Aschewolke? Pustekuchen!
21. April 2010Auch russische Fluggesellschaften haben hunderte Flüge abgesagt. Und das, obwohl der russische Luftraum nicht gesperrt wurde. Doch alles was gen Westen fliegen sollte, musste am Boden bleiben. Fast alles. Aeroflot, Russlands große Staats-Airline, zum Beispiel lotste seine Langstreckenflüge in die USA oder nach Kanada einfach um, über die ganz nördlichen Breitengrade. Weit um die Wolke herum, auf Tuchfühlung mit dem Nordpol. Denn Europa macht weiter großenteils dicht. Wie lange noch, weiß keiner so genau.
Heldenhafte Rettungsaktionen
Auch im russischen Fernsehen dominieren deshalb seit Tagen rührige Geschichten die Nachrichten, von Russen, die fern der Heimat festsitzen. Von Touristen die nach Meer und Palmen nun auf harten Bänken in neonhellen europäischen Flughäfen gestrandet sind. Und von heldenhaften Rettungsaktionen der russischen Regierung, der Behörden und der Eisenbahn.
Premier Wladimir Putin hat das Verkehrsministerium angewiesen, die Reisenden mit Bussen nach Kaliningrad zu fahren. In Russlands Exklave inmitten der Europäischen Union. Von dort aus sollen sie dann nach Kernrussland fliegen, nach Hause, während die europäischen Nachbarflughäfen in Vilnius oder Riga keinen Flieger in den Himmel lassen. Und die Russische Eisenbahn hängt extra zig zusätzliche Waggons an ihre Züge Richtung Warschau und Berlin. Russland hat alles im Griff, Mütterchen Heimat lässt niemanden im Stich!
Verschwörung von wem?
Überhaupt sei das doch alles "aufgeblasen", titelte ein Boulevardblatt gar. Die Europäer sollen mal nicht so einen Wind um die Wolke machen, so der Tenor. Sie hätten doch selbst schon Testflüge gestartet, die alle heil wieder gelandet seinen. Das Gerede von der Gefahr um die Vulkanasche sei genau so "aufgeblasen" wie die Hysterie um die Schweingrippe.
Nur sei damals, als aus Angst vor Ansteckung mit dem H1N1-Virus plötzlich viele einen Mundschutz trugen und Impfstoffe Mangelware wurden, klar gewesen, wem das alles genützt habe, folgert das Blatt verschwörungstheoretisch: der Pharmaindustrie. Doch diesmal? Das Blatt ist ratlos.
Klar scheint für viele Russen nur: Schuld am Luftverkehrschaos sind die Europäer. Immerhin haben sie den Himmel dicht gemacht.
Autor: Markus Reher, Moskau
Redaktion: Dirk Eckert