Aserbaidschanische Jugendliche wollen den Machtwechsel
22. Juni 2005Der 18jährige Ramin schreibt heimlich mit grüner Farbe ein Wort an eine Häuserecke im Zentrum der aserbaischanischen Hauptstadt Baku: „Yox“. Zwei Mitstreiter stehen Schmiere. Ramin versichert: „Bald werden die Menschen überall dieses Grün sehen. Sie werden sagen: Es ist Frühling, und überall ist es grün. Und auch die Farbe unserer Bewegung ist grün. Die Leute werden begeistert sein."
Kampf gegen die Angst
„Yox“ heißt „Nein“ auf Aserbaidschanisch, und "Yox" ist der Name einer Jugend- und Oppositionsbewegung in Aserbaidschan. "Nein zur Korruption", "Nein zur Diktatur", "Nein zum autoritären Regime des herrschenden Alijew-Clans", "Nein zur Arbeitslosigkeit", rufen die Aktivisten. Ramin und seine Mitstreiter spulen die Slogans nur so herunter. Dann ziehen sie weiter, um Aserbaidschans Hauptstadt Baku im Schutze der Nacht mit ihrem grünen Schriftzug vollzusprühen. Aktivist Ramin ist überzeugt: „Die Leute müssen spüren, warum sie 'Nein' sagen müssen. Und wir müssen ihnen die Angst austreiben. Die Menschen hier wurden solange unterdrückt, dass auch wir lange brauchen, um die Angst wieder aus ihnen heraus zu bekommen."
Aserbaidschan wurde über 25 Jahre fast ununterbrochen von Heidar Alijew gelenkt. Der war zunächst Erster Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Aserbaidschanischen Sowjetrepublik, dann Präsident des unabhängigen Aserbaidschan. Vor eineinhalb Jahren übergab er das Präsidentenamt in umstrittenen Wahlen an seinen Sohn Ilham Alijew. Korruption beherrscht das Land. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. Die Opposition wird verfolgt, unabhängige Journalisten werden behindert.
Friedlicher Protest
Am Nachmittag treffen sich die Aktivisten von „Yox" zur Strategiebesprechung. Eigene Räume haben die Jugendlichen noch nicht. Alle tragen grüne Pullover, T-Shirts oder Jacken. Die Farbskala reicht von Grasgrün bis Petrol. Rasi Nurullajew sitzt am Computer. Es gibt viel zu organisieren: T-Shirts und Handzettel drucken, Schablonen anfertigen, Spender, Unterstützer und Mitglieder werben. Rasi erklärt: „Wir glauben, dass in zwei Monaten ganz Aserbaidschan grün sein wird. Wir haben die Farbe Grün gewählt, weil wir am Anfang des Frühlings gegründet wurden. Und weil wir eine friedliche Aktion machen wollen, nichts Gewalttätiges. Grün ist nun mal die Farbe der Gewaltlosigkeit. Wir wollen diese Botschaft auch an die Polizei geben, dass wir friedlich sind."
Eigene Strategie
Rasi Nurullajew war im Winter in der Ukraine und hat sich die Proteste der „orange Revolution“ in Kiew angeschaut, davor hat er an einem Seminar für gewaltlosen Widerstand in Kanada teilgenommen. Nurullajew ist die Autorität in dem Raum, wo „Yox"-Leute sich treffen: 34 Jahre ist er alt, kurze Haare, breite Schultern, Jeans, Turnschuhe, um die Augen die ersten Falten. Er erklärt die Strategie der Protestbewegung: „Wir bereiten derzeit spezielle Botschaften an die Polizisten vor. Wir sagen ihnen: Eure Chefs befehlen Euch, uns zu schlagen - nur weil sie selbst besser leben wollen, weil sie ihre Ruhe haben, mehr Leute abzocken und ihr eigenes schönes Leben aufbauen wollen. Und wir fragen: 'Ist es in Eurem Interesse, Eure Brüder und Schwestern zu schlagen?!? Euer Sohn ist unter uns - bist Du gekommen, um Deinen Sohn zu schlagen?!?"
Aktivisten werden bedroht
Rasi Nurullajew hat all das nichts genützt. Im Mai wurde der Wortführer von „Yox“ im Vorfeld einer Demonstration verhaftet - wegen angeblichen Widerstands gegen die Polizeigewalt. Nach fünf Tagen und erheblichen Protesten internationaler Vertreter kam er wieder frei. Zwei weitere Aktivisten wurden von Männern in Zivil verhaftet und geschlagen, als sie Flugblätter gegen das autoritäre Regime verteilten. Zwar sind die beiden inzwischen wieder frei, doch die jungen Leute von „Yox" haben Angst. Rasi Nurullajew erzählt, er werde mittlerweile bedroht. Er werde erneut verhaftet und gefoltert werden, wenn er weitermache, habe man ihm klargemacht. Nurullajew will sich davon nicht einschüchtern lassen. Er hofft auf die internationale Öffentlichkeit: „Aserbaidschan ist Mitglied im Europarat. Es hat sich verpflichtet, keine Gewalt anzuwenden und die internationalen Standards einzuhalten."
Gesine Dornblüth
DW-RADIO, 15.6.2005, Fokus Ost-Südost