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Atomkonzerne pochen auf "Gerechtigkeit"

15. März 2016

Der deutsche Staat ordnet den Atomausstieg an, ohne den AKW-Betreibern eine Entschädigung zu zahlen. Nun sinnen die Konzerne vor dem Bundesverfassungsgericht auf Revanche.

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Atomkraftwerk Biblis (Foto: dapd)
Bereits abgeschaltet: Kernkraftwerk Biblis in HessenBild: dapd

Fünf Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima verhandelt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erstmals über die Rechtmäßigkeit des 2011 beschlossenen Atomausstiegs. Geklagt haben die Konzerne Eon, RWE und Vattenfall. Aus deren Sicht kommt die Kehrtwende der Bundesregierung in der Atompolitik einer Enteignung ohne Entschädigung gleich.

Nachdem 2011 ein Atomkraftwerk im japanischen Fukushima in Folge eines Erdbebens und Tsunamis außer Kontrolle geriet, hatte die damalige Regierung einen schnelleren Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland beschlossen. Nur wenige Monate vorher hatte die schwarz-gelbe Koalition den rot-grünen Atomausstieg bis zum Jahr 2036 gestreckt. Im Atomgesetz schrieb sie fest, bis wann die 17 deutschen Meiler abgeschaltet werden müssen.

Sieben ältere Blöcke und das als "Pannenmeiler" verschrieene AKW Krümmel in Schleswig-Holstein mussten per Moratorium sofort für drei Monate vom Netz. Den restlichen neun Kraftwerken setzte der Gesetzgeber über elf Jahre gestaffelt feste Deadlines, zu denen die Betriebsgenehmigung erlischt. Damit wurde der Atomausstieg bis 2022 beschlossen. Heute gibt es bundesweit noch acht aktive Meiler.

Abstieg einer Atomkraftgemeinde

Nicht die ersten Klagen gegen Atomausstieg

In der Folge zogen die Betreiber dutzendfach mit Schadensersatzforderungen vor Gericht - und haben dabei keine schlechten Karten. Denn bei der Hauruck-Aktion gibt es juristische Grauzonen. So erklärt Anfang 2013 der hessische Verwaltungsgerichtshof in einem vom Bundesverwaltungsgericht bestätigten Urteil die sofortige Abschaltung von Biblis A und B für rechtswidrig - unter anderem weil RWE vor der Entscheidung nicht ordnungsgemäß angehört wurde. Ob das auch hohe Entschädigungssummen bedeutet, müssen im Einzelfall die Gerichte entscheiden.

Die Grundsatzklagen werden aber erst jetzt in Karlsruhe verhandelt. Eon, RWE und der schwedische Staatskonzern Vattenfall werten den vorzeitigen Atomausstieg als Enteignung. Sie wollen feststellen lassen, dass ihnen laut Grundgesetz vom Staat eine Entschädigung zusteht. Sollten die Richter den Konzernen Recht geben, könnten diese auf Schadensersatz in Milliardenhöhe klagen. Bis zu einem Urteil dürften allerdings Monate vergehen. Der vierte große Konzern in Deutschland, EnBW, hat keine Verfassungsbeschwerde erhoben.

"Ich erwarte Gerechtigkeit", ...

... sagte Eon-Chef Johannes Teyssen vergangene Woche auf der Bilanzpressekonferenz des Energieversorgers. Dieser beziffert seinen Schaden allein auf mehr als acht Milliarden Euro. RWE hat keine Summe genannt, Analysten gehen von rund sechs Milliarden Euro aus. Vattenfall will 4,7 Milliarden Euro und klagt zudem vor einem Schiedsgericht in den USA.

Die Bundesregierung äußerte sich vor Verhandlungsbeginn zuversichtlich. "Wir halten das Atomausstiegsgesetz für verfassungskonform und werden diese Position mit Nachdruck in Karlsruhe vertreten", sagte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums.

Es geht auch um Abbau der Atommeiler und Lagerung von Atommüll

Während in Karlsruhe über den Atomausstieg gestritten wird, diskutieren in Berlin die Chefs der Atomkonzerne, Politiker und Experten darüber wie die Kosten für Zwischen- und Endlagerung des Atommülls und die Kosten für den Abriss der Atomkraftwerke zwischen Betreibern und Staat aufgeteilt werden können. Nach Schätzungen von Experten geht es dabei um mindestens 48,8 Milliarden Euro. Bei diesen Verhandlungen verlangt die Regierungsseite, dass die Konzerne alle Klagen zurückziehen, wenn der Staat ihnen Risiken und Kosten für die Endlagerung abnimmt.

Der Grünen-Politiker Oliver Krischer hält die jetzigen Klagen daher für "ein Druckmittel um Zugeständnisse bei der Finanzierung der Atom-Altlasten zu erreichen".

Nachdem die Atomkonzerne Jahrzehnte lang ordentliche Gewinne mit ihren Atommeilern eingefahren haben, befinden sie sich nun in deutlich schwierigeren Gewässern. Eon und RWE mussten jüngst Milliardenverluste vermelden. Sie haben den rechtzeitigen Einstieg in erneuerbare Energien verpasst, nun spalten beide Konzerne ihr Geschäft auf. Ein Unternehmensteil soll künftig das alte Geschäft mit Kohle und Atomkraft beinhalten, das andere setzt auf grüne Energie und Dienstleistungen.

Atommüllfässer
Noch ungeklärt: Wohin mit dem strahlenden Atommüll?Bild: picture-alliance/dpa

iw/wa/rb (dpa, rtr, afp)