Auf engstem Raum: Die Fotos von Michael Wolf
21. Januar 2019Statisch, monoton, kolossal, Himmel und Erde sind nicht darauf abgebildet: Das großformatige Bild von einem Wohnkomplex in Hongkong hängt von der Decke. "Für den Museumsbesucher entsteht dadurch der Eindruck, als befände er sich inmitten dieser riesigen Metropole", sagt der Kurator Ingo Taubhorn.
Die Ausstellung "Michael Wolf - Life in Cities" im Haus der Photographie in den Hamburger Deichtorhallen zeigt bis März Werke vom mehrfach preisgekrönten Fotografen Michael Wolf. Es ist eine Sammlung, die seine Anfänge als Dokumentarfotograf bis hin zu seinen jüngsten, bisher unveröffentlichten Arbeiten vereint.
Themen wie Massenkonsum, Privatsphäre und Bevölkerungsdichte ziehen sich wie ein roter Faden durch sein Œuvre. Sie reflektieren die Lebensbedingungen in Metropolen wie Hongkong, Tokio, Chicago und Paris.
Malerei oder Fotografie?
"Michael Wolf erfindet die Fotografie nicht neu. Er benutzt sie auf eine sehr einfache Art und Weise. Er nähert sich der unmittelbaren Wirklichkeit, er manipuliert nicht, er beobachtet nur. Und dafür hat er ein unglaubliches Gespür, für besondere Situationen", sagt Taubhorn, der von der Serie "Tokyo Compression" am meisten beeindruckt ist: "Michael Wolf hat diese Bilder an einer ganz bestimmten U-Bahn-Station in Tokio gemacht - und die Menschen, die täglich große Distanzen zwischen ihrer Arbeitsstelle und ihrem Zuhause fahren, fotografiert. Diese Bilder sind einerseits verstörend aber auch gleichzeitig irgendwie faszinierend."
Eine andere berühmte Serie von Michael Wolf ist "Architecture of Density", die ebenfalls in Hamburg ausgestellt ist. Darin legt der Fotograf das Augenmerk auf die Architektur von Hongkong, einer der dicht bevölkerten Städte der Welt. "Die Fassaden werden aus einer bestimmten Distanz fotografiert, man sieht dann erst einmal nur Muster, die eine gewisse Art von Ästhetik haben. Der Betrachter hat den Eindruck, dass es sich um Malerei handelt. Man vermutet auch keine Menschen. Aber wenn man näher herangeht, dann kann man den einen oder anderen auf dem Balkon sehen, zum Beispiel beim Aufhängen der Wäsche", erklärt Ingo Taubhorn.
Die Anfänge
Michael Wolf wird 1954 in München geboren, 14 Jahre später hält er zum ersten Mal eine Kamera in der Hand, die ihm seine Eltern zum Geburtstag schenken - und macht sein erstes Foto. Eine Leidenschaft, die ihn bis heute nicht loslässt. Seine Kindheit und Jugend verbringt er in den USA und Kanada. Mit knapp 20 Jahren beginnt er in Essen ein Studium der Fotografie und arbeitet als freischaffender Dokumentarfotograf in Deutschland. Später zieht es ihn nach Hongkong, wo er u.a. als Fotograf für das deutsche Magazin "Stern" arbeitet. Seine Aufenthalte in Metropolen wie Hongkong und Paris werden zur Quelle der Inspiration - eine nüchterne Analyse des Alltäglichen. Die extreme Dichte, Anonymität und Dynamik faszinieren ihn. Doch irgendwann wird ihm die Großstadt selbst zu eng - er zieht sich zurück auf die Insel Cheung Chau, wo er bis heute lebt.
Die Ausstellung "Michael Wolf - Life in Cities" ist bis zum 3. März im Haus der Photographie in Hamburg zu sehen. Die gezeigten Werke erstrecken sich von seinem Abschlussprojekt über das Kohlebergbaudorf Bottrop-Ebel (1976) bis zu seinen neuesten Serien "Paris Rooftops" (2014), "Hong Kong Coat Hangers" (2016-2018), "The Real Toy Story" (2004-2018) und "Cheung Chau Sunrises" (2018).