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Australiens scharfer Anti-Terrorkampf

Sven Pöhle / Jack Fisher, Sydney15. Dezember 2014

Die Armee beteiligt sich seit Wochen am Kampf gegen den Islamischen Staat. Auch deswegen befürchtete die Regierung schon lange vor dem Geiseldrama von Sydney einen Terroranschlag - und ergriff deswegen harte Maßnahmen.

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Polizisten stehen nach dem Ende der Geiselnahme in Sydney zusammen (Foto: REUTERS/Jason Reed)
Bild: Reuters/J. Reed

Über Stunden mussten die Geiseln in der australischen Metropole Sydney mit dem Schlimmsten rechnen. Seit dem Morgen hatte ein Bewaffneter etwa 20 Menschen in einem Café auf dem zentralen Martin Place in Schach gehalten. Australischen Medien zufolge handelte es sich um einen 49-Jährigen, der als iranischer Flüchtling ins Land kam. Er zwang Geiseln, eine schwarze Fahne mit muslimischem Glaubensbekenntnis an die Scheibe des Cafés zu pressen. Mit der Erstürmung durch die Polizei endete das Geiseldrama blutig - für den Geiselnehmer und mindestens zwei weitere Personen; mindestens vier weitere Menschen sollen verletzt worden sein.

Hohe Terroralarmstufe, scharfe Gesetze und die Medien

Die Geiselnahme ist der Höhepunkt einer monatelangen Phase der Anspannung im Land. Mitte September hatte die australische Regierung ihre Terrorwarnstufe von "mittel" auf "hoch" gesetzt. Es ist die zweithöchste von vier Stufen auf der 2003 im Land eingeführten Skala. Ausgelöst wurden die Sicherheitsbedenken vor allem durch die Angst vor Rückkehrern aus Krisengebieten - etwa 70 Australier kämpfen nach Regierungsangaben auf Seiten von Dschihadisten in Syrien oder im Irak. Zudem fürchten Politiker und Behörden Trittbrettfahrer, die sich von den Konflikten in Syrien und im Irak inspirieren lassen und Anschläge verüben könnten.

Trittbrettfahrer? Der mutmaßliche Geiselnehmer von Sydney, Man Haron Monis (Foto: EPA/SERGIO DIONISIO)
Der mutmaßliche Geiselnehmer von Sydney, Man Haron MonisBild: picture-alliance/S. Dionisio

Hintergrund der erhöhten Wachsamkeit war unter anderem die Zusage der Regierung von Premierminister Tony Abbot im September, die US-geführte Anti-Terror-Koalition gegen den "Islamischen Staat (IS) zu unterstützen. Die australische Armee beteiligt sich an den Luftschlägen gegen die Terrormiliz und entsandte Soldaten, um die irakische Armee zu beraten.

Im gleichen Monat vereitelte die heimische Polizei nach eigenen Angaben Pläne, einen Passanten auf offener Straße zu entführen, zu köpfen und ein Video davon zu veröffentlichen. Der in Syrien kämpfende Australier Mohammad Ali Baryalei soll einen Anhänger in Sydney direkt mit dem Anschlag beauftragt haben. Es folgte die größte Anti-Terror-Razzia in der australischen Geschichte: In Sydney und in Brisbaine stürmten 800 Sondereinsatzkräfte der Polizei, der Geheimdienste und der Armee zahlreiche Häuser. 15 Menschen wurden vorübergehend festgenommen.

Australische Forensiker tragen bei bei einer Anti-Terror-Razzia in Sydney Beweismittel aus einem Haus (Foto: SAEED KHAN/AFP/Getty Images)
Im September gab es in Sydney und anderen Städten einen massiven Anti-Terror-Einsatz der australischen PolizeiBild: AFP/Getty Images/S. Khan

Aus Angst vor Terroranschlägen hatte die Regierung in Canberra in der Folge neue Gesetze auf den Weg gebracht. Reisen in Konfliktgebiete wurden unter Strafe gestellt und die Pässe von 70 Verdächtigen eingezogen, um sie an der Ausreise zu hindern. Die Macht von Polizei und Geheimdiensten wurde deutlich erweitert. Der australische Geheimdienst ASIO wird bei sogenannten "verdeckten Spezialeinsätzen" selbst im Falle eines Fehlschlags nicht zur Rechenschaft gezogen. Darüber hinaus darf ASIO Personen eine Woche festhalten und verhören, selbst wenn diese nicht unter Verdacht stehen.

Eingebettet wurde das, was inzwischen als eine der schärfsten Anti-Terror-Gesetzgebungen in der westlichen Welt gilt, in eine stellenweise tendenziöse Berichterstattung vieler australischen Medien zum Thema Terror. Teilweise wurden die rund 500.000 im Land lebenden Muslime unter Generalverdacht gestellt.

Islamische Gemeinde in Sorge

Auch vor diesem Hintergrund befürchtet der Terrorismusexperte Nick O´Brien von der australischen Charles Sturt Universität, dass es durch das Geiseldrama in Sydney nun zu Angriffen auf Mitglieder der islamischen Gemeinde kommen könnte: "Im schlimmsten Fall besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es zu Vergeltungsschlägen kommt."

Die islamische Gemeinde reagierte schockiert auf die Nachricht, dass der Geiselnehmer ein islamisches Glaubensbekenntnis an einem der Fenster des Cafés zeigen ließ. Führende Vertreter der islamischen Gemeinde verurteilten die Tat. Der australische Großmufti Ibrahim Abu Mohamed bot den Opfern der Geiselnahme sowie den Behörden in einem Statement jede mögliche Unterstützung an und betonte, der Islam lehne derartige Taten vollends ab. Der Arabische Rat Australiens sprach sich - vor der Erstürmung des Cafés - für eine harte Bestrafung des Täters aus.

Mehr als 40 islamische Gruppen verurteilten die Tat in einem Statement und organisierten Nachtwachen vor großen Moscheen in ganz Australien.

Solidarität mit australischen Muslimen

Tausende Internetnutzer solidarisierten sich vor dem Hintergrund der Geiselnahme mit Muslimen in Australien. Unter dem Hashtag #Illridewithyou (Ich fahr mit Dir) versprachen Sie, Muslimen beizustehen, sollten sie sich in öffentlichen Verkehrsmitteln wegen ihrer als religiös erkennbaren Kleidung nicht sicher fühlen. Nach wenigen Stunden gab es bereits zehntausende Twitter-Meldungen mit diesem Hashtag.

Der australische Anti-Diskriminierungsbeauftragte Tim Soutphommasane lobte die Initiative gegen Islamophobie. "Furcht, Hass und Spaltung" dürften nicht triumphieren, erklärte er. Islamfeindliche Gruppen hatten zuvor die Geiselnahme genutzt, um im Internet gegen Muslime zu hetzen.