Außenpolitik im Wahlkampf
29. August 2021Klima
Die Union aus CDU und bayerischer Schwesterpartei CSU will beim Klimaschutz unbedingt den Industriestandort Deutschland erhalten. Dabei verfolgen auch die Christdemokraten das Ziel, Klimaneutralität "deutlich vor Mitte des Jahrhunderts"zu erreichen Dabei setzt sie auf "innovative Technologien und wirtschaftliche Investitionen". CSU-Chef Markus Söder ist allerdings im Gegensatz zum CDU-Vorsitzenden und Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet für einen Kohleausstieg schon 2030 und nicht, wie vereinbart, erst 2038.
Die SPD strebt Klimaneutralität in Deutschland bis 2045 an. Strom soll bis 2040 nur noch regenerativ erzeugt werden. Alle öffentlichen Gebäude sollen in Zukunft Photovoltaikanlagen haben. Deutschland soll führend bei der Wasserstofftechnik werden.
Die Grünen wollen das Land schon 2030 in die Klimaneutralität führen. Das Umweltministerium soll künftig ein Vetorecht haben und dann alle Gesetzesvorhaben stoppen können, die nicht konform mit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 sind. Den CO2-Ausstoß will die Partei über das europäische Emissionshandelssystem drastisch verteuern.
Für die FDP kommt es auch beim Klimaschutz vor allem auf Markt und Wettbewerb an. Vom Gesetzgeber vorgeschriebene Technologien wie Elektroautos lehnen die Liberalen ab. Auch die FDP will den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen vor allem mit dem Mittel des CO2-Handels drücken.
Die AfD zweifelt grundsätzlich an einem menschengemachten Klimawandel. Sie will das Pariser Klimaschutzabkommen kündigen. Strom soll nach ihrem Willen weiter aus Stein- und Braunkohle gewonnen, Kernkraftwerke sollen weiter betrieben werden.
Die Linke ist für einen "sozialökologischen Systemwechsel", denn die Umweltzerstörung sei von den "sozialen Verhältnissen im Kapitalismus" nicht zu trennen. Die Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs soll möglichst gratis sein. Energieversorgungsunternehmen sollen in öffentlicher Hand und dem Gemeinwohl verpflichtet sein.
Migration
Die CDU unter Angela Merkel war spätestens seit 2015 eine für die Parteigeschichte erstaunlich migrationsfreundliche Partei. Das Wahlprogramm klingt defensiver. Migration soll danach unbedingt geordnet und nach klaren Regeln stattfinden. "Eine Zuwanderung in die Sozialsysteme lehnen wir ab." Straftäter will die Union konsequent abschieben. Andererseits sollen Menschen mit Migrationsgeschichte alle Teilhabemöglichkeiten haben, wenn sie "unsere Werte teilen, sich an unsere Gesetze halten und unsere Sprache sprechen".
Die SPD gibt sich großzügiger. Sie ist zum Beispiel für eine erleichterte Mehrstaatlichkeit. Familiennachzug würde die SPD wieder ausweiten. So sollen etwa Geschwister zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen nachziehen dürfen.
Die Grünen sehen Deutschland als "vielfältige Einwanderungsgesellschaft". Sie fordern ein Einwanderungsgesetz mit neuen Zugangswegen für Arbeits- und Bildungsmigration. Betriebe, die Geflüchtete ausbilden oder beschäftigen, sollen gefördert werden.
Die Liberalen sehen Deutschland ebenfalls als Einwanderungsland, wollen aber mehr als andere Parteien auf deutsche Wirtschaftsinteressen achten. Parteichef Christian Lindner sagte im Juli im "Münchener Merkur": "Wir brauchen die fleißigen Hände und klugen Köpfe von Zuwanderern, die wir uns aussuchen." Dazu plant die FDP ein Einwanderungsgesetz mit Kriterien wie Bildungsstand, Sprachkenntnisse und Fachkräftebedarf.
Die AfD ist die mit Abstand zuwanderungskritischste Partei im Bundestag. Sie will Asyl wieder auf nationaler Ebene statt europäisch regeln und die deutschen Grenzen gegen illegale Übertritte sichern. Asyl sollen nur noch Menschen bekommen, die der Bundestag als besonders schutzbedürftig einstuft und deren kultureller Hintergrund "mit der deutschen Werte- und Gesellschaftsordnung" vereinbar ist.
Die Linkspartei fordert, Menschen aus Kriegsgebieten müssten legale und sichere Möglichkeit zur Flucht angeboten werden. Außerdem spricht sich die Partei für ein Bleiberecht für alle aus und geht damit noch weiter als die migrationsfreundlichen Grünen.
Europa
CDU und CSU wollen, dass die wegen der Corona-Pandemie ausgesetzten Stabilitätskriterien für Finanzen und Wirtschaft so schnell wie möglich wieder in Kraft treten. Die gemeinsame Schuldenaufnahme wegen Corona soll einmalig bleiben. "Sie ist kein Einstieg in eine Schuldenunion – und darf es nie werden", steht im Wahlprogramm.
Bei der SPD dagegen heißt es: "Statt einer Rückkehr zur Kürzungspolitik der Vergangenheit bleiben wir bei der in der Corona-Krise begonnenen gemeinsamen Investitionspolitik Europas." Das Ziel: eine echte Fiskal, Wirtschafts- und Sozialunion. Es soll außerdem europäische Mindestlöhne geben.
