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Boris Johnson: Ausschuss stellt verheerendes Zeugnis aus

15. Juni 2023

Boris Johnson, der frühere britische Premierminister hat das Parlament immer wieder bewusst getäuscht. Zu diesem Ergebnis kommt ein Untersuchungsausschuss des Unterhauses. Ist seine politische Karriere damit beendet?

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Der britische Ex-Premierminister Boris Johnson
Stark unter Druck geraten: Ex-Premier Boris JohnsonBild: Tayfun Salci/ZUMA Press Wire/picture alliance

Der britische Ex-Premierminister Boris Johnson hat nach Erkenntnissen eines Parlamentsausschusses die Abgeordneten des Unterhauses hinsichtlich der Partys an seinem Amtssitz während des Coronavirus-Lockdowns belogen. Der vor knapp einem Jahr aus dem Amt geschiedene Johnson hatte mehrfach im Parlament angegeben, es habe keine illegalen Lockdown-Partys während der Pandemie in seinem Regierungssitz gegeben. Als das nicht mehr zu halten war, stritt er ab, davon Kenntnis gehabt zu haben oder selbst dabei gewesen zu sein. Alles stellte sich als falsch heraus.

Johnson sagte später, er habe stets nur den Stand seiner Kenntnis wiedergegeben. Doch das nahm ihm der Ausschuss nicht ab. "(...)wir ziehen den Schluss, dass Mr. Johnsons Verhalten vorsätzlich war und dass er sich der schweren Missachtung des Parlaments schuldig gemacht hat", heißt es in dem 106 Seiten starken Bericht, der an diesem Donnerstag veröffentlicht wurde.

Dem Bericht zufolge wäre Johnson wegen seines Verhaltens für 90 Tage als Abgeordneter suspendiert worden - hätte er nicht vergangene Woche sein Mandat als Abgeordneter des Unterhauses niedergelegt. Weil er der Regierungschef gewesen sei, sei Johnsons Verhalten "umso schlimmer gewesen", erklärten die Ausschussmitglieder. Es gebe "keinen Präzedenzfall dafür", dass ein Premierminister das Unterhaus absichtlich in die Irre geführt habe, hieß es weiter. In dem Bericht fordern die sieben Ausschussmitglieder zudem, dass Johnson seinen Zugang zum Parlament verlieren solle, der ehemaligen britischen Regierungschefs normalerweise zusteht. Die Mehrheit der Ausschussmitglieder gehört Johnsons konservativer Tory-Partei an.

Herz der Demokratie getroffen

Der siebenköpfige Ausschuss machte in dem Bericht deutlich, dass es ums Prinzip geht. "Diese Untersuchung trifft ins Herz unserer Demokratie. Das Unterhaus irrezuführen ist kein Formfehler, sondern eine Angelegenheit von großer Bedeutung", hieß es darin. Die britische Demokratie hänge davon ab, dass Abgeordnete sich darauf verlassen könnten, dass Regierungsmitglieder ihnen die Wahrheit sagten, so der Bericht.

UK Fragen an den Premierminister | Boris Johnson
Im Unterhaus musste sich Boris Johnson häufig unangenehmen Fragen nach seinem Verhalten stellen (Archivbild)Bild: House Of Commons/dpa/picture alliance

Johnson hatte vorige Woche die gegen ihn geführten Untersuchungen als "Schauprozess" bezeichnet. Vor einem Jahr war Johnson nach einer Reihe von Skandalen, darunter unerlaubte Partys während des Corona-Lockdowns am Regierungssitz, als Premierminister des Vereinigten Königreichs zurückgetreten. Über Monate hinweg hatten Medienberichte über Treffen, bei denen viel Alkohol getrunken wurde - auch am Vorabend der Beisetzung von Prinz Philip, dem Ehemann von Queen Elizabeth II., sowie unter strikten COVID-19-Regeln -, zu öffentlicher Empörung geführt.

Weder Bedauern noch Reue

Auch nach der Veröffentlichung des Berichts zeigte der 58-jährige Johnson keine Reue. Er reagierte verärgert auf den Bericht und stritt ab, unaufrichtig gewesen zu sein. Die 14 Monate dauernde Untersuchung gegen ihn nannte er eine "Farce". In einer länglichen Mitteilung warf er dem Parlamentsausschuss Voreingenommenheit vor und behauptete, das Ergebnis der Untersuchung sei politisch motiviert, um ihn loszuwerden. Die Feststellung, er habe das Unterhaus absichtlich in die Irre geführt, sei "Müll", schrieb er und fügte hinzu: "Das ist eine Lüge." Die Entscheidung bedeute einen "schrecklichen Tag für Abgeordnete und für die Demokratie." Zudem bezeichnete der konservative Politiker die Arbeit des Ausschusses als "undemokratisch" und den Bericht als "politischen Mord".

Die stellvertretende Vorsitzende der oppositionellen Labourpartei, Angela Rayner, verglich Johnsons Reaktion mit einem "Kleinkind, das seine Spielzeuge aus dem Kinderwagen schmeißt, weil es erwischt wurde und ihm das nicht gefällt".

Noch mehr illegale Feiern

Johnsons Ansehen bei den Angehörigen von Menschen, die in der Corona-Pandemie ums Leben kamen, dürfte durch den Report erneut sinken. Wie dem Bericht zu entnehmen ist, fanden im Regierungssitz während der Pandemie weitere, bisher nicht bekannte illegale Feiern statt. Der anonymen Zeugenaussage eines Regierungsinsiders zufolge war die Downing Street damals wie eine "Oase der Normalität" mit Geburtstagspartys, Abschiedsfesten und regelmäßigen Weinabenden an Freitagen. Das geschah teilweise zu Zeiten, als die Menschen in Großbritannien nicht einmal von ihren sterbenden Angehörigen Abschied nehmen durften und selbst Trauerfeiern auf wenige Teilnehmer beschränkt waren.

Der lange erwartete Bericht fiel kritischer aus als erwartet. Dazu trug auch Johnsons Verhalten im Laufe des Untersuchungsverfahrens bei. Johnson habe zu einer "Kampagne der Schmähungen und versuchten Einschüchterung des Ausschusses" beigetragen, hieß es. Johnson, einer der vehementesten Brexit-Befürworter, hatte die Konservativen bei der Parlamentswahl 2019 geführt. Über die Annahme des Berichts durch das Parlament soll am Montag abgestimmt werden – das ist Johnsons 59. Geburtstag.

kle/sti (afp, dpa, rtre)