Ausbildung auf "Gorch Fock" vorerst ausgesetzt
19. November 2010Nach dem tragischen Tod einer 25-jährigen Offiziersanwärterin im brasilianischen Salvador de Bahia hat sich das Marineamt in Rostock entschieden, die Ausbildung an Bord des Segelschulschiffs "Gorch Fock" vorerst auszusetzen. Mit dieser Entscheidung nehme die Marine auch Rücksicht auf die seelische Verfassung einiger Soldaten nach dem Unfall, sagte ein Sprecher des Presse- und Informationszentrums Marine in Glücksburg am Freitag (19.11.2010) der Deutschen Welle. Die Frau war aus der Takelage des Dreimasters auf das Deck gestürzt.
Das Segelschulschiff "Gorch Fock" ist nicht irgendein Schiff, es ist das Symbol der Marine und wird weltweit als Friedensbotschafterin wahrgenommen, nicht als Kriegsschiff.
Kein Einzelfall
Bereits in der Vergangenheit hatte es auf der "Gorch Fock" Unfälle mit Todesopfern gegeben. Im September 2008 ertrank eine 18-Jährige in der Nordsee, nachdem sie während ihres Wachdienstes über Bord gefallen war. 2002 starb ein 19-Jähriger nach einem Sturz aus der Takelage. 1998 fiel ein ebenfalls 19-Jähriger aus dem Großmast aus zwölf Metern Höhe auf die Planken. Diese Todesfälle haben damals nicht zu einer Aussetzung der Ausbildung geführt.
Der aktuelle Fall sei jedoch anders gelagert, sagte der Sprecher des Flottenkommandos, Uwe Rossmeisl. Da sich die Segelcrew am Anfang ihrer Ausbildung befinde, sei es nicht möglich, diese direkt nach dem Unfall fortzusetzen. Die Offiziersanwärter hätten am 2. November mit ihrer Ausbildung begonnen, das Unglück ereignete sich am 7. November. Mit der aktuellen Strukturreform der Bundeswehr habe die Entscheidung nichts zu tun, sagte Rossmeisl. Die Entscheidung fiel nach Angaben des Marine-Sprechers aus Rücksicht auf die Familie der jungen Kadettin und die übrigen Offiziersanwärter.
Die Aussetzung als Konsequenz des Spardiktats?
Der SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels sieht die Gründe für die Entscheidung, die Ausbildung fürs Erste abzubrechen, woanders. Dahinter stecke möglicherweise das "Spardiktat" von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, sagte Bartels dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
Er warnte davor, den jüngsten tödlichen Unfall auf der "Gorch Fock" zum Anlass zu nehmen, das Schiff aus Kostengründen stillzulegen." Die "Gorck Fock" sei "nicht nur ein traditionelles Aushängeschild der Marine". Sie stehe auch für den "Anspruch einer umfassenden Ausbildung, die über das hinausgeht, was man an Bord technisierter Schiffe braucht."
"Gorch Fock" nur mit Stammbesatzung auf See
Die "Gorch Fock" soll trotz der Entscheidung weiter eingesetzt werden. Da das Schiff Repräsentationsverpflichtungen und diplomatische Aufträge wahrzunehmen habe, werde nur die 80-köpfige Stammbesatzung weitersegeln, sagte Rossmeisl.
Gerade im Umbruch brauche die Bundeswehr als Organisation mit gesellschaftlicher Verantwortung "Zeichen der Identität", wie es in einem Ende Oktober veröffentlichten Bericht der Bundeswehr-Strukturkommission heißt. Demnach soll trotz der radikalen Strukturreformen neben den Militärkapellen und den Bundeswehr-Sportlern auch die "Gorch Fock" erhalten bleiben.
Ausbildung "mit anderen Mitteln" fortsetzen
Die Segelcrew, die in diesen Tagen von Brasilien zu ihrer Ausbildungsfahrt hätte starten sollen, werde Anfang kommender Woche per Flugzeug nach Deutschland gebracht, berichten Agenturen. Die 73 Lehrgangsteilnehmer werden ihre Ausbildung in der Marineschule bei Flensburg fortsetzen. Über das künftige Ausbildungskonzept ist noch nicht entschieden. Als eine Möglichkeit gilt, die Offiziersanwärter nicht direkt nach ihrer Grundausbildung auf das Traditionsschiff zu schicken. Offen ist auch, ob das Sicherheitskonzept an Bord verändert werden muss. Im September 2011 sollen aber wieder neue Offiziersanwärter auf die "Gorch Fock" gehen, so das Marineamt.
Auf dem berühmten Dreimaster wurden in den vergangenen 52 Jahren mehr als 14.500 Offiziers- und Unteroffiziersanwärter ausgebildet. Das traditionsreiche Schiff war Mitte August zu seiner 156. Ausbildungsreise in internationale Gewässer aufgebrochen.
Autorin: Rayna Breuer (dpa, dapd)
Redaktion: Thomas Grimmer