Apartheidopfer gegen Großbanken
12. August 2002Eine Sammelklage in den USA schlägt Wellen bis nach Deutschland und bringt womöglich deutsche Großunternehmen in Bedrängnis. Am 19. Juni 2002 hat der prominente amerikanische Anwalt Ed Fagan die Schweizer Banken Credit Suisse und UBS und die amerikanische Bank Citigroup wegen ihrer Kredite an das ehemalige südafrikanische Apartheidsregime verklagt. Anfang Juli wurde bekannt, dass auch die Deutsche Bank, die Dresdner Bank und die Commerzbank in die Klage einbezogen werden sollen. Kläger Fagan strebt eine Schadensersatzsumme von bis zu 100 Milliarden Dollar an.
Die erste Anhörung von Anwälten vor dem US-Bundesgericht in Manhattan wurde am Freitag (9. August 2002) nach kurzer Zeit auf den 23. August vertagt. Mit der eventuellen Eröffnung einer Hauptverhandlung wird frühestens in fünf bis sechs Monaten gerechnet. Industrievertreter hatten die Klagen bereits vor der Anhörung als unsinnig zurückgewiesen. Ohne ihr wirtschaftliches Engagement wäre die Lage vieler einfacher Menschen noch weit schlimmer gewesen, sagten übereinstimmend Sprecher mehrerer Banken in Deutschland und anderen Ländern.
Die Internationale Kampagne für Entschuldung und Entschädigung im südlichen Afrika, eine Vereinigung von kirchlichen Initiativen und Menschenrechtsgruppen, unterstützt die Kampagne, wie ihre Sprecherin Anne Jung im Gespräch mit DW-WORLD mitteilte. Sie begründet die Unterstützung folgendermaßen: "Deutsche Banken und Konzerne haben die Apartheid jahrzehntelang völkerrechtswidrig mitfinanziert und sich damit auch massiver Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht."
Kredite trotz internationaler Sanktionen
Nach Angaben des südafrikanischen Anwalts John Ngcebetsha wird den Banken vorgeworfen, Milliardenkredite an das Apartheidsregime am Kap vergeben zu haben, als es bereits von internationalen Sanktionen betroffen war. Ihnen sei dabei bewusst gewesen, dass die Apartheid völkerrechtlich verbindlich als "eine der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen" geächtet gewesen sei. Sie hätten vom "Elend der Apartheidopfer profitiert", heißt es in der Anklage.
Klagen dieser Art sind eine Besonderheit des amerikanischen Justizsystems. Rechtsgrundlage ist einerseits die Tätigkeit der beklagten multinationalen Firmen auf amerikanischem Boden. Andererseits bietet das US-Rechtssystem mit der Institution der Sammelklage die Möglichkeit, dass einzelne Personen stellvertretend für ganze Gruppen vor Gericht ziehen. Außerdem baut die amerikanische Rechtssprechung zum großen Teil auf vorangegangene Gerichtsentscheidungen auf. So lässt sich, grob gesagt, jeder Prozess ein bisschen einfacher führen als seine Vorgänger in ähnlicher Sache. Als Vorbild für die Sammelklage gilt die erfolgreiche Entschädigungs-Klage für NS-Zwangsarbeiter.
Klage auf fremdem Boden
Gleichwohl hat die Strategie der Sammelklagen auf fremdem Boden ihre Kritiker in Südafrika. Sie wecke falsche Hoffnungen unter den Opfern, heißt es. "Die Menschen sind verwirrt", sagt Thandi Shezi von der Opfergruppe Khulumani. Einige glaubten, dass Fagans Vorgehen die staatliche Wiedergutmachung durch die südafrikanische Wahrheitskommission ersetze.
Hintergrund der Befürchtungen Shezis ist der schleppende Fortgang der Reparationsbemühungen im Lande. Während die vom früheren Präsidenten Nelson Mandela eingesetzte Kommission bereits 1998 rund 300 Millionen Euro für die Opfer des Rassismus empfahl, werden ihre endgültigen Vorschläge erst im August dieses Jahres erwartet. Erst dann will die Regierung ihre eigenen Wiedergutmachungsvorhaben veröffentlichen. So sind bislang nur einige wenige Vorschusszahlungen an die Betroffenen geflossen.
1000 Südafrikaner an Klage beteiligt
Fagans Mitarbeiter haben eine gebührenfreie Telefonnummer eingerichtet und fordern die Menschen auf, sich der Sammelklage anzuschließen, - was nach ihren Angaben bereits etwa 1000 Südafrikaner getan haben. "Einige Leute glauben, sie müssten nur anrufen und einen oder zwei Monate warten, bis das Geld eintrifft", sagt Shezi. "Wir haben ihnen erklärt, dass es fünf bis sechs Jahre dauern könne."
Vorwürfe, die Sammelklage stifte Verwirrung unter den Apartheidsopfern, wie Fagans Anwaltskollege Ngcebetsha zurück: "Unsere Klienten sind sich sehr bewusst, dass wir nichts kriegen, wenn wir nicht gewinnen."