Aufseher im Finanz-Dschungel
24. März 2017Es sei gut und richtig, dass "die EZB jetzt die Aufsicht über die großen europäischen Geldhäuser übernimmt", hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gesagt, als zum 4. November 2014 die Europäische Zentralbank (EZB) die großen und systemrelevanten Banken in Europa in den Fokus nahm. "Wir sind jetzt besser gegen Bankenschieflagen gewappnet." Diese Maßnahme, sei "eine gute Nachricht für die Steuerzahler".
Die Bankenaufsicht soll dafür sorgen, dass die Banken keine Risiken eingehen, deren sie im Schadensfall nicht Herr werden könnten. Nicht mehr der Steuerzahler solle einspringen müssen, um (Spekulations) -verluste von Banken im Falle einer drohenden Insolvenz auszugleichen - dazu sollten die Banken selbst in der Lage sein.
Die Chefin der Bankenaufsicht, die Französin Daniele Nouy, hatte das Tags zuvor bei einer Anhörung vor einem EU-Parlamentsausschuss so formuliert: "Wir erwarten, das die Kapitallücken aus privaten Quellen gefüllt werden können."
Früher war alles einfacher
Bis in die 1920-er Jahre hinein gab es überhaupt keine Bankenaufsichtsbehörden. Die Banker selbst hafteten für ihre Geschäfte, die sie mit dem Geld ihrer Kunden gemacht hatten. Dafür hielten sie in der Regel genug Eigenkapital vor, um bei Verlusten, etwa bei misslungenen Spekulationsgeschäften, nicht in die Insolvenz zu rutschen.
Das änderte sich spätestens mit dem New Yorker Börsencrash von 1929, der eine Weltwirtschaftskrise auslöste. In der Folge gab es zunächst in den USA und später auch in Europa Versuche, die Finanzmärkte zu kontrollieren und die Teilnehmer an den großen Börsenspielen in der schon immer globalen Finanzwelt genauer unter die Lupe nehmen zu können.
Umdenken nach der Lehman-Pleite
Die ebenfalls von den USA ausgehende Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008, die in der Pleite der US-Bank Lehman Brothers gipfelte, zeigte aber spätestens, dass alle bis dahin unternommenen Schritte zur Kontrolle und Regulierung der Finanzmärkte und Marktakteure nicht ausreichten. Viele Geldhäuser, in den USA wie auch in Europa, hatten sich verspekuliert: Um zu verhindern, dass weitere Banken Pleite gingen, wurden sie mit Steuergeldern gerettet.
Weltweit kostete das Billionen. Und nicht nur das: Vielen Menschen wurde deutlich, dass Banken die Gewinne, die sie mit ihren Spekulationsgeschäften machten, mit großer Selbstverständlichkeit für sich verbuchten, während ihre Verluste "sozialisiert" wurden: Steuerzahler mussten - und müssen noch immer - für das Versagen dieser Banken einstehen.
Was ist eine große und wichtige Bank?
Um die Widerstandskraft einer Bank im Krisenfall zuverlässig beurteilen zu können, schaut die Bankenaufsicht der EZB großen Banken in die Bücher. Hauptsächlich prüft sie dabei, ob die Geldhäuser die Risiken, die sei eingehen, auch beherrschen können. Dazu beaufsichtigt sie vor allem Institute, die in Ländern der Eurozone beheimatet sind. Sie prüft die Bücher der Institute und führt sogenannte Stresstests durch, um zu sehen, welche Risiken eine Bank tragen kann. Der nächste Stresstest ist für 2018 vorgesehen.
Banken aus Ländern außerhalb der Eurozone können, wenn sie das wollen, sich ebenfalls den Kontrollen unterwerfen, die der SSM durchführt. Dieser SSM (Single Supervisory Mechansim oder Einheitlicher Bankenaufsichtsmechanismus) setzt sich zusammen aus den Kontrolleuren der EZB und den Aufsichtsbehörden der Euro-Länder. Zurzeit werden 120 Banken überwacht, 21 von ihnen kommen aus Deutschland.
Auf jeden Fall gehören zu den beaufsichtigten Banken die jeweils drei größten Institute eines Mitgliedslandes. Außerdem werden Banken kontrolliert, die direkte Hilfen in Form öffentlicher Gelder aus den "Rettungstöpfen" der EU erhalten oder beantragt haben. Als "große" Banken, die ebenfalls der Aufsicht des SSM unterliegen, gelten Geldhäuser, deren Bilanzsumme höher als fünf Milliarden Euro ist und gleichzeitig mehr als 20 Prozent der Wirtschaftskraft ihres jeweiligen Landes ausmacht und alle Banken, deren Bilanzsumme mehr als 30 Milliarden Euro beträgt.
Warnung vor Interessenkonflikten
Die Notwendigkeit einer Bankenaufsicht wird allgemein nicht angezweifelt. Doch an der Konstruktion des SSM scheiden sich die Geister. Vor allem aus Deutschland kommt Kritik. Die Deutschen sehen die EZB am liebsten in der Rolle, die die Bundesbank als "Hüterin der Mark" gespielt hatte. Sie möchten eine Zentralbank haben, die ihre vornehmste Aufgabe in der Wahrung der Währungsstabilität im Euroraum sieht.
Prominentester Kritiker ist der Präsident der Bundesbank, Jens Weidmann, der auch Mitglied des EZB-Rates ist. Weidmann warnt vor einem Interessenkonflikt bei der EZB, die gleichzeitig als Bankenaufseher und Verantwortlicher für die Geldpolitik im Euroraum auftritt. Den Konflikt beschrieb Weidmann in einem Zeitungsinterview bereits im Sommer 2012 so: "Als Geldpolitiker tue sich die Zentralbank möglicherweise schwer, den Leitzins anzuheben, wenn ihr Probleme, die Banken mit dem Zinsanstieg haben könnten, als Aufseher auf die Füße fallen."
Das Ziel: Stärkung der Banken
Zu Beginn ihrer Tätigkeit als oberste europäische Bankenaufseherin hatte Daniele Nouy gesagt, sie sei "zuversichtlich, dass die Banken ihren Bedarf durch interne Maßnahmen und den Zugang zu den Kapitalmärkten decken können". Es ist auch heute, fast drei Jahre später, noch das erklärte Ziel der Bankenaufsicht, das zu gewährleisten.
In ihrer Jahrespressekonferenz am Montag (27.03.2017) wird Frau Nouy gemeinsam mit ihrer Stellvertreterin, der deutschen Bundesbankerin Sabine Lautenschläger, darüber informieren, was die Bankenaufsicht bis heute geschafft hat und wo die Bankenaufsicht noch Schwachstellen sieht, die es auszuräumen gilt.
Denn die Aufsicht muss das Versprechen einlösen, das Wolfgang Schäuble 2014 gegeben hat: Die Einrichtung des SSM sei "eine gute Nachricht für die Steuerzahler". In Zukunft sollen die Banker selbst für die Schäden einstehen, die sie verursacht haben.