Arabischer Gipfel im Krisengebiet
21. März 2012Das Treffen Ende des Monats (27.-29.03.2012) soll ein Symbol sein für die Normalisierung des Iraks. Dabei ist der Irak von Normalität noch immer weit entfernt. Das hat auch die jüngste schwere Anschlagsserie gezeigt. Bei mehr als 30 koordinierten Sprengstoffanschlägen an einem einzigen Tag im ganzen Land wurden fast 50 Menschen getötet und mehr als 250 verletzt.
Einen Tag später bekannte sich eine dem Terrornetzwerk Al-Kaida nahestehende Organisation zu der Anschlagsserie. Die Gruppe "Islamischer Staat Irak" erklärte in einem Bekennerschreiben im Internet, sie habe mit den Taten zeigen wollen, wie schlecht die Sicherheitsvorkehrungen der irakischen Regierung vor dem Treffen der Arabischen Liga in Bagdad seien. Den Gipfel bezeichnete die Gruppe als "Treffen der arabischen Tyrannen".
Gipfel im Belagerungszustand
Das Treffen soll mit Gesprächen arabischer Minister beginnen. Beratungen der Staats- und Regierungschefs bilden den Höhepunkt der Veranstaltung. Es ist das erste Mal seit mehr als 20 Jahren, dass die Arabische Liga in Bagdad zusammenkommt.
"Das Treffen", erklärt Ferhad Ibrahim, Irak-Experte und Leiter der Arbeitsstelle für Kurdische Studien an der Universität Erfurt, "ist sehr wichtig für die irakische Regierung." Der irakische Regierungschef Maliki brauche die Anerkennung der arabischen Welt und des Westens. Mit dem Gipfel wolle er der Außenwelt zeigen, "dass er ein starker Mann an der Spitze eines souveränen Staates ist". Ziel der Terroristen, glaubt Ibrahim, sei eine Verschiebung der Konferenz.
Die irakische Regierung hält den Gipfel für nicht gefährdet. Der irakische Botschafter bei der Arabischen Liga, Kais Assawi, verwies darauf, dass die Anschläge fernab der Grünen Zone verübt worden seien, wo die Veranstaltung stattfinden werde. Die sogenannte Grüne Zone im Zentrum von Bagdad ist von Betonmauern und Sicherheitsschleusen umgeben.
Die irakische Regierung hat nach Medienberichten rund 450 Millionen Dollar in die Vorbereitung des Gipfels sowie in Sicherheits- und Infrastrukturmaßnahmen investiert. "Absolute Sicherheit aber kann es nicht geben", sagt der Irakexperte Ibrahim. Niemand könne garantieren, dass nicht Teile der Sicherheitskräfte mit Al-Kaida oder mit Anhängern des gestürzten Diktators Saddam Hussein zusammenarbeiten. Trotzdem ist Ibrahim gegen eine Verschiebung des Gipfels: "Das würde die Legitimität der irakischen Regierung in Frage stellen."
Verschlechterung der Sicherheitslage
Seit dem Abzug der US-Truppen im Dezember vergangenen Jahres hat sich die Sicherheitslage im Irak wieder deutlich verschärft. "Die jüngsten Attacken sind Teil einer ganzen Serie solcher Operationen von Al-Kaida", erklärt Matthew Henman von dem Sicherheitsberatungsunternehmen Jane's. "Die Terroristen wollen zeigen, dass sie ihre Fähigkeiten zu schweren Angriffen nicht verloren haben." Al-Kaida versuche, die Gewalt zwischen den Religionsgruppen der Schiiten und Sunniten sowie den Kurden anzustacheln. Rund 60 Prozent der Iraker sind Schiiten. Der Anteil der arabischen Sunniten liegt bei etwa 20 Prozent. Dazu kommen die kurdischen und turkmenischen Sunniten. Unter Diktator Saddam Hussein hatten die Sunniten das Land viele Jahre lang beherrscht.
Auch der schiitische Regierungschef Nuri al-Maliki, so glaubt Asiem El Difraoui, Politologe bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, sei nicht ganz unschuldig an der Eskalation: "Die Sicherheitslage hat sich auch verschlechtert, weil Maliki extrem aggressiv gegen Anhänger der Baath-Partei des gestürzten Diktators Saddam Hussein und gegen andere sunnitische Politiker vorgegangen ist. Es hat den Anschein, als ob die Maliki-Regierung vor allem die eigenen Pfründe sichern will und nicht mit den anderen politischen Gruppen des Landes versucht, vernünftige Kompromisse auszuhandeln."
Nach den Wahlen 2010 hatten die Volks- und Religionsgruppen im Abkommen von Erbil vereinbart, die Macht zu teilen. Die sunnitischen Vertreter wurden aber systematisch entmachtet. Die Koalitionsregierung aus Schiiten, Sunniten und Kurden, sagt Ferhad Ibrahim, "ist klinisch tot".
Sunnitische Politiker unter Druck
Gleichzeitig geht die irakische Justiz gegen sunnitische Politiker vor. In den vergangenen Monaten wurden mehrere Haftbefehle wegen Terrorverdachts ausgestellt. Der prominenteste Fall ist der von Vizepräsident Tarik al-Haschimi, der sich seiner Verhaftung entzog, indem er sich im kurdischen Autonomiegebiet des Nordirak unter den Schutz kurdischer Politiker begab. Der prominente Sunnit soll Bomben- und Mordanschläge in Auftrag gegeben und finanziert haben.
Haschimi wirft dem schiitischen Ministerpräsidenten Maliki vor, die Justiz zu instrumentalisieren, um missliebige Politiker aus dem Weg zu räumen. Nach Einschätzung von Diplomaten "hat ohnehin kaum einer der irakischen Politiker, die sich in den letzten zehn Jahren an der Macht halten konnten, eine weiße Weste."
Bisher weigern sich die Kurden, Haschimi an die Zentralregierung auszuliefern. Wenn ein sicherer und fairer Prozess gewährleistet sei, so ein Vertreter des kurdischen Präsidenten, werde Haschimi freiwillig in die Haupstadt Bagdad zurückkehren. Die Kurden wollen nicht in den Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten hineingezogen werden.
Soziale Krise trotz Ölreichtum
Gleichzeitig wächst die soziale Unzufriedenheit im Land. Anfang der Woche demonstrierten in der südirakischen Stadt Basra Anhänger des radikalen Schiiten-Predigers Muktada al-Sadr gegen Korruption und Diskriminierung. Die Proteste unter dem Motto "Tag der Unterstützung der unterdrückten Iraker" richteten sich auch gegen die Regierung von Maliki. Ihm wird vorgeworfen, das Leben der armen Iraker nicht verbessert zu haben.
"Es gibt natürlich Wohlstandsoasen wie den kurdischen Norden", sagt Asiem El Difraoui von der Stiftung Wissenschaft und Politik, "aber insgesamt ist die soziale Unzufriedenheit enorm. In den meisten Gegenden wird noch immer täglich mehrmals der Strom abgestellt und auch die Wasserversorgung soll katastrophal sein."
Trotz enormer Resourcen und einer relativ gut ausgebildeten Mittelschicht gebe es nur wenige Fortschritte. El Difraoui führt die Stagnation im Land auf die schwierige Sicherheitslage und die allgegenwärtige Korruption zurück. Auch nach dem anstehenden Gipfeltreffen der Arabischen Liga bleibt also viel zu tun für die irakische Regierung.