Panne bei ARD befeuert Wahlbetrugs-Vorwürfe
25. September 2021Was war passiert?
Videos in sozialen Netzwerken zeigen, dass am frühen Freitagabend im öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Das Erste während einer Quizshow ein Laufband erschien, das angebliche Hochrechnungen zur Bundestagswahl verkündete.
Demnach würde die konservative CDU mit 22,1 Prozent knapp hinter der sozialdemokratischen SPD (22,7 Prozent) liegen. Die rechstpopulistische AfD käme demnach auf 10,5 Prozent, die neoliberale FDP auf 13,2 Prozent. Nach knapp 8 Sekunden verschwand der Ticker wieder, bevor Zahlen für weitere Parteien eingeblendet werden konnten.
Nutzer in sozialen Netzwerken, darunter auch Politiker und Unterstützer der AfD, werteten den Vorfall als Beleg, dass die Wahl nicht frei und unabhängig sei, sondern es Manipulations- und Fälschungsversuche gebe und die Wahlergebnisse bereits im Vorfeld feststünden. So schrieb ein Nutzer "Wieso Panne? Das Wahlergebnis haben die Marionetten doch schon vor Wochen mitgeteilt bekommen - es wurde nur zu früh eingeblendet!"
Georg Pazderski, Abgeordneter im Berliner Abgeordnetenhaus und Fraktionsvorsitzender der Berliner AfD, teilte auf Twitter einen entsprechenden Videoausschnitt, der bereits mehr als 60.000 Mal angesehen wurde, und kommentierte mit sarkastischem Unterton, bei der Bundestagswahl gehe "ansonsten aber alles mit rechten Dingen zu".
Bei Facebook, wo der Abgeordnete einen Link zur Berichterstattung von Deutschlands größter Boulevardzeitung Bild teilte, zweifelte er an der Objektivität des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. "Sie wissen heute schon, was Deutschlands Bürgerinnen und Bürger am Sonntag wählen werden! Gratulation zu solch außergewöhnlichen Fähigkeiten!" Pazderski bezeichnete es als "peinliche Panne" - Worte, die er in einer überarbeiteten Version seines Beitrags löschte.
AfD-Bundestagsabgeordnete Joana Cotar, die auch Beisitzerin im Bundesvorstand der Partei ist, teilte Pazderskis Video und schrieb: "Am Sonntag müsst ihr dann aber die Zahlen ändern, damit es nicht so auffällt…"
Laut den letzten Umfragen wenige Tage vor der Wahl liegt die AfD, derzeit größte Oppositionspartei im Bundestag, rund ein bis zwei Prozentpunkte unter ihrem Ergebnis von vor vier Jahren.
Wie reagierte der Sender?
Die ARD, die Dachorganisation mehrerer öffentlich-rechtlicher Sender, die gemeinsam das Programm Das Erste produzieren, entschuldigte sich via Twitter. Es sei ein Fehler bei einem technischen Test gewesen, bei dem "fiktive Hochrechnungszahlen" veröffentlicht wurden.
Auf DW-Anfrage bestätigte die ARD, dass das von Pazderski geteilte Video ein authentischer Mitschnitt der Quizsendung ist. Ein ARD-Sprecher teilte per E-Mail mit: "Es war ein technischer Test des Wahlcrawls durch die Zentrale Sendeleitung (ZSL), der in der Vorbereitung auf den Wahlsonntag im inaktiven Sendebereich gemacht werden sollte, aufgrund eines Schaltfehlers aber on air ging."
Einige Nutzer wunderten sich, warum der Sender statt konkreter Zahlen, die letzten Umfrageergebnissen zumindest ähnelten, keine Platzhalter wie 00 Prozent oder XX Prozent nutzte. Warum dies nicht gesehen sei, konnte der ARD-Sprecher nicht beantworten, er betonte jedoch erneut, dass die Zahlen "fiktiv" seien.
In der überarbeiteten Version seines Facebook-Beitrags ergänzte der AfD-Abgeordnete Pazderski, ein Test solle als solcher gekennzeichnet sein und keine fiktiven Zahlen zeigen. "Sonst könnte man das als gewollte Wahlbeeinflussung sehen. Und weiter wollen wir gar nicht denken."
Angesprochen darauf, dass der Fehler in rechten Kreisen als Beweis für angeblichen Wahlbetrug gesehen wird, teilte der Sprecher der ARD mit: "Wir haben uns in den Sozialen Medien für die technische Panne gleich nach der Sendung entschuldigt. Es war ein bedauerlicher Schaltfehler und sollte in keiner Weise das Vertrauen in die Wahl und deren Ergebnisse beeinträchtigen."
In der Mediathek des Senders sieht man die Quizsendung ohne die Einblendung. Dazu schreibt der Sprecher, dass Sendungen generell nicht eins zu eins verfügbar gemacht werden, da beispielsweise Werbeblöcke für den Onlineabruf entfernt werden.
Wie werden die Wahlergebnisse bekannt gegeben?
Die Wahllokale sind von 8 Uhr bis 18 Uhr geöffnet. Auch Briefwahlunterlagen müssen bis spätestens 18 Uhr eingehen. Unmittelbar nachdem die Wahllokale geschlossen sind, werden Prognosen veröffentlicht - nicht früher, das würde gegen das Wahlrecht verstoßen. Die Prognosen basieren auf Nachwahlbefragungen von verschiedenen Wahl- und Meinungsforschungsinstituten.
Sobald die ersten Stimmzettel ausgezählt wurden, gehen diese Ergebnisse in Hochrechnungen ein, die im Laufe des abends immer wieder aktualisiert werden. In der Nacht oder am frühen Morgen gibt der Bundeswahlleiter das vorläufige Endergebnis bekannt.
Das amtliche Endergebnis folgt einige Tage bis Wochen später - 2017 dauerte es bis 18 Tage nach der Wahl.