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Argentinien: Ein Generalstreik und Raum für Konsens

Tobias Käufer mit Mariano Campetella
25. Januar 2024

Mit ihrem Generalstreik wollten die Gewerkschaften in Argentinien den neuen Präsidenten Milei daran erinnern, die Menschen bei seinen radikal-marktliberalen Reformen nicht zu vergessen.

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Argentinien | Generalstreik
Demonstranten am Mittwoch (25.1.2024) in Buenos AiresBild: Mariano Campetella

Für die Gewerkschaften in Argentinien war der Mittwoch ein Erfolg: Sie brachten im ganzen Land Hunderttausende auf die Straße. Die Macht der Bilder wird ihre Wirkung nicht verfehlen. Nach der herben Wahlschlappe vom November diente der Tag auch der Selbstbestätigung für die lange regierenden Peronisten, die mit den Gewerkschaften eng verflochten sind.

Die Gewerkschaften sind und bleiben ein mächtiger politischer Faktor in Argentinien, auch wenn sie nicht das ganze Land mobilisieren konnten.

Argentinien | Generalstreik
Auch die Gewerkschaft der LKW-Fahrer hatte am Mittwoch ihre Mitglieder mobilisiertBild: Mariano Campetella

Viele Argentinier haben gestreikt, aber nicht alle

"Angesichts der Realität, die uns alle trifft, wurde ich wurde von meiner Gewerkschaft dazu aufgerufen, gegen diese Regierung zu kämpfen und unsere Rechte zu verteidigen", sagte Demonstrantin Victoria Santoro von der Gewerkschaft der Sanitärbetriebe im Gespräch mit DW. "Die Beteiligung hat meine Erwartungen übertroffen."

Das peronistische Lager sieht sich nach der Schockstarre im Anschluss an die Wahlniederlage durch den Streik gestärkt. Der Protest richtete sich gegen die harten Sparmaßnahmen, Privatisierungspläne und Deregulierungsvorhaben des neuen Präsidenten Javier Milei, die zusammengefasst als "Omnibus-Gesetz" ("Ley Omnibus") durch das Parlament sollen. Dort verhandeln Regierung und Opposition miteinander.

Aber auch die Regierung kann einen Teilerfolg verbuchen, denn nicht das ganze Land ist auf die Straße gegangen. Von einem gescheiterten Streik zu sprechen, wie es Sicherheitsministerin Patricia Bullrich tat, ist allerdings übertrieben.  

Argentinien | Generalstreik
Demonstrantin Victoria Santoro sieht den Generalstreik als ErfolgBild: Mariano Campetella

Kritik an Argentiniens Präsident ...

"Die Gewerkschaften vertreten heute eine viel größere gesellschaftliche Mehrheit. Ihr Protest ist völlig berechtigt, denn die extrem neoliberale, staats- und regulierungsfeindliche Regierung stürzt das Land in eine schwere wirtschaftliche und soziale Krise", sagt Ricardo Aronskind, Ökonom an der Nationalen Universität General Sarmiento, der DW.

Notwendig sei jetzt eine starke, diversifizierte Exportpolitik, sowohl im industriellen als auch im landwirtschaftlichen Bereich, bei Rohstoffen und verarbeiteten Produkten. Verbunden werden müsse dies mit einer besseren Verteilung auf dem heimischen Markt, um die Armut und Marginalisierung zu verringern. "Dies erfordert einen sehr aktiven Staat, um makroökonomische Ungleichgewichte zu beseitigen und eine komplexere Produktionsstruktur zu fördern", so Aronskind.

... aber auch Zuspruch für Javier Milei

"Präsident Milei steht vor zahlreichen Herausforderungen" hält dem Agustin Etchebarne von der wirtschaftsnahen Stiftung "Libertad y Progeso" entgegen. Das Notstandsdekret und das Basisgesetz könnten zwar wirtschaftlichen Freiheiten Argentiniens spürbar verbessern. Das aber dürfe nur der Anfang sein: "Was noch fehlt, ist die Lösung des schwerwiegenden Problems der Verbindlichkeiten der Zentralbank, sie zu stabilisieren, die Inflation zu senken und den Wechselkurs freizugeben oder zu dollarisieren."

Argentinien | Agustin Etchebarne
Sieht in Mileis Reformen nur einen Anfang: Wirtschaftsexperte Agustin EtchebarneBild: Tobias Käufer

Etchebarne erwartet spürbare Verbesserungen in der zweiten Hälfte des Jahres.

Nach nicht einmal zwei Monaten der neuen libertär-konservativen Regierung Milei sind die Fronten also geklärt, aber nicht zwangsläufig verhärtet. Im Kongress verhandeln beide Lager über das "Ley Omnibus". Die Regierung glaubt nach wie vor, die schweigende Mehrheit hinter sich zu haben, die Opposition an eine langsam zurückkehrende Stärke.

Einigung in Argentiniens Gesellschaft möglich?

Nach dem Kräftemessen im ganzen Land haben nun wieder die Politiker das Wort. Für beide Seiten steht viel auf dem Spiel, was zu einer Einigung führen könnte.

Danach liegt dann vieles in den Händen jener Kräfte, denen Milei nahezu blind vertraut: den Märkten. Die sollen, so die Hoffnung der Regierung, dank der Reformen dann genug Kraft entfalten, um die Wirtschaftskrise des Landes zu beenden.

Ein schweres Jahr hat Milei seinen Landsleuten angekündigt. Der Generalstreik macht deutlich: Gibt es nicht bald Licht am Ende des Tunnels, könnten auch mehr Menschen auf die Straße gehen, als die, sich in den Gewerkschaften organisieren.