und Porsche. VW, DaimlerChrysler und GM hätten einfach Fehler in der Modellpolitik und bei den Kostenstrukturen gemacht, erklärte Stürzer. So habe sich VW beispielsweise zu sehr auf die Premiummarken konzentriert und dabei das Kerngeschäft mit preiswerteren Autos fürs Volk vernachlässigt
Umdenken nötig
Mit der Krise bei den drei Branchenriesen das Ende des Automobilstandortes Deutschland auszurufen, scheint jedoch übertrieben. Die Produktivität in Deutschland sei mit jährlich fünf Millionen produzierten Autos immer noch sehr hoch, so Stürzer. Robert Pottmann, Analyst bei der Privatbank M.M. Warburg, glaubt jedoch, dass die Branche generell umdenken muss. Die hohen Löhne seien so nicht länger finanzierbar, mahnt Pottmann. In den neuen EU-Nachbarländern wie Polen fände man auch sehr gut ausgebildete Fachkräfte, die für deutlich weniger Lohn arbeiten würden. Für den Standort Deutschland hilfreich wäre hier schon der Abschied von den vielen Zuschlägen, die die Gewerkschaften zu besseren Zeiten ausgehandelt hatten.
Dass von den Autokonzernen Standorte im Osten bevorzugt werden, hat aber nicht nur mit billigen Arbeitskräften zu tun. Es gelte immer noch die Strategie "Production follows Market", betont Pottmann. Da derzeit der Wohlstand in den neuen EU-Mitgliedsländern steige, ziehe natürlich auch die Nachfrage an.
"Made in Germany"-Siegel bröckelt
Gleichzeitig verliert das "Made in Germany"-Siegel an Bedeutung. Bei der Produktion eines Autos würden häufig bis zu 60 Prozent der Teile aus dem Ausland zugeliefert, erinnert Pottmann. Daher könne er sich vorstellen, dass sich bald Bezeichnungen wie „Developed“ oder "Engineered in Germany" durchsetzen. Möglich wäre auch, dass bald nur noch die Marken beworben werden, glaubt Stürzer. Denkbar sei etwa ein "Produced by BMW".
Eine solche Entwicklung würde zwar den Innovationsstandort Deutschland stärken und gut ausgebildeten Ingenieuren und Entwicklern viele Chancen bieten - für den Arbeiter am Fließband wäre sie aber fatal. Die Produktion würde immer mehr an Bedeutung verlieren, räumen die Analysten ein. Das könnte im Ernstfall auch den Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen bedeuten.
Dennoch sehen die Experten wenig Alternativen. Nur mit einem vernünftigen Preis-Leistungsverhältnis könne Deutschland die führende Autonation bleiben, denn die Konkurrenz schlafe nicht. So hätten japanische Konzerne wie Honda und Toyota in Deutschland mittlerweile einen Marktanteil von insgesamt 14 Prozent, das sei das höchste Niveau seit 15 Jahren, erklärt Stürzer.
Lieber billig
An dieser Entwicklung ist der Autokäufer nicht ganz unschuldig. Die Differenzierung über den Qualitätsvorsprung werde immer schwieriger, besonders bei den Mittelklassewagen, meint Stürzer. Die französischen Autobauer seien etwa mit ihrer preisaggressiven Strategie sehr erfolgreich. Dass dabei keine hochwertige Qualität mehr herauskomme, sei den Kunden zunehmend egal.