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Anschläge sind Ausdruck von Politikversagen

29. Dezember 2011

Nach Attentaten auf religiöse Einrichtungen wächst die Sorge, dass die interreligiöse Gewalt außer Kontrolle gerät. Nigerianer werfen den Sicherheitsbehörden Versagen vor. Doch der Konflikt ist nur vordergündig religiös.

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Zerstörte Kirche St. Theresa in Madalla, Nigeria, Foto: Dele Jones/AP/dapd
Die zerstörte Kirche St. Theresa in MadallaBild: dapd

Die Ankündigung des Präsidenten der "Vereinigung der Christen Nigerias", Pastor Ayo Oritsejafor, war an Deutlichkeit nicht zu überbieten. "Sollte es weitere Übergriffe gegenüber Christen, Kirchen oder christlichem Eigentum geben, dann haben Nigerias Christen keine Wahl als angemessen zu antworten", erklärte Oritsejafor am Mittwoch (28.12.2011) vor der Presse. Zuvor hatte bereits eine Vereinigung der in Nigeria populären Pfingstkirchen damit gedroht, das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen, sollte es der Staat weiter versäumen, anti-christliche Übergriffe zu unterbinden.

Jihad gegen Christen?

Christliche Kirche und im Hintergrund Moschee in Abuja, Nigeria. Foto: Katrin Gänsler
Interreligiöser Dialog? Eine Kirche und eine Moschee in AbujaBild: Katrin Gänsler

Zwar appellierte Pastor Ayo Oritsejafor, wie bereits zuvor der nationale Sicherheitsberater von Präsident Goodluck Jonathan, an Nigerias Christen, sich nicht zu Vergeltungstaten für die Weihnachtsanschläge auf die katholische Kirche Sankt Theresa hinreißen zu lassen. Gleichzeitig bezeichnete er die Gewaltwelle der islamistischen Sekte Boko Haram aber als eine "Kriegserklärung" an Nigerias Christen.

Ein Bombenattentat auf eine Koranschule im mehrheitlich christlichen Bundesstaat Delta mit sieben Verletzten vom Dienstag nährt Befürchtungen, dass die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Religionsgemeinschaften in Afrikas bevölkerungsreichstem Staat nun mit Vergeltungsschlägen der einen wie der anderen Seite eskalieren könnten.

Der einflussreiche Sultan von Sokoto, Muhammad Sa'ad Abubakar, bemühte sich deshalb, die Wogen zu glätten. Es gäbe keinen Konflikt zwischen Muslimen und Christen, zwischen dem Islam und dem Christentum, sondern nur einen zwischen "guten und bösen Menschen", so der muslimische Würdenträger.

Ratlose Regierung

Präsident Goodluck Jonathan auf einem Wahlplakat in Lagos, Nigeria, im April 2011 Foto:AP Photo/Sunday Alamba
Um Versöhnung bemüht: Präsident Goodluck JonathanBild: AP

Doch angesichts Hunderter Toter und Zehntausender Flüchtlinge in den vergangenen Monaten gerät die Regierung zunehmend unter Rechtfertigungsdruck. Längst hat sich die Ankündigung von Präsident Goodluck Jonathan, Boko Haram sei "bald Geschichte", als gravierende Fehleinschätzung erwiesen. Die Sicherheitskräfte stehen der Situation ohnmächtig gegenüber, auch wenn Goodluck bereits Verhaftungen nach dem Weihnachtsattentat meldete. Am Mittwoch blieb dem Präsidenten wenig mehr als der Appell an "alle religiösen und traditionellen Autoritäten, alle Meinungsführer und solche von Jugend- und Frauengruppen, die Regierung und vor allem die Politiker zu unterstützen".

Religiöse Spannungen sind politisch motiviert

Der Fingerzeig auf Nigerias notorisch machthungrige Politikerkaste kommt nicht von ungefähr. Nüchterne Nigerianer haben die ebenso korrupten wie ehrgeizigen Mandatsträger in dem 150-Millionen-Einwohnerland längst als geistige Brandstifter der vorgeblichen Religionsunruhen ausgemacht. Jonathan weiß, wovon er spricht: seit dem krankheitsbedingten Tod seines muslimischen Vorgängers Yar'Adua im Jahr 2010 wird der Christ aus dem Süden von der nordnigerianischen Politelite misstrauisch beäugt. Ihr spielt ein Versagen des Amtsinhabers bei der Beilegung der Unruhen in die Hände. "Wenn es in Nigeria einen hässlichen Zwischenfall gibt", so der Präsident, wird er sofort politisch instrumentalisiert." Im Pressesaal gab es zustimmendes Nicken.

Autor: Ludger Schadomsky
Redaktion: Stefanie Duckstein