Auch mit Stevens steht Schalke am Abgrund
20. April 2019Huub Stevens hatte eine Miene aufgesetzt, die nicht deutlicher hätte beschreiben können, wie sich sein Gemütszustand darstellte. Es war ein diabolische Grinsen auf seinem Gesicht sichtbar, das keine Fragen mehr offen ließ. "Ich hoffe, dass hier alle die Augen für die Situation offen haben. Ich meine alle, nicht nur die Spieler", sagte Stevens nach dem 2:5 gegen 1899 Hoffenheim.
Der Abstiegskampf der Schalker ist das einzige Thema, das derzeit in Gelsenkirchen von Belang ist. Und Stevens forderte mit seinem Statement alle auf, mitzuhelfen, dass diese Situation überstanden werden kann. Offenbar würde er sich mehr Unterstützung wünschen. Stevens muss allerdings in erster Linie derjenige sein, der die Rettung des Klubs zu Ende bringen soll. Bislang agiert er mit eher durchwachsenem Erfolg.
Mitte März ging noch ein Aufatmen durch die Schalker Gemeinde. Stevens, der alte Fahrensmann, der Jahrhunderttrainer des Klubs, würde es schon richten war die kollektive Meinung. Mit seiner Erfahrung würde der Niederländer diese schwierige Mannschaft mit so vielen verschiedenen Nationalitäten und Charakteren schon irgendwie zu händeln wissen. Wer sonst außer Stevens? Das war in und rund um Gelsenkirchen zu hören.
Kaum Erfolgserlebnisse
Jetzt, rund fünf Wochen später, sieht die Bilanz des 65 Jahre alten Interimscoaches kaum besser aus als die, die sein Vorgänger Domenico Tedesco übergeben hatte. In sechs Pflichtspielen gelang Stevens mit seinem Team lediglich ein Sieg - ein glücklicher Erfolg bei Abstiegskandidat Hannover 96 (1:0). Beim ebenfalls stark abstiegsgefährdeten 1.FC Nürnberg (1:1) konnten die Schalker einen Punkt - ebenfalls überaus glücklich - entführen. Ansonsten setzte es zumeist hochverdiente Niederlagen. Auch mit Stevens steht Schalke am Abgrund.
Stevens hatte bereits einige Tage, nachdem er erste Eindrücke aus den Trainingseinheiten mit seinem "neuen" Team gewonnen hatte, von seiner "schwersten Aufgabe, seitdem ich Trainer bin" gesprochen. Immerhin mit dieser Einschätzung lag Stevens offenbar richtig. Ansonsten gelingt es auch dem 65-Jährigen nicht, dieser von Ex-Manager Christian Heidel unzureichend und wenig kenntnisreich zusammengestellten Mannschaft eine Linie zu verpassen.
Läuferische Defizite
Stevens versuchte, die Problemfelder zu finden und zu eliminieren. Nabil Bentaleb etwa. Der Mittelfeld- und bis dato Stammspieler bekam die ganze Härte Stevens' zu spüren und ist mittlerweile nur noch Ersatz. Oder Yevhen Konoplyanka. Der Flügelspieler spielt ebenfalls kaum noch eine Rolle. Stattdessen werden von Stevens Spieler aus der U23 eingesetzt. Die Mannschaft wirkt nicht richtig austrainiert und läuferisch den Gegnern unterlegen.
"Wenn es zwischen den Ohren nicht gut sitzt, dann auch nicht in den Beinen", sagte der Fußballlehrer. Stevens will erst gar keinen Verdacht aufkommen lassen, dass er derlei Mängel von Tedesco übernommen hat. Dafür schätzt er den jungen Mann zu sehr. Und doch hat er darunter zu leiden. In der nächsten Woche müssen die Schalker zum Ruhrgebietsderby bei Borussia Dortmund antreten.
In der Verfassung des Hoffenheim-Spiels dürfte den Schalkern eine ähnlich hohe Pleite drohen. Die Schalker können vor allem froh sein, dass die Abstiegskandidaten Nürnberg, Hannover oder der VfB Stuttgart ähnlich desolat auftreten wie die Schalker. Das könnte der große Pluspunkt in einer derzeit aussichtslosen Situation für die Schalker sein.