Die Grünen wollen die Rolle des Europaparlaments deutlich stärken. In Deutschland lebende Bürger aus anderen EU-Staaten sollen künftig an Landtagswahlen teilnehmen dürfen. Mit öffentlichen Investitionen sollen der ökologische und klimafreundliche Umbau der EU gelingen.
Die Liberalen gehen besonders weit in ihren europapolitischen Vorstellungen. Sie plädieren für eine Europäische Verfassung. Damit werde die Grundlage für einen "föderalen und dezentral verfassten europäischen Bundesstaat" geschaffen, schreibt die Partei in ihrem Programm.
Auch die Linke spricht sich in ihrem Wahlprogramm für eine EU-Verfassung aus. In der EU müsse der Reichtum von oben nach unten verteilt werden. Konkrete Forderungen sind ein europaweiter Mindeststeuersatz für Unternehmen und gemeinsame Mindeststandards für die Besteuerung großer Vermögen.
Auch in Europafragen geht die AfD einen radikal anderen Weg. Nach ihrem Wahlprogramm soll Deutschland aus der EU austreten. Zur Begründung schreibt die Partei, die EU habe in den letzten Jahren die "Transformation zum planwirtschaftlichen Superstaat vorangetrieben". Der Euro als Einheitswährung sei gescheitert.
Verteidigung und Bündnisse
Die Union unterstützt das NATO-Ziel, dass jedes Mitglied zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgibt – Deutschland liegt bisher mit gut 1,5 Prozent weit darunter. Die Christdemokraten befürworten zugleich den Aufbau gemeinsamer europäischer Streitkräfte - allerdings nicht auf Kosten der NATO. Die Zahl der Bundeswehrsoldaten soll von jetzt rund 184.000 auf 203.000 aufgestockt werden. Die deutsch-französische Freundschaft ist für die CDU/CSU wesentlich für Deutschland.
Die SPD ist kritischer beim Zwei-Prozent-Ziel der NATO, will aber in jedem Fall die Bundeswehr besser ausrüsten, um deren Verantwortung als zuverlässiger Partner in Europa und der NATO gerecht zu werden. Die SPD hat, ebenso wie die Union, die Erdgasleitung Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland in der bisherigen Bundesregierung mitgetragen.
Das Grünen-Programm geht in manchen Punkten in eine andere Richtung als insbesondere das der Union. Deutschland soll danach atomwaffenfrei werden. Das Zwei-Prozent-Ziel der NATO lehnen die Grünen ebenso ab wie Nord Stream 2.
Deutschland soll nach dem Willen der FDP international eine größere Rolle spielen. Dazu soll ein Nationaler Sicherheitsrat eingerichtet werden. Die FDP tritt zudem für die Schaffung einer europäischen Verteidigungsunion ein.
Die AfD würde sehr viel mehr auf Russland zugehen und das Verhältnis zu Moskau trotz der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim entspannen. Die AfD fordert einen ständigen Sitz Deutschlands im Weltsicherheitsrat. Die Bundeswehr soll nach ihrem Willen ein reines Verteidigungsbündnis sein; das Einsatzgebiet der Streitkräfte soll auf die Bündnisstaaten der NATO begrenzt werden. Einsätze wie in Afghanistan oder Mali lehnt die Partei demnach ab.
Die Linkspartei ist radikal in Verteidigungsfragen: Sie tritt für eine Auflösung der NATO ein und für die Schaffung eines kollektiven Sicherheitssystems unter Einbeziehung Russlands. Alle ausländischen Militärstützpunkte in Deutschland sollen geschlossen werden.
Außenhandel
Die Union setzt sehr stark auf Multilateralismus, schon weil in Deutschland jeder vierte Arbeitsplatz vom Export abhängt. CDU und CSU wollen die Welthandelsorganisation WTO stärken. Die Verhandlungen mit den USA über ein Freihandelsabkommen sollen so rasch wie möglich wieder aufgenommen werden.
Die SPD betont in ihrem Programm beim Thema Handel die Nachhaltigkeit. Beim Handel mit landwirtschaftlichen Produkten etwa setzen die Sozialdemokraten auf Partner mit kleinbäuerlicher und ökologischer Ausrichtung. Den Export deutscher Waffen will die SPD stärker regulieren.
Die Grünen wollen den Handel stärker an Klimaschutz und Nachhaltigkeit orientieren. Gefördert werden soll zum Beispiel der Export von Industrien, die bessere Umwelt- und Lebensbedingungen im Blick haben. Auf EU-Ebene soll ein Importstopp für Agrarprodukte durchgesetzt werden, die im Zusammenhang mit illegaler Entwaldung und Menschenrechtsverletzung stehen.
Die FDP ist die klassische Freihandelspartei. Folglich unterstützt sie den Abschluss weiterer Freihandelsabkommen der EU. Die Frage der Erdgasleitung Nord Stream 2 soll nach dem Willen der FDP europäisch entschieden werden.
Die AfD strebt in der Handelspolitik engere Beziehungen zu Russland und China an. An Nord Stream 2 hält die AfD fest und will die EU-Sanktionen gegen Russland beenden. Wichtig ist der Partei eine engere Zusammenarbeit mit China. Im Programm heißt es: "Mit dem Projekt der ,Neuen Seidenstraße‘ hat China ein Jahrhundertvorhaben gestartet", an dem sich Deutschland offensiv beteiligen solle.
Die Linke lehnt die Freihandelsabkommen der EU mit Drittstaaten wie TTIP, CETA und Mercosur ab. Sie tritt stattdessen für in ihren Augen fairere Kooperationsabkommen ein. Rüstungsexporte aus Deutschland sollen generell verboten werden.