Ausnahmekomponist Wolfgang Rihm ist tot
27. Juli 2024Wie seine Ehefrau bestätigte, starb Wolfgang Rihm in der Nacht zu Samstag in Ettlingen bei Karlsruhe. Kulturstaatsministerin Claudia Roth sagte, Rihm habe von Widerständen und Kritik unbeeindruckt eine eigene Ästhetik entwickelt und über Jahrzehnte hinweg ein ebenso umfangreiches wie vielseitiges Werk geschaffen. "Wir verlieren eine wahre Institution der Musikwelt. Seine Werke werden bleiben", so die Grünen-Politikerin.
In ganz Europa populär
Der gebürtige Karlsruher zählte zu den meistgespielten zeitgenössischen Komponisten Europas. Er hinterlässt ein Universum von weit mehr als 500 Werken, darunter Opern und große Orchesterwerke, Kammermusik, Musiktheater- und Vokalstücke.
Erste Kompositionsversuche machte Rihm bereits im Alter von elf Jahren. Später studierte er, noch als Schüler, Komposition an der Karlsruher Hochschule für Musik (HfM) bei Eugen Werner Velte und setzte sich intensiv mit der Musik Arnold Schönbergs und Anton Weberns auseinander. Er ging nach Köln, um bei Karlheinz Stockhausen zu lernen. 1985 wurde er Nachfolger seines einstigen Lehrers Velte als Professor für Komposition an der HfM.
Donaueschingen bringt ihn auf die Erfolgsspur
Seinen Durchbruch feierte Rihm 1974 auf den Donaueschinger Musiktagen mit der Uraufführung des Orchesterstückes "Morphonie". Zu seinen bedeutendsten Schöpfungen zählen Werke seines Orchesterrepertoires sowie die Opern "Die Eroberung von Mexico", "Dionysos", "Jakob Lenz", "Proserpina", "Das Gehege", ebenso "Die Hamletmaschine", eine Komposition, die auf ein Theaterstück des deutschen Dramatikers Heiner Müller zurückgeht.
Rihm war auch bekannt für sein kulturpolitisches Engagement. Er war Präsidiumsmitglied des Deutschen Komponistenverbands, des Deutschen Musikrats, Kuratoriumsmitglied der Heinrich-Strobel-Stiftung und Mitglied des GEMA-Aufsichtsrates. Bis zuletzt war er als Künstlerischer Leiter in die Planungen des Lucerne Festivals eingebunden. "Wolfgang Rihm wird uns als Schöpfer von musikalischen Werken mit unzähligen Bedeutungsebenen in Erinnerung bleiben", würdigte ihn Astrid Koblanck, die Vorstandsvorsitzende der Universal Edition. Mit Rihm verliere nicht nur der Musikverlag, sondern die gesamte zeitgenössische Musikwelt eine wichtige Schlüsselfigur.
Ehrungen und Preise in Fülle
Zu den zahlreichen Ehrungen, die Rihm im Laufe seines Lebens erhielt, gehörten der Ernst-von-Siemens-Musikpreis (2003), der Orden Pour le Mérite für Wissenschaft und Künste (2012) und der französische Orden Ordre des Arts et des Lettres (Commandeur, 2013). Die Berliner Philharmoniker wollen Rihm und seine Werke mit einer sogenannten Composer-in-Residency in der bevorstehenden Saison 2024/2025 ehren.
Auch die deutschsprachige Presse hatte Rihm in den vergangenen Jahren immer wieder gewürdigt. Von der "Süddeutschen Zeitung" wurde er als "seismografisch-unruhigster deutscher Komponist klassischer Musik" bezeichnet, in der "Neuen Zürcher Zeitung" attestierte ihm die Musikwissenschaftlerin Nike Wagner, eine Urenkelin Richard Wagners, einen "unverwechselbaren Personalstil". In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hieß es: "Rihm schockiert sein Publikum nicht durch Traditionszertrümmerung", er dehne "Grenzen lieber kunstvoll aus, anstatt sie zu durchbrechen".
haz/jj (dpa, kna, munzinger)