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KonflikteSyrien

Aufstand in Syrien: "Dieses Regime ist tot"

6. Dezember 2024

Der Vormarsch der Rebellenallianz in Syrien setzt auch den Iran massiv unter Druck. Stürzt dort Präsident Assad, würde auch das Regime in Teheran ins Wanken geraten.

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Syrien: Uniformierter und maskierter Mann mit schwerer Waffe auf der Schulter -  Opposition-Kämpfer in Hama
Rebellen auf dem Vormarsch in SyrienBild: Ghaith Alsayed/AP Photo/picture alliance

Nach Aleppo und Hama stehen syrische Rebellen nun vor den Toren von Homs, der drittgrößten Stadt in Syrien. Ihr erklärtes Ziel sei der Sturz vom Machthaber Baschar al-Assad, sagt Rebellenanführer Abu Mohammed al-Dschulani im Interview mit dem US-Sender CNN. "Dieses Regime ist tot."

Noch am Freitag (06.12.) sagt der Iran seinem Verbündeten Syrien weitere Raketen und Drohnen zu. Die Zahl der militärischen Berater werde erhöht, sagt ein hochrangiger Vertreter des Iran.  Derzeit stelle der Iran Syrien Geheimdienstunterstützung und Satellitendaten zur Verfügung. 

Syrien Bürgerkrieg Iran Außenminister bei al-Assad und Baschar al-Assad
Syriens Präsident Assad (r.) mit dem iranischen Außenminister Abbas Araghchi Anfang Dezember in DamaskusBild: Syrian Presidency Telegram page/dpa/picture alliance

Auch die Hisbollah-Miliz in Libanon hat reagiert. Libanesischen Sicherheitskreisen zufolge schickte sie in der Nacht auf Freitag einige "Überwachungstruppen" in Richtung Homs.

Präsident Assad werde mit Unterstützung der vom Iran unterstützten Streitkräfte und den russischen Luftangriffen wahrscheinlich neue Verwüstungen unter den Rebellen anrichten, so die Befürchtung einer Studie der European Council on Foreigen Relations Anfang Dezember. "Dies ist eine düstere Aussicht. Die humanitäre Krise in Syrien und die regionale Instabilität wird sich verschlimmern."

USA und Israel wollen keine Präsenz des Iran in Syrien

Während die islamistischen Dschihadisten in Syrien weiter auf dem Vormarsch sind, arbeiten die USA nach einem Bericht der New York Times an einem Plan mit Syriens Präsident Assad. Washington wolle mit dem Rückzug der verbliebenen US-Truppen und der Lockerung der Sanktion gegen ein Ende iranischer Präsenz in Syrien tauschen. 

Syrien Palmyra 2024 | 36 Tote und über 50 Verletzte bei israelischem Raketenangriff
Israelische Luftangriffe auf Palmyra in Syrien am 20. November 2024Bild: Xinhua News Agency/picture alliance

Flankiert sei das politische Angebot durch militärische Angriffe. Israels Armee attackiert Syrien seit Langem mit der Luftwaffe. Schon 2011 kämpfte der Iran mit seiner Revolutionsgarde an der Seite des Assad-Regimes im Bürgerkrieg gegen die bewaffnete Armee der syrischen Opposition. Auch Russland und die libanesische Hisbollah gehören zu den Verbündeten Syriens. Die Hisbollah-Miliz wiederum wird vom Iran bewaffnet. 

Der Iran hat dewegen in Damaskus starke Einflüsse. Genau diese strategische Präsenz wolle Tel Aviv verhindern, so eine Studie der International Crisis Group. Israels primäres Interesse in Syrien sei es, dort eine strategische iranische Militärpräsenz in zu verhindern, einschließlich des iranischen Aufbaus einer militärischen Infrastruktur und der Ausbildung lokaler Partnermilizen. Es bestehe die Gefahr, "dass eine Eskalationsspirale zu einem offenen Krieg zwischen Israel und dem Iran führt, der auf den Libanon übergreifen könnte."

Islamistische Rebellen gegen Assad-Regime

Syrien als Baustein der iranischen Strategie

"Syrien ist ein ganz wesentlicher Teil der regionalen Sicherheitsstrategie des Iran. Teheran will einen Kreis von engen Verbündeten im sogenannten schiitischen Halbmond aufbauen", sagt Marcus Schneider, Projektleiter "Frieden und Sicherheit im Mittleren Osten-Nordafrika" der Friedrich-Ebert-Stiftung. "Jahrzehntelang war Damaskus Irans einziger enger staatlicher Verbündeter - und das trotz ideologischer Gegensätze." Syrien gilt als säkular, während der Iran ein Gottesstaat ist. 

"Sollte Syrien fallen, verliert Iran auch direkten Zugang zur Hisbollah und somit zum Mittelmeer", sagt Marcus Schneider. Die Hisbollah in Libanon gilt als Irans fähigster militärischer Verbündeter. "Doch mit dem Krieg zwischen Libanon und Israel ist sie extrem geschwächt. Sie wird sich ohne den Korridor zum Irak und Iran, der ja über Syrien führt, militärisch kaum wieder erholen können."

Syrien, die Hisbollah, die Huthi-Miliz in Jemen, die Hamas und der Iran bilden im Nahen Osten die "Achse des Widerstands", eine antiwestliche und antiisraelische Allianz. Würde Syrien fallen, hätte der Iran ein Problem der Glaubwürdigkeit in diesem Bündnis, sagt Politologe Schneider von der Friedrich-Ebert-Stiftung. 

Konflikt mit Israel stürzt Libanon ins Chaos

"Iran wurde geschwächt"

Seit Jahren wurde der Handlungsspielraum des Irans in der Region immer kleiner, sagt Sara Bazoobandi, Iran-Expertin beim Hamburger German Institute for Global and Area Studies. "Die Tötung hochrangiger Kommandeure der iranischen Revolutionsgarden im vergangenen Jahr wie auch die vom General Qasem Soleimani, Kommandeur der Spezialeinheit für Auslandsaktivitäten der Revolutionsgarde 2020 in Bagdad, haben zu einer gewissen Verunsicherung innerhalb der islamischen Regierung geführt. Insbesondere mit Blick auf Israel ist der Iran hinsichtlich seiner militärischen wie auch nachrichtendienstlichen Fähigkeiten äußerst verwundbar geworden."

Erschwerend kommen die Wirtschaftssanktionen durch die westlichen Länder hinzu, so Bazoobandi weiter. Die Aktivitäten rund um Syrien seien bereits jetzt für den Iran sehr teuer. Diese könnten sich unter der US-Präsidentschaft von Donald Trump ab 2025 noch einmal verschärfen.  Deswegen werde der Iran alles in die Waagschale werfen, um das Assad-Regime in Syrien zu verteidigen, sagt Schneider. "Syrien ist für die Islamische Republik kein 'Krieg der Wahl', sondern ein 'Krieg der Notwendigkeit'."
 

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika