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Atomausstieg? Nein danke!

15. Juni 2010

Am 15. Juni 2000 einigten sich Bundesregierung und Stromkonzerne nach langen Verhandlungen darauf, die deutschen Kernkraftwerke nach einer Laufzeit von durchschnittlich 32 Jahren abzuschalten. Nun kommt alles anders.

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Transparent, auf dem unter dem Schriftzug 'Abschalten' mehrere durchgestrichene AKW-Symbole zu sehen sind (Bild: dpa)
Bild: picture-alliance / dpa
Atomkraftwerk in Biblis (Foto: dpa)
Das AKW Biblis wurde 2009 modernisiertBild: picture-alliance/ dpa

Eines der großen Projekte der damaligen Bundesregierung aus SPD und Bündnisgrünen war der Atomausstieg. Zähe Verhandlungsrunden waren notwendig, bis sich Bundesregierung und Stromkonzerne in der Nacht zum 15. Juni 2000 einig wurden. Der Atomausstieg bis zum Jahr 2020 war beschlossene Sache.

Zum Zeitpunkt der Vereinbarung waren in Deutschland 19 Kernkraftwerke in Betrieb. Das älteste - Biblis A in Hessen - war damals schon seit 25 Jahren am Netz. Viele andere liefen bereits 15 bis 20 Jahre. Die Eigentümer der Meiler, die Energiekonzerne, wollten weiterhin auf die vergleichsweise günstige Atomkraft setzen und ihre Reaktoren noch bis zu 35 Jahren laufen lassen.

Schröders Angebot

Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (Foto: AP)
Der damalige Bundeskanzler Gerhard SchröderBild: AP

Doch Kanzler Gerhard Schröder hatte andere Vorstellungen, die er schließlich auch durchsetzen konnte, indem er den Energieriesen ein Stück weit entgegenkam.

"Das vereinbarte Verfahren trägt dem berechtigten Anliegen, den wirtschaftlichen Interessen der Energieversorgungsunternehmen Rechnung", hieß es damals. Das bedeutete eine Garantie dafür, dass die Kernkraftwerke ihren Betrieb bis zu ihrem festgelegten Abschaltdatum fortsetzen können sollten. Das Abschaltedatum richtete sich nach Alter und Leistung der Reaktoren. Durchschnittlich kam so eine Laufzeit von 32 Jahren zustande.

So gingen die großen Konzerne RWE, E.ON (damals noch Viag und VEBA) und Vattenfall auf das Angebot ein. Der letzte Reaktor sollte um das Jahr 2020 vom Netz gehen.

Besser als nichts

Die Grünen, die bereits in den 80er-Jahren in den ersten Reihen der Atomkraftgegner mitmarschiert waren, zeigten sich zwar nicht sehr begeistert, waren aber froh darüber, dass überhaupt ein Ausstieg beschlossen wurde. Und so stimmten auch sie zähneknirschend dem Kompromiss zu.

Ein Atomkraftgegner hält bei einer Anti-Atomenergie-Demonstration ein "Atomkraft Nein Danke"-Symbol in die Höhe. (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance / dpa

Das erste Kraftwerk, das in Stade, wurde bereits drei Jahre nach der Einigung abgeschaltet - weitere zwei Jahre später folgte der Reaktor in Obrigheim. Auch als die Regierung Schröder 2005 durch eine große Koalition aus SPD und Union unter Angela Merkel abgelöst wurde, rüttelte man nicht an den Vereinbarungen über den Atomausstieg.

Schluss mit dem Ausstieg

Das änderte sich zu Beginn des Bundestagswahlkampfes 2009. Die SPD machte das Festhalten am Atomausstieg zu einem ihrer zentralen Wahlkampfthemen. Der Noch-Regierungspartner, die CDU, änderte allerdings seine Meinung. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla fand, dass die bedingungslose Ausstiegspolitik der SPD und der Grünen nicht mehr auf der Höhe der Zeit und international isoliert sei. Er empfahl SPD und Grünen, sich der neuen Realität zu stellen.

Radioaktivität Zeichen Symbolbild
Schwarz-gelbe Parallelen?

Die FDP, die beim Wahlkampf nichts ausließ, um bei der Union für ihre Gunst zu werben, sprang ihrem Wunschpartner eifrig zur Seite - und so war es nach der Bundestagswahl im September 2009 überhaupt kein Problem, in den Koalitionsverhandlungen darüber zu diskutieren, ob und in welcher Form man den Atomausstieg wieder kippen kann.

Reizwort: Laufzeitverlängerung

Die regierende Koalition aus Union und FDP will die Laufzeiten für Atomkraftwerke neueren Datums verlängern. Das Zeitalter der erneuerbaren Energien sei noch nicht angekommen - der Atomausstieg zum Jahr 2020 sei viel zu früh, heißt es. Eine Laufzeitverlängerung soll als Überbrückung dienen, bis Sonne, Wind und Wasser die Atomkraft ersetzen können.

Kritiker bezeichnen solche Argumente als Augenwischerei - damit wolle man doch nur davon ablenken, dass der mächtigen Atomlobby in die Hände gespielt werde. SPD und Grüne wollen Verfassungsbeschwerde einlegen.

Energieversorger werden zur Kasse gebeten

Ungeachtet dessen möchte CDU-Umweltminister Norbert Röttgen im Juli ein neues Energiekonzept vorlegen. Darin ist unter anderem eine sogenannte Brennelemente-Steuer vorgesehen. Damit sollen die Energiekonzerne an den Kosten der Beseitigung von Atommüll beteiligt werden. Was diese allerdings nicht allzu sehr freut - von so etwas war beim Atomkonsens vom 15. Juni 2000 nicht die Rede.

Autorin: Silke Wünsch
Redaktion: Kay-Alexander Scholz