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ATP: "Wir wissen nicht, was Djokovic will"

3. September 2020

Novak Djokovic sieht seine Interessen nicht vertreten. ATP-Board-Mitglied Herwig Straka im DW-Interview über die Abspaltungstendenzen einiger Tennisprofis, die Folgen für die ATP und Veränderungen im Spitzen-Tennis.

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Tennis US Open 2020 Novak Djokovic
Bild: Reuters/USA TODAY Sports/D. Parhizkaran

DW: Wie überrascht waren Sie von der Ankündigung Novak Djokovics, bei den US Open in New York, eine eigene Interessenvertretung außerhalb der ATP zu gründen?

Herwig Straka: In den vergangenen Monaten gab es immer wieder Anzeichen, dass es Spieler gibt, die mit der Situation nicht zufrieden sind, weil sie das Gefühl haben, nicht genügend Einfluss auf die Entscheidungsfindung bei der ATP zu haben und deshalb eine eigene Interessenvertretung gründen wollen. Der Grundgedanke ist in den letzten ein, zwei Jahren immer wieder durch die Luft gegeistert.

Kennen Sie die genauen Gründe, weshalb Djokovic diese Initiative gestartet hat, der sich neben den ehemaligen ATP-Player-Council-Mitgliedern Vasek Pospisil und John Isner bereits rund 50 weitere Spieler angeschlossen haben?

Auch uns sind die Gründe nicht genau bekannt, außer eben dieser Unzufriedenheit über die Entscheidungsfindung. Die Spieler, die unterschrieben haben, also längst nicht alle, wollen mehr Mitspracherecht haben - was ein wenig paradox erscheint. Denn es gibt auf der Welt keinen Sportverband, zumindest ist mir keiner bekannt, wo die Spieler derartig viel Mitspracherecht haben wie bei der ATP oder auch bei der WTA. Gerade diese drei Spieler, Novak Djokovic, Vasek Pospisil und John Isner haben im Player Council gesessen, eigentlich die entscheidende Institution auf der Spielerseite in der ATP.  Mit dem Player Council sind immer alle Entscheidungen des ATP-Boards abgestimmt.

Kann den Alleingang von Novak Djokovic' nicht verstehen: ATP-Board-Mitglied Herwig Straka
Kann den Alleingang von Novak Djokovic' nicht verstehen: ATP-Board-Mitglied Herwig StrakaBild: picture-alliance/picturedesk.com/K. Schöndorfer

Haben Sie Verständnis für Djokovics Alleingang?

Es ist für uns von der ATP und auch von der Turnierseite schwer verständlich, wenn man vor diesem Hintergrund von einem Defizit an Mitspracherecht spricht. Wenn sich Novak Djokovic zu wenig repräsentiert fühlt, habe ich vielleicht ein gewisses Verständnis für seine persönliche Wahrnehmung. Ich verurteile das auch nicht. Aber ich verstehe es nicht. Weil die Vertretung der Spieler meines Erachtens so intensiv und einflussreich ist, wie in keiner anderen Sportart.

Sehen Sie konkrete Gründe für diesen Schritt zum jetzigen Zeitpunkt?

Die ganze Thematik ist aus meiner Sicht dadurch entstanden, weil es in den letzten Monaten kaum Kommunikation gab. Das ist aber ausschließlich darauf zurückzuführen, dass es keine Turniere gegeben hat, bei denen vor der Corona-Zeit diese Gespräche stets geführt worden sind. Deshalb ist das nicht der richtige Zeitpunkt, um solch einen Schritt zu unternehmen.

Rafael Nadal und Roger Federer haben sich zu Djokovics Vorhaben sehr kritisch geäußert. Wie gespalten sind die Spieler untereinander?

Über persönliche Befindlichkeiten kann ich nicht sprechen. Aber natürlich sind alle Spieler Ego-getrieben, sonst wären sie nicht die besten Spieler der Welt. Auch auf der Turnierseite sind nicht alle Veranstalter immer einer Meinung. Aber sie akzeptieren die Entscheidung einer demokratisch gewählten Mehrheit. Einigen Spielern fällt es offenbar schwerer, zu akzeptieren, dass die Mehrheit der Spieler einer anderen Meinung ist. Und im Players Council war man offensichtlich der Meinung, dass man dem Management und auch dem ATP-Board die Zeit geben sollte, neue Strategien zu entwickeln und nicht gleich alles über Bord zu werfen. Diese Minderheit, es sind ja drei Spieler aus dem Council ausgetreten, wollte das offenbar nicht akzeptieren.

Was bedeutet die Abspaltung für die Organisation ATP?

Erst einmal hat das noch keine Auswirkungen. Die Spieler selbst haben ja gesagt, dass das keine Opposition sein soll, sondern eine Parallel-Veranstaltung, um die Rechte der Spieler besser zu vertreten. Sie stellen ja nicht die ATP per se infrage. Sie versuchen nur, die Repräsentation zu verstärken. Aber man nimmt natürlich die Versuche dieser Separation ernst und versucht aufeinander zuzugehen.

Gibt es noch irgendwelche Einflussmaßnahmen oder ist das Tischtuch zwischen ATP und Djokovic sowie seiner neuen Interessenvertretung zerschnitten?

Es gibt natürlich Gespräche. Das Verhältnis zu den Spielern ist ja nicht schlecht. Wir gehen weiter aufeinander zu und versuchen, zu überzeugen und mehr zu kommunizieren. Wir als Organisation müssen auch daraus unsere Schlüsse ziehen und überlegen, was wir besser machen können. Ich bin optimistisch, dass es noch eine gemeinsame Zukunft gibt, weil wir nicht soweit voneinander entfernt sind, dass kein Miteinander mehr möglich ist.

Dominic Thiemmuss sich die Pläne Djokovic' nochmal genau ansehen
Dominic Thiemmuss sich die Pläne Djokovic' nochmal genau ansehenBild: picture-alliance/AP Photo/S. Wenig

Sie sind zugleich Manager von Spitzenspieler Dominic Thiem. Welche Haltung hat Ihr Spieler zu dieser Abspaltung?

Ich verhalte mich in dieser Frage völlig neutral. Dominic kann entscheiden, was er möchte. Sein Argument war, dass noch zu wenige Informationen da sind, um das letztendlich bewerten zu können. Es gibt ein zweiseitiges Dokument mit relativ wenig Inhalt. Deshalb weiß er auch noch gar nicht genau, worum es geht, außer dass diese Spieler unzufrieden sind. Generell hat er aber der Haltung von Roger und Rafa viel abgewinnen können.

Der Österreicher Herwig Straka ist seit 2018 Mitglied im ATP-Board, dem höchsten Gremium innerhalb dieser Organisation. Zuvor vermarktete Strake Tennisturniere und andere Sportveranstaltungen. Er war Manager des ehemaligen österreichischen Spitzenspielers Thomas Muster. Derzeit ist Straka Turnierdirektor des ATP-Turniers von Wien und zudem Manager von Österreichs Nummer eins, Dominic Thiem.

Das Interview führte Jörg Strohschein