Südafrikas "Eiserne Lady"
23. November 2016"Eiserne Lady im Kampf gegen Korruption", taufte sie die Organisation Transparency International. Als "Populistin", "CIA-Agentin" oder gar "die Frau mit der dicken hässlichen Nase" beschimpften sie dagegen ihre Feinde aus dem Regierungslager. Auch Morddrohungen bekam Thulisile Madonsela schon. Sieben Jahre lang war sie Südafrikas "Public Protector" - ein Amt, das auf dem Kontinent einzigartig ist und das man am ehesten noch mit "Ombudsfrau des Volkes" übersetzen kann. Als Präsident Jacob Zuma sie 2009 ernannte, gab er Madonsela mit auf den Weg, sie möge sicherstellen, "dass ihr Büro dem einfachen Bürger offen steht, und dass sie ihre Arbeit vorurteilsfrei und ohne Angst verrichtet".
Wortgetreu und prinzipienfest trat Madonsela den neuen Job an und stellte bald fest, wie tief korrumpiert Präsident Zuma selber war. Leise, aber unnachgiebig machte sie öffentlich, wie Zuma sein Amt missbrauchte, um mit Steuermillionen sein Privatanwesen in Nkandla zu sanieren. Ihre letzte Amtshandlung war der Abschluss des sogenannten "State Capture Reports". Er dokumentiert, wie systematisch die südafrikanisch-indische Industriellenfamilie Gupta unter Mithilfe Zumas die Politik des Landes unterwanderte. Auch hier gab sie nicht nach, bis Zuma sich persönlich ihren bohrenden Fragen stellte. Das Interview offenbart nicht nur Madonselas Unerschrockenheit, sondern auch einen entrückten Präsidenten, der längst keine Erklärungen mehr hat für sein Versagen, sondern sich nur noch hinter Staranwälten und ihren juristischen Winkelzügen versteckt.
In Südafrika geschätzt und geliebt
Im Oktober endete turnusmäßig Madonselas Amtszeit. Viele Südafrikaner wünschen ihr jetzt eine größere Rolle in der Politik. Sie solle Präsidentin werde, sagt etwa die weiße Unternehmerin Kim Day aus Kapstadt. Die schwarze Händlerin Mary Sonopy findet, dass "Thuli", wie sie alle nennen, eine "wahrhaftige Frau sei", die ihr Äußerstes getan habe, um Südafrikas "dunkle Geheimnisse" zu lüften. Und Trevor Tutu, der Sohn von Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu meint: "Sie ist einfach wunderbar und verkörpert alles, was ein Mensch in Südafrika erreichen kann - wir alle sollten ihr nacheifern."
In die Wiege gelegt war der 54-Jährigen das nicht. Sie wuchs in einfachen Verhältnissen auf, in einem sogenannten Streichholzschachtel-Haus im Johannesburger Stadtteil Soweto, wie es das Apartheid-Regime für Hunderttausende vorgesehen hatte. Eines aber unterschied sie von anderen: ihr Ehrgeiz, ihr unbestechlicher Wille, wie sich ihr Bruder Musa Madonsela im Gespräch mit der DW erinnert. "Mein Vater war sehr bestimmend. Wenn er eine Ansage machte und meinte A, dann wurde A auch gemacht", sagt er mit einem Schmunzeln im Gesicht. "Zu unserer großen Verwunderung machte er aber bei Thuli immer wieder Ausnahmen. Ihr ließ er alles durchgehen, weil sie einfach so einen starken Willen hatte."
Vorbild: Nelson Mandela
Der Schüleraufstand von Soweto am 16. Juni 1976 prägte Thuli Madonsela. Die Massenproteste damals waren die Initialzündung für den Widerstand gegen das weiße Rassenregime. Die Nobelpreisträger Desmond Tutu und Nelson Mandela wohnten ganz in ihrer Nähe und waren ihre Idole. "Nelson Mandela schaffte es, die Ungerechtigkeit, die ihm selbst widerfahren war, in eine gesellschaftliche Gerechtigkeit für alle zu wenden", sagt Madonsela. "Diesem Geist ist unsere gesamte Verfassung entsprungen: dem Geist von Menschen, die selbst soziales Unrecht erlitten haben und überzeugt waren, etwas dagegen tun zu müssen."
Früh verlor Madonsela ihren Mann, zog ihre beiden Kinder alleine groß. Noch im Exil legte die ANC-Genossin ihr erstes Jura-Examen ab, seit 1990 ist sie Volljuristin. Nach der ersten freien Wahl 1994 schrieb sie unter Mandela an der ersten demokratischen Verfassung mit, wurde so zur "Verfassungs-Mutter". Ein Grund mehr, warum sie so hartnäckig den Geist des südafrikanischen Grundgesetzes verteidigt. Die Nelson-Mandela-Stiftung, die das Vermächtnis des Friedensnobelpreisträgers verwaltet, lobt sie dafür in höchsten Tönen. "Sie und ihr Team trugen dazu bei, dass die Verfassung als Oberstes Gesetzeswerk intakt bleibt und niemand, heute wie morgen, über dem Gesetz steht", sagt der Stiftungs-Vorsitzende Professor Njabulo Ndebele der DW.
Anwältin der Mittellosen
Mit ihren 300 Mitarbeitern nahm die Ombudsfrau die Beschwerden einfacher Bürger auf, die sich keinen Anwalt leisten konnten. Knapp 40.000 Eingaben gingen unter Madonsela ein - so viele wie nie zuvor. Immerhin fast 30.000 davon haben sie und ihr Team erfolgreich abgearbeitet. Rentner bekamen ihre Pensionen ausgezahlt, Studenten ihre zugesagten Stipendien, manipulierte Ausschreibungen wurden zurückgezogen - und im prominentesten Fall muss ein skrupelloses Staatsoberhaupt eben mal 13 Millionen Euro in die Staatskasse zurückzahlen. Dass Zuma nach offenem Verfassungsbruch noch immer im Amt ist, wird nun zur Herausforderung für ihre Nachfolgerin Busisiwe Mkhwebane. Ein schweres Erbe.
Laut dem Meinungsforschungsinstitut Yougov ist Thulisile Madonsela die "am meisten verehrte lebende Persönlichkeit" Südafrikas. Das Time Magazine wählte sie schon 2014 zu den 100 einflussreichsten Menschen weltweit. Dennoch steht ein höheres Amt, etwa Verfassungsrichterin oder gar Präsidentin, derzeit noch nicht in ihren Plänen, wie sie der DW verriet. "Ich habe vor, mehr mit einfachen Bürgern ins Gespräch zu kommen. Ihnen zu helfen, sich in der Zivilgesellschaft zu engagieren. Mit ihnen zu arbeiten, damit unsere Verfassung greifbar und lebendig wird - für jeden einzelnen Menschen."
Am Mittwoch ist Thulisile Madonsela in Berlin mit dem Deutschen Afrika-Preis geehrt worden. Mit dieser Auszeichnung würdigt die Deutsche Afrika-Stiftung jedes Jahr herausragende Persönlichkeiten, die sich für Frieden, Demokratie, Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung in Afrika einsetzen.
Unser Autor Claus Stäcker ist Leiter der Afrika-Redaktionen der DW und sitzt in der Jury, die den Deutschen Afrika-Preis vergibt.