Armenien gedenkt der Opfer
24. April 2010In der armenischen Hauptstadt Eriwan gedachten am Samstag (24.04.2010) Zehntausende der mehr als 1,5 Millionen Armenier, die bei den Massakern vor 95 Jahren ums Leben kamen. Am Mahnmal für die Opfer der Verbrechen im Osmanischen Reich dankte der armenische Präsident Sersch Sarkisian all denen, die in vielen Ländern, auch in der Türkei, die armenische Forderung unterstützen, die Massaker als Völkermord anzuerkennen. Zur Anerkennung als Genozid gebe es keine Alternative, sagte der armenische Präsident auf der Gedenkveranstaltung.
Bereits am Freitagabend waren mehrere Tausend Menschen in Eriwan mit Fackeln und Kerzen durch die Straßen gezogen. Zu dem Marsch hatte die Jugendorganisation der nationalistischen Partei Daschnak-Zutjun aufgerufen. Die Demonstranten verbrannten türkische Fahnen und forderten von der Türkei, den Völkermord anzuerkennen. Zugleich führten sie neben armenischen auch Fahnen von Ländern mit, die den Massenmord an den Armeniern von 1915 bis 1917 als Genozid einstufen. Dazu zählen unter anderem Frankreich, Polen und die Schweiz.
Streit nicht nur um den Begriff
Die Türkei räumt zwar mittlerweile ein, dass vor und während des ersten Weltkrieges im Osmanischen Reich mehrere hunderttausend Armenier getötet wurden, lehnt die Bezeichung "Völkermord" aber strikt ab. Die Armenier seien im Bürgerkrieg und bei Unruhen ums Leben gekommen, zudem sei die Zahl der Opfer weit übertrieben. Dagegen sprechen Forscher vom ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts.
Am 24. April 1915 waren im damaligen Konstantinopel (dem heutigen Istanbul) mehr als 200 armenische Intellektuelle und Gemeindevertreter festgenommen worden. Damit begann unter den Augen des mit dem Osmanischen Reich verbündeten Deutschen Reiches eine Gewalt-Kampagne gegen die Armenier. Bei Pogromen, Zwangsumsiedlungen und Todesmärschen kamen bis 1917 mindestens 1,5 Millionen Menschen ums Leben.
Belastete Beziehungen
Die bis heute nicht aufgearbeiteten Verbrechen belasten die Beziehungen zwischen den Nachbarländern Armenien und Türkei. Auf Druck der EU und der USA hatten die Außenminister Edouard Nalbandian und Ahmet Davutoglu im Oktober 2009 in Zürich ein armenisch-türkisches Abkommen unterzeichnet. Es sah einen Zeitplan zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen, die Wiedereröffnung der seit anderthalb Jahrzehnten geschlossenen Grenze und die Aufarbeitung der Geschichte durch eine Historikerkommission vor.
Am Donnerstag hatte Armenien allerdings angekündigt, die Normalisierung der Beziehungen zunächst auf Eis zu legen. Eriwan reagierte damit auf türkische Forderungen, Armenien müsse zunächst seine Beziehungen mit Aserbaidschan normaliseren. Das von der Türkei unterstützte Aserbaidschan streitet mit Armenien um Berg-Karabach. Das Gebiet gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, wird aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt. Im sechsjährigen Krieg beider Länder um die Region waren 30.000 Menschen getötet und mehr als eine Million vertrieben worden.
Autor: Hartmut Lüning (apn, afp, dpa)
Redaktion: Dirk Eckert