Auch der Weihnachtsmann kauft bei Amazon
Das Weihnachtsgeschäft läuft an und bei Amazon brummt es. Der Online-Versandhändler liefert immer schneller und immer mehr. Dabei vergrößert er ständig seine Marktmacht, die Zahl der Mitarbeiter und die der Konflikte.
Gelber Turm
In den USA kann Amazon fast die Hälfte der Amerikaner innerhalb einer halben Stunde beliefern. Auch Deutschland ist ein wichtiger Absatzmarkt für den Online-Versandhändler. Wer in Bad Hersfeld (Bundesland Hessen) am gelben Turm durch die Schleusen geht, betritt das Reich von Amazon mit einer Lagerfläche in der Größe von etwa 15 Fußballfeldern.
Erst Bücher, dann alles andere
Neun Logistikzentren gibt es bereits in Deutschland. Daneben plant Amazon drei neue Zentren. In Bad Hersfeld wandeln die sogenannten "Picker" durch die Gänge, um die bestellten Waren herauszusuchen. Angefangen hat der Amazon Gründer Jeff Bezos 1995 mit dem Verkauf von Büchern über das Internet. Heute liefert er fast alles.
Geordnetes Chaos in Bad Hersfeld
In Bad Hersfeld wird nach dem "Chaos-Prinzip" gelagert. Hier ist noch ein Platz frei…?! dann rein mit der Ware. Bücher, Elektronik, Filme, Kleidung, Cloud-Dienste - Amazon versucht sich ständig auf neuen Geschäftsfeldern, etwa Dienstleistungen oder Gebrauchtwagen online zu verkaufen. Neuerdings eröffnet der Konzern auch reale Buchhandlungen und Pop-up-Stores.
Marktmacht wird immer mehr ausgebaut
Nicht jede Bestellung über Amazon führt dazu, dass ein Picker ins Regal greift und die Ware scannt. Denn Amazon besitzt nicht alle Ware selber. Gegen Provision dürfen auch andere Händler die Amazon-Plattform nutzen. Sie setzten in Deutschland 2015 sogar mehr um als Amazon selber. Auch mit ihrer Hilfe wird Amazon immer mehr zum Monopolisten im Online-Handel.
Milliarden-Umsatz in Deutschland
Wie große die Marktmacht ist, zeigen Zahlen des EHI Retail Institute und Statista: Rund 7,8 Milliarden Euro hat Amazon 2015 in Deutschland umgesetzt. Gefolgt im großen Abstand von Otto (2,3 Milliarden Euro) und Zalando (rund eine Milliarde Euro).
Was für Ungeduldige
Immer schneller werden die Kunden beliefert. Anfänglich waren es noch mehrere Werktage - heute bietet Amazon in einigen Städten schon die Lieferung innerhalb von zwei Stunden an. Dafür muss aber kein Mitarbeiter in Bad Hersfeld durch die Regale rennen. Das Geheimnis steckt in einer ausgeklügelten Logistik.
Tarif: Logistik oder Einzelhandel?
Um den Ansturm in der Weihnachtszeit zu bewältigen, sucht Amazon allein in Bad Hersfeld zusätzlich zu der Stammbelegschaft 2000 Saisonarbeiter. Bezahlt wird etwas über 10 Euro Brutto pro Stunde. Zu wenig? Viele meine Ja! Und so wird immer wieder gestreikt. Seit dem Frühjahr 2013 schwelt ein Dauerkonflikt zwischen der Gewerkschaft Verdi und dem Online-Versandhändler Amazon.
Streiks als Teil des Alltags
Verdi fordert eine Bezahlung nach dem Tarif des Einzel- und Versandhandels. Amazon sieht sich aber als Logistikkonzern. Mit den Streiks könne man gut umgehen, meint Standortleiter Norbert Brandau (Foto). Der Kunde bekäme davon nichts mit. Auf die Frage, ob Amazon gar nicht vorhabe, auf die Streikenden einzugehen, antwortet er nur: "Gewerkschaft und Amazon, dass passt einfach nicht zusammen."
Ein Eckchen für Gespräche
Immerhin haben die Mitarbeiter durchgesetzt, dass es seit Juni 2014 in allen deutschen Versandzentren von Amazon Betriebsräte gibt. In Bad Hersfeld gibt es die schon länger. Gespräche führen dürfen sie wie hier in solchen gepolsterten, oben offenen abgetrennten Bereichen der großen Lagerhalle.
Hilfe aus dem Ausland
Streik? Dann wird eben nicht aus Deutschland geliefert. "Amazon ist so aufgestellt, bei streikbedingten Engpässen aus Logistikzentren im benachbarten Ausland liefern zu können", sagt Kai Hudetz vom Kölner Institut für Handelsforschung. Insgesamt gibt es über 31 Logistikstandorte in Europa. Bei Amazon in Polen würden meist nur 3,50 Euro pro Stunde gezahlt, sagt Verdi. Amazon bestreitet das.
Flüchtlinge willkommen
Anders als viele deutsche Konzerne hat Amazon mit seinem Versprechen Ernst gemacht. So arbeiten allein in Bad Hersfeld 300 Flüchtlinge, darunter Ganam Alturky aus Syrien (Foto). Er macht hier seine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik. Wer dem Konzern Böses will, könnte natürlich mutmaßen, dass diese Mitarbeiter sich wohl kaum über Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne beschweren dürften.
Päckchen packen am Fließband
Niedrige Löhne - für die Kunden heißt das im Zweifel: niedrige Preise. Und so schauen die meisten zuerst bei Amazon nach, wenn er etwas online kaufen möchte. Am Spitzenbestelltag des vergangenen Jahres, dem 14. Dezember 2015, wurden bei Amazon.de über 5,4 Millionen Artikel bestellt.
Aus der Verlustzone
So groß die Marktmacht auch ist, Amazon hat lange Verluste oder nur minimale Gewinne ausgewiesen. Wegen der hohen Investitionen, hieß es. In diesem Jahr aber überrascht Amazon mit Rekordgewinnen in den letzten beiden Quartalen. Gut für den Gründer Jeff Bezos (Foto). Er hält rund 17 Prozent der Anteile an Amazon, und ist - nach der Zeitschrift "Forbes" - der drittreichste Mensch der Welt.