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Autoindustrie: Standort Deutschland unter Druck

Klaus Ulrich
17. April 2023

Hohe Energiepreise und die ausufernde Bürokratie setzen den Autoherstellern zu. Immer häufiger investieren sie in den USA, die den Ausbau der Elektromobilität mit hohen Subventionen fördern.

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Opel-Skulptur vor blau-weißem Himmel
Autoträume wachsen nicht in den Himmel - wie hier die Skulptur Opel GTBild: Ralf Ibing/Snowfield Photography/picture alliance

"Die bestehende Produktion werden wir nicht in die USA verlagern. Aber die nächsten Werke bauen wir eher in Amerika. Es besteht die Gefahr, dass Europa der Verlierer dieser Umverteilung wird." Dieses Statement von Klaus Rosenfeld, dem Chef des mit weltweit mehr als 80.000 Mitarbeitern viertgrößten deutschen Automobilzulieferers Schaeffler, spiegelt einen wichtigen Trend wider: Die Automobilindustrie verlagert ihre Produktion zunehmend von Deutschland und Europa nach China und Nordamerika.

"Die Gründe für die Abwanderung der Autoindustrie aus Deutschland und Europa sind vielschichtig", sagt Stefan Schneeberger, Project Manager bei der auf die Autoindustrie spezialisierten Beratungsfirma Berylls Strategy Advisors gegenüber der DW. Ein zentraler Antrieb für die Verlagerungen seien die hohen Energiekosten. Das Strompreisniveau liege in der EU um den Faktor zwei bis drei über dem der USA. "Aber auch die höheren regulatorischen Auflagen, denen sich die Industrie in der EU und in Deutschland ausgesetzt sieht, sprechen für eine Standortverlagerung. Und natürlich ködern attraktivere Subventionen, die aktuell in den USA angeboten werden." Diese Subventionen in Milliardenhöhe sind allerdings mit klimafreundlichen Technologien wie der Elektromobilität verknüpft.

Joe Biden
US-Präsident Joe Biden spricht am 13.09.2022 vpr dem Weißen Haus über den Inflation Reduction ActBild: Andrew Harnik/AP

US-Subventionen nur für klimafreundliche Technologien

In Folge der Abwanderungspläne sinken die Stückzahlprognosen für den Produktionszeitraum 2023-2029 in Europa deutlich, heißt es in einer aktuellen Berylls-Analyse. Die Standortverlagerungen sorgten dafür, dass für andere Regionen der Welt wesentlich positivere Voraussagen gelten. Man erwarte sogar weltweit gesehen ein Wachstum der Fahrzeugproduktion, allerdings schwächer als noch im Jahr 2021 vorhergesagt.

"In den aktuellen Prognosen zeigen sich die negativen Effekte des externen Schocks, ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine, sowie Korrekturen von zu optimistischen 2021er-Annahmen in Bezug auf das Auslaufen der Pandemie-bedingten Einschränkungen sowie der Chipkrise", erläutert Schneeberger.

Verlust von 100.000 Arbeitsplätzen in Deutschland

Laut der Analyse entstehe zwischen Deutschland und Nordamerika in den kommenden Jahren eine Produktions-Differenz von rund vier Millionen Fahrzeugen. Verlagerungen, wie beispielsweise von Audi und Ford jüngst angekündigt, würden diesen Trend noch verstärken. Vorhergesagt werden deshalb Verluste von bis zu 100.000 direkt betroffenen Arbeitsplätzen und ein Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in Deutschland von 0,6 Prozentpunkten im Jahr 2029.

Eine Frau arbeitet an einem Auto am Fließband
Für die deutsche Wirtschaft ist die Autoindustrie eine SchlüsselbrancheBild: Stephan Goerlich/dpa/picture alliance

Project Manager Schneeberger weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Stellenwert der Automobilindustrie in Deutschland größer sei als etwa in den europäischen Nachbarländern. "Er liegt hier bei knapp fünf Prozent des BIP, womit der Rückgang die deutsche Volkswirtschaft besonders betreffen wird. Außerdem geht der Wettbewerbsvorteil der deutschen Autohersteller und Zulieferer zurück, der vor allem am Verbrennungsmotor festzumachen war."

Auch Amerika soll elektrisch fahren

Doch das ist fast schon Schnee von gestern. Denn neben der Digitalisierung gehört der Ausbau alternativer Antriebe zu den Megatrends der Automobilbranche. In den USA zeichnet sich dabei das Ende des Verbrennungsmotors zwar bisher noch langsamer ab als in Europa oder China. Zum Vergleich: Derzeit sind gut 14 Prozent der Neuzulassungen in Deutschland reine Elektrofahrzeuge, im größten Elektroautomarkt China sind es 21 Prozent, in den USA dagegen weniger als sechs Prozent.

Tesla-Werk in Fremont
Elektroautohersteller Tesla muss die USA noch in der Fläche erobernBild: Ben Margot/AP/picture alliance

In nächster Zeit könnte sich das dramatisch ändern. "Die Zeiten, in denen E-Fahrzeuge ein auf die Westküste der USA beschränktes Phänomen waren, sind vorbei", erklärt Henning Ludes, US-Automarkt-Experte und Partner bei Berylls Strategy Advisors, gegenüber der DW.

Laut Ludes, der an einer entsprechenden Analyse mitgearbeitet hat, stünden die USA mit Europa bereits in direktem Konkurrenzkampf um Platz zwei als weltweit wichtigste Märkte für Elektroautos hinter China. Der Absatz solcher Fahrzeuge werde in den USA 2030 voraussichtlich bei mehr als sechs Millionen Einheiten pro Jahr liegen, was einem Marktanteil von etwa 40 Prozent entspreche. "Die jüngsten Ankündigungen des U.S. Department of Energy zur Verschärfung der Kraftstoffverbrauchswerte sowie die Ankündigung der U.S. Environmental Protection Agency (EPA) zur Begrenzung des CO2-Ausstoßes könnten den Marktanteil von Elektroautos in den USA bis 2030 sogar noch weiter Richtung 60 Prozent katapultieren", sagt Ludes.

Ford F-150 mit offener Motorhaube an einem Messestand
Der beliebte F-150 Pickup-Truck von Ford fährt seit einiger Zeit auch elektrischBild: Terrence Antonio James/Chicago Tribune/picture alliance

Pickup-Truck ist das meistverkaufte Auto im US-Markt

Kernherausforderung für deutsche Firmen  werde es sein, die spezifischen Bedürfnisse der wenig mit Elektromobilität vertrauten US-Kunden zu verstehen. Dazu gehörten spezielle Fahrzeugmodelle. "Anders als in Europa werden SUVs und Pickup-Trucks mehr als 75 Prozent des Marktes für reine Elektroautos ausmachen", so Ludes. "Der F-150 Pickup-Truck von Ford ist weiterhin das meistverkaufte Fahrzeug auf dem US-Markt".