Autolobby kritisiert neue CO2-Regeln
18. Dezember 2018Skeptisch war auch der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in Bezug auf die neuen CO2-Regeln für Pkw. "Wir waren von Anfang an für realistische Grenzwerte, die man auch erreichen kann", sagte er. Die nun beschlossenen Werte seien "sehr ambitioniert" - aber letztlich ein Kompromiss, so Altmaier.
Die neuen Regelungen sehen vor, dass bis 2030 neue Fahrzeuge europäischer Hersteller 37,5 Prozent weniger Kohlendioxid (CO2) ausstoßen. Als Vergleich gilt das angepeilte Niveau für das Jahr 2021. Deutschland wollte ursprünglich nur 30 Prozent Minderung, trug den Beschluss aber mit. Das Europaparlament war mit einer Forderung nach minus 40 Prozent in die Verhandlungen gegangen.
Niederlage für die Autolobby
Für die deutsche Automobilhersteller und Zulieferer gilt die Entscheidung als Niederlage. Die Branche gilt als eine der wichtigsten in Deutschland mit 820.000 direkt Beschäftigten. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Entscheidung von allen Seiten kritisiert wird. "Diese Regulierung fordert zu viel und fördert zu wenig", sagte Bernhard Mattes, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA). "Niemand weiß heute, wie die beschlossenen Grenzwerte in der vorgegebenen Zeit erreicht werden können." Nirgends sonst gebe es ähnlich strikte CO2-Ziele. Somit werde Europas Autoindustrie im internationalen Wettbewerb belastet.
Aus Sicht der Gewerkschaft IG Metall sind die neuen Regelungen eine unmittelbare Bedrohung für viele Tausend Jobs in der deutschen Kernbranche. Gewerkschaftschef Jörg Hofmann ist enttäuscht: In Brüssel sei "wieder gezockt" und "ohne Strategie und Umsetzungskonzept eine neue Zielzahl verkündet" worden. "Die Bundesregierung hat hier die Interessen des Industriestandorts Deutschland völlig unzureichend vertreten", so Hofmann.
Der Autobauer Volkswagen VW muss nach eigenen Aussagen nun reagieren. Bisher sei man davon ausgegangen, dass der CO2-Ausstoß bis 2030 um 30 Prozent sinken solle, sagte Konzernchef Herbert Diess in Wolfsburg. Dieses Ziel habe VW mit seiner Elektrostrategie abgesichert, in die in den kommenden fünf Jahren 30 Milliarden Euro fließen sollen. Nun müsse VW den Anteil der E-Autos am Gesamtabsatz bis 2030 auf über 40 Prozent hieven, so Diess. Möglicherweise müssten weitere Verbrenner-Angebote entfallen, damit verbunden die Werksstrukturen deutlicher umgebaut und zusätzliche Batteriezellfabriken gebaut werden. Diess bemängelte zudem: "Völlig ungeklärt sind in diesem Zusammenhang die Erzeugung umweltfreundlichen Stroms sowie die notwendige Lade-Infrastruktur."
E-Autos bringen weniger Wertschöpfung in Deutschland
Weil für Elektroautos deutlich weniger Bauteile und Arbeitsschritte nötig sind, könnten etwas 200.000 Jobs in Deutschland wegfallen, sagte IG Metall-Chef Hofmann. "Die Mobilitäts- und Energiewende ist zweifellos notwendig - allerdings braucht es dafür eine klare Strategie und ein Bündel konkreter Maßnahmen", kritisierte Hofmann. "Es reicht nicht, nur zu sagen, was man will, sondern man muss auch sagen, wie das technisch und sozialverträglich gehen soll - besonders wenn Zehntausende von Arbeitsplätzen auf dem Spiel stehen."
Die deutsche Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat den EU-Kompromiss zu schärferen Klimaschutz-Vorgaben für Neuwagen begrüßt. Die Autobauer müssten sich zwar anstrengen, damit Neuwagen ab 2030 wie vereinbart 37,5 Prozent weniger Kohlendioxid (CO2) ausstoßen als 2021, teilte die Schulze mit. Aber die Anreize für effizientere Autos und saubere Mobilität stärkten den Auto-Standort Europa.
Umweltschützern gehen die neuen Vorgaben der EU für den künftigen CO2-Ausstoß von Autos nicht weit genug. "Aus Klimaschutzsicht wäre deutlich mehr notwendig gewesen", erklärte der Europa-Direktor des International Council on Clean Transportation (ICCT), Peter Mock. Um das Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen, müsse die EU die CO2-Emissionen der neuen PKW bis 2030 um etwa 70 Prozent reduzieren.
Diesel im Fokus
Es werde eine "mehr als Herkules-Aufgabe" für die Hersteller, die CO2-Ziele bis 2030 zu erreichen, sagte Branchenexperte Stefan Bratzel vom CAM-Institut in Bergisch Gladbach am Dienstag. Die derzeitigen Anstrengungen in Richtung E-Mobilität müssten noch einmal erheblich erhöht werden. Als größtes Hindernis für einen Durchbruch gilt ein bisher fehlendes flächendeckendes Netz an Ladestationen. Der Diesel werde als Brückentechnologie benötigt, argumentiert die Branche. Dazu kommt, dass die Rendite im boomenden SUV-Segment am höchsten ist, und diese schweren Wagen sind im Wesentlichen Diesel. Allerdings haben der Abgasskandal, der Vertrauensverlust in den Antrieb und drohende Fahrverbote die Diesel-Neuzulassungen auf Talfahrt geschickt. Das führte dazu, dass den Herstellern nun die CO2-Falle droht. Denn viele Diesel stoßen bei vergleichbarer Leistung weniger CO2 aus als Benziner. Sprich: Je weniger Diesel verkauft werden, desto schwieriger wird es, die CO2-Ziele zu erreichen.
nm/hb (dpa, afp, rtr)