Ausstellung: Wim Wenders' Sofortbilder
Der Filmregisseur Wenders ist auch ein anerkannter Fotograf und begeisterte sich früh für die Polaroid-Kamera. Eine Ausstellung bei C/O Berlin zeigt, dass seine Schnellschüsse mehr als nur autobiographischen Wert haben.
Selfie mit nostalgischem Wert
Von den späten 1960ern bis in die frühen 1980er Jahre machte Wenders um die 12.000 Sofortbilder. Die meisten verschenkte er. Die übrigen 3.500 Polaroid-Fotos lagerten jahrzehntelang in alten Zigarrenkisten. Damals war die Polaroid-Kamera klobig und die Motive waren schwer zu fokussieren. Dafür musste man die Fotos nicht zur Entwicklung weggeben. Sie entwickelten sich selbst - wie von Zauberhand.
Eine längst vergessene Welt
Wer sich an das Amerika der 1970er Jahre erinnert, erkennt durch diese Schnappschüsse eine Welt, die für immer verschwunden zu sein scheint. Die Bilder dokumentieren eine Zeit, so der 72-jährige Filmemacher, "als es keine Traurigkeit, keine Wut, nur schiere Unschuld gab".
Gesunde Erinnerungen
Da er sich meist nur wenig Gedanken über die Qualität machte, wirken Wenders' Polaroid-Bilder umso unverfälschter. "Wenn ich ernsthaft ein Bild von etwas machen wollte, hätte ich es nicht mit einem Polaroid gemacht", sagt er. Dafür konnte man ohne großen Aufwand flüchtige Erlebnisse im Bild festhalten.
Annie Leibovitz
1973 lernte Wenders zufällig eine "große, schlanke Frau" in einem New Yorker Nachtclub kennen. Sie erkannte, dass er einsam war und lud ihn ein, sie in San Francisco zu kontaktieren. Eine Woche später machte er das auch. So begann die Freundschaft mit der jungen Musikfotografin Annie Leibovitz, die ihn anschließend auf einer Roadtour nach Los Angeles mitnahm.
Widerborstiges Fotomotiv
Vielleicht wird jeder ältere Mensch irgendwann melancholisch, wenn er an seine Jugend zurückdenkt. Bei Wenders sind es die 1970er und 1980er Jahre. "Ich glaube, es ist nicht allzu romantisch, wenn ich sage, dass Polaroids der letzte Ausdruck einer Zeit waren, in der wir noch Gewissheiten hatten," sagt er. "Nicht nur in Form von Bildern. Wir waren damals einfach zuversichtlich über die Dinge."
Vor John Lennons Haus
Als die Nachricht von John Lennons Ermordung kam, fuhr Wenders gerade mit dem Auto durch Los Angeles. "Ich hielt an und weinte, bis die Tränen nicht mehr kamen", sagte er später. Dann nahm er die nächste Maschine nach New York und wohnte einer stillen Versammlung bei. "Tausende Menschen dachten: Wir haben alle unerwartet etwas Wesentliches verloren. Bei mir war es die Kindheit, die Jugend."
Dennis Hopper
Im Wenders-Film "Der amerikanische Freund" macht der 2010 verstorbene Schauspieler Dennis Hopper wiederholt Schnappschüsse von sich selbst mit einem Polaroid. Hopper war selbst anerkannter Fotograf. Haben sich die beiden darüber ausgetauscht? "Eigentlich nicht", sagt Wenders. "Wir haben einen Film gemacht, in dem seine Figur viel über Fotografie redet. Aber für ihn gehörte das zur Vergangenheit."
Am Ende der Welt
In den 1980er Jahren startete Wim Wenders sein Projekt "Bilder der Erdoberfläche". Er reiste um den Globus und hielt Motive aus Ländern wie Australien, Kuba, Israel, Japan und den USA fest. Dazu gehören viele ruhige, einsame Landschaften und Szenen: eine Wüste, ein verlassener Hotelempfang oder, wie hier, ein Ortsausgangsschild.
Nostalgie garantiert
So wie Vinyl-Schallplatten gibt es heute wieder Polaroid-Fotokameras - für Menschen, die den Charme dieser alten analogen Technik schätzen. Dazu gehören die Minuten der Spannung, bis das Bild fertig ist. Die unpräzisen Farben fallen je nach Filmtyp oder Temperatur unterschiedlich aus. Durch die sanften Übergänge und unscharfen Linien scheinen die Bilder in Nostalgie gehüllt zu sein.
Nachweis der Vergänglichkeit
Wenders verglich die Fotografie einmal mit "beobachten, wie der Tod seinen Verlauf nimmt" - denn die Bildinhalte werden sich unausweichlich verändern, verblassen oder eines Tages überhaupt aufhören zu existieren. So wie, vielleicht, die Erinnerungen selbst...