Anti-Terror-Gesetze unter der Lupe
29. August 2013"Wir haben seit dem 11. September weltweit, auch in der Bundesrepublik, eine Fülle von neuen Gesetzen, die in größter parlamentarischer Beschleunigung erlassen wurden", sagt Burkhard Hirsch. "Das hat eine wesentliche Veränderung dessen herbeigeführt, was man etwas beschönigend als Sicherheitsarchitektur bezeichnet."
So begründete der FDP-Politiker im Januar 2013 im Gespräch mit der Deutschen Welle die Notwendigkeit jener Expertenkommission, die damals ihre Arbeit aufnahm: Unter dem Vorsitz von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sollte die Gesetzgebung zur Terrorismusbekämpfung seit den Anschlägen vom 11. September 2001 bewertet werden. Zudem sollte untersucht werden, welche Rolle die "Sicherheitsarchitektur" bei den schwerwiegenden Versäumnissen im Fall der rechtsextremen Zwickauer Terrorzelle spielte. Am Mittwoch (28.08.2013) präsentierte die Ministerin gemeinsam mit Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die Ergebnisse.
"Kassensturz": War alles rechtsstaatlich verantwortbar?
Die diversen Sicherheitsgesetze hatten unter anderem eine Auswirkung: Die "Verstärkung der Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten schon im Vorfeld von strafbaren Handlungen", um, wie es heißt "Gefährdungen, die sich aus dem Terrorismus oder Extremismus ergeben, rechtzeitig zu erkennen und zu bekämpfen". Diese erweiterten Befugnisse der Behörden hätten große gesellschaftspolitische Relevanz, sagt Burkhard Hirsch:
"Das hat zu einer wichtigen Veränderung polizeilicher Tätigkeiten und der Nachrichtendienste geführt - und es wird höchste Zeit, einmal Kassensturz zu machen und sich zu fragen, ob alles rechtsstaatlich verantwortbar war - oder ob wir in Richtung Überwachungsstaat wandern."
Zwar waren die einzelnen Gesetzesänderungen in den vergangenen zehn Jahren Gegenstand von juristischen Prüfungen; das "Gesamtpaket" wurde jedoch nie überprüft. Besonders heikel ist das Spannungsfeld zwischen Datenschutz und Sicherheit, in dem sich die Kommission wohl auch politisch positionieren musste. Gerade die sogenannte "Vorratsdatenspeicherung", also die Überwachung und Speicherung von Telekommunikationsvorgängen, die möglicherweise der Vorbereitung eines Anschlages gelten könnten, ist in den vergangenen zehn Jahren immer wieder zum Gegenstand einer hitzigen öffentlichen Debatte geworden. "Ist es denn wirklich richtig, dass selbst Ehepartner in einer Wohnung damit rechnen müssen, belauscht zu werden, es sei denn, sie haben ihren Steuerberater dabei?", fragt Hirsch.
Die Arbeit der Kommission berührte auch andere heikle Bereiche der deutschen Sicherheitsarchitektur, etwa das Gesetz für das Bundesamt für Verfassungsschutz. Nach dem 11. September wurden hier spezielle Auskunftsrechte der Nachrichtendienstbehörden gegenüber Luftfahrt-, Post- und Telekommunikationsunternehmen eingeführt. Ziel war es, Personen, die in Verdacht standen, ein terroristisches Attentat zu planen, besser überwachen zu können. Auch sollten die Finanzen von Terrorismusverdächtigen enger kontrolliert werden können.
Historisches Erbe prägt deutsche Sicherheitsarchitektur
Die grundlegende Revision sollte auch durch externe Sachverständige geschehen. Einer unter ihnen ist der Politikprofessor Heinrich Amadeus Wolff, der in Frankfurt an der Oder unterrichtet. Im Gespräch mit der DW erklärte er im Januar die Sensibilität des Themas mit der historischen Last des Dritten Reiches und der deutschen Sicherheitsarchitektur, die 1945 entscheidend von den Siegermächten mitbestimmt wurde: "Wir wollen keine Geheimpolizei, keine starke Bundespolizei, keine Nachrichtendienste auf Bundesebene mit Exekutivbefugnissen."
Im Kontext eines Bundesstaates sei zudem "die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern immer ein Problem. Im Sicherheitsbereich besteht ein starkes Schwergewicht der Länder im allgemeinen Polizeirecht - aber für die Nachrichtendienste auf Bundesebene. Das führt dazu, dass der Bund Interesse hat, alle Fragen als nachrichtendienstliche Fragen zu qualifizieren, weil er dann eine Kompetenz bekommt." In diesem Spannungsfeld musste sich die Kommission behaupten - und das in kurzer Zeit.
So standen die Experten unter höherem Zeitdruck als zunächst geplant: Der Kabinettsbeschluss, ein temporäres Gremium zur Prüfung der Sicherheitsgesetze einzurichten, fiel bereits im August des vergangenen Jahres. Damals war vorgesehen, dass ein volles Jahr zur Verfügung stünde - nun blieben den Sachverständigen nur wenige Monate, von Ende Januar bis zur heißen Phase des Bundestagswahlkampfs